Fiat Chrysler:Rekordstrafe als Exempel

Produktion eines Ram Pick-Ups

Produktion eines Pick-ups der Marke Ram. Der Fiat-Chrysler-Konzern, zu dem Ram gehört, muss nun mehr als eine halbe Million ältere Modelle zurückkaufen.

(Foto: Jerry S. Mendoza; Fiat-Chrylser Automobiles)
  • Fiat Chrysler Automobiles (FCA) wurde von den amerikanischen Behörden zu einer Rekordstrafe von 105 Millionen US-Dollar (etwa 95 Millionen Euro) verpflichtet.
  • Grund sind verschiedene Pflichtverletzungen im Zuge frührer Rückrufaktionen.
  • Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA geht derzeit rigoros gegen Autohersteller vor, denen Versäumnisse bei Rückrufaktionen nachzuweisen sind.

Von Thomas Harloff

14 bis 16 Uhr am vergangenen Sonntag. Zwei Stunden, die Sergio Marchionne ausnahmsweise genossen haben dürfte. Sebastian Vettel, hoch bezahlter Angestellter der Edelschmiede Ferrari, fuhr im Formel-1-Boliden der Roten souverän zum Sieg beim Rennen in Ungarn. Endlich einmal positive Schlagzeilen für eine Marke, die zu dem von ihm geleiteten Firmenimperium Fiat Chrysler Automobiles, kurz FCA, gehört.

In den Tagen zuvor musste Marchionne viel Negatives lesen. Vornehmlich über den amerikanischen Teil des weltumspannenden Firmenkonglomerats, dem inzwischen elf Automarken angehören. Computer-Hacker hatten es geschafft, ein Modell der Marke Jeep per Laptop fernzusteuern. Der Geländewagenspezialist, einst unter dem Dach von Chrysler beheimatet, rief in den USA daraufhin 1,4 Millionen Autos zurück, um die enttarnte Sicherheitslücke per Software-Update zu schließen.

Der Champagner auf Vettels Rennanzug war gerade getrocknet, da verbreiteten sich die nächsten schlechten Nachrichten aus dem Hause FCA. Der italienisch-amerikanische, inzwischen rechtlich in den Niederlanden angesiedelte Autobauer muss in den Vereinigten Staaten eine Strafe zahlen. 105 Millionen US-Dollar, gut 95 Millionen Euro, erhoben vom Verkehrsministerium und der ihm unterstellten Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA. So viel Geld musste noch nie ein Autobauer wegen Verfehlungen bezahlen.

Geldstrafe, Rückkäufe, Transparenz

Darüber hinaus muss der Konzern mehr als 500 000 Besitzern eines Modells seiner Pick-up-Sparte Ram Rückkaufangebote machen, und mehr als eine Million Jeep-Besitzer können ihr Auto für mehr als den Marktwert in Zahlung geben oder finanzielle Entschädigungen verlangen. Außerdem muss der Konzern seine Abläufe bei Rückrufen für einen Zeitraum von drei Jahren von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen.

Bei der Strafe geht es jedoch weniger um die technischen Mängel an Fahrwerken und Benzintanks, die den Rückrufen zugrunde liegen. Es geht eher um Verfehlungen im Rahmen der Maßnahmen. Der offiziellen NHTSA-Verlautbarung zufolge hat FCA zugegeben, dass es bei 23 Rückrufaktionen mit insgesamt etwa elf Millionen betroffenen Fahrzeugen zu Unregelmäßigkeiten kam. Dabei handelte es sich um Probleme bei der zeitlichen Abwicklung der Aktionen und mangelnde Effizienz. Die NHTSA bemängelt außerdem eine schlechte Kommunikation zwischen dem Hersteller und seinen Kunden, den Händlern sowie der Behörde selbst.

Chrysler stellte sich stur - und ruderte dann zurück

Man kann die Strafe als späte Reaktion auf einen Vorfall interpretieren, der sich vor zwei Jahren ereignete. Damals forderte die NHTSA Chrysler auf, 2,7 Millionen Jeep-Modelle in die Werkstätten zu beordern, weil die Beamten fürchteten, dass bei einem Heckaufprall deren Tank bersten und das Auto deshalb in Brand geraten könnte. Der Autobauer stellte sich, und das ist ungewöhnlich, gegen die Behörde und ließ verlauten, dass die Geländewagen sicher seien und die Wahrscheinlichkeit, dass sie in Brand geraten, nicht höher sei als bei vergleichbaren Modellen. "Das Unternehmen bürgt für die Qualität seiner Fahrzeuge", sagte Marchionne damals.

Zwei Wochen später lenkte Chrysler dann doch ein und veranlasste, die Autos in die Werkstätten zu holen. Man legte jedoch Wert darauf, die Aktion nicht als Rückruf zu bezeichnen, sondern als "freiwillige Serviceaktion". Chryslers mutmaßlicher Plan: Wenn man schon viele Millionen Dollar wegen eines Rückrufes verliert, dann will man wenigstens den Imageschaden begrenzen.

Die NHTSA spielte das Spiel mit und gab sich zufrieden. Doch Chrysler hatte dem Vernehmen nach keine Eile, die 2,7 Millionen Autos reparieren zu lassen. "Man hat immer wieder gehört, dass sich Marchionne viel Zeit ließ mit dieser Aktion", sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. "Es war schon auffällig, dass sie sich nicht zügig um die Umsetzung bemüht haben."

Der Ruf der NHTSA hat gelitten

Dass alles so lange dauerte, wird auch der NHTSA selbst angelastet. Die Behörde sei zu zögerlich, lautet der Vorwurf, der sich vor allem durch zwei weitere Rückruf-Skandale nährt. Erst fiel der Behörde jahrelang nicht auf, dass General Motors fehlerhafte Zündschlösser in seine Autos einbaute, dann öffneten sich in den Modellen zahlreicher Hersteller grundlos die Airbags des Zulieferers Takata. "Die NHTSA steht selbst unter Druck, weil viele Leute umgekommen sind, obwohl es schon relativ früh Hinweise gab", sagt Bratzel.

Als eine der ersten Reaktionen auf die Kritik an der NHTSA wurde deren Chef ausgewechselt. Ende des vergangenen Jahres übernahm Mark Rosekind dort das Zepter. Seitdem ist mit der NHTSA nicht zu spaßen. Im Januar musste Honda 70 Millionen US-Dollar, fast 64 Millionen Euro, wegen ähnlicher Verfehlungen wie Chrysler zahlen. General Motors und Takata dürften folgen. "Da wird sicherlich etwas kommen, und es werden bestimmt keine niedrigen Strafen sein", sagt Bratzel. Die Botschaft ist eindeutig: Wer mit dem Leben seiner Kunden spielt und dabei erwischt wird, muss kräftig zahlen. Diesmal zahlt Marchionne - und Vettel wird noch viele Male gewinnen müssen, damit sich die Laune seines Chefs nachhaltig bessert.

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