Faszination: Rolls Royce Drophead Coupé:Das Yacht-Gefühl

Sanft gleitet der blaue Riese den Hügel hinauf. Sattgrüne Wiesen und edle Cottages ziehen vorbei. Wo würde ein offener Rolls Royce auch besser hinpassen als in den Süden Englands?

Von Stefan Grundhoff

Eine Yacht auf Rädern; unvergleichlich schön, unglaublich exklusiv und unbezahlbar teuer. Bei geöffnetem Dach erinnert das 5,61 Meter lange viersitzige Drophead Coupé an die grandiosen Riva-Boote oder die schnittigen Sunseeker-Yachten.

Üppige Dimensionen? Wer sagt denn sowas?

Es ist sicher kein Zufall, dass sich Motorboot-Spezialist Sunseeker nur ein paar Meilen weiter westlich in Southhampton befindet und eine Vielzahl ehemaliger Bootsbauer von Rolls Royce zum 2003 eröffneten Rolls-Werk nach Goodwood / Chichester geholt wurden. Auf der diesjährigen Detroit Motor Show hatten sich die Studie Mercedes-Benz Ocean Drive und das Realmodell Rolls Royce Drophead Coupé gegenseitig ausgestochen. Die Ankunft des Deutschen steht noch in den Sternen - der britische BMW-Ableger seit einigen Wochen bei den weltweit rund 80 Händlern.

Man täte dem Drophead unrecht, würde man ihn allein mit dem wenig schmuckvollen Begriff "Cabriolet" beschreiben. Offen können viele und mit einem Mercedes SL oder gar einem Peugeot 207cc hat der Brite nun wirklich nicht mehr als ein zu öffnendes Dach gemein.

So wie den Drophead stellt man sich einen britischen Flanierkreuzer für die Schönen und Reichen der Welt vor. Kein Gedanke an die windigen Roadster in schlechten Rosamunde-Pilcher-Streifen oder das schneeweiße Golf Cabriolet Sondermodell "CC", dem Lebenslang-Schwiegersohn Sascha Hehn in der Schwarzwaldklinik einst zu Ruhm und Ehren verhalf.

Dieser offene Rolls Royce ist einzigartig. Die kantige-charismatische Erscheinung seines Ziehvaters Phantom steht ihm gut und lässt die opulenten Dimensionen gelungen verschwimmen. Niemand wäre je der Meinung, dass der Drophead zu üppig dimensioniert wäre.

Das Yacht-Gefühl

So spektakulär er sich auf der Straße und besonders in hügeliger Herbstlandschaft präsentiert, so wenig beeindruckend ist der luftgefederte Drophead für den Fahrer.

Ähnlich wie beim Phantom fällt einem sofort das spindeldürre Steuer auf, mit dem man den tonnenschweren Briten mit zwei Fingern um den Kreisverkehr an der Ortsausfahrt von Goodwood steuern kann.

Vom Zwölfzylinder-Triebwerk ist bei langsamer Fahrt nichts zu vernehmen. Geschlossene Auspuffventile sorgen dafür, dass es der exklusive Brite in Sachen Pirschfahrt mit einem U-Boot oder einem Elektroauto aufnehmen kann.

Shocking! Es gibt keinen Abstandstempomat!

Einen Drehzahlmesser sucht man vergebens. Stattdessen informiert eine Anzeige neben dem Tacho, wieviel Prozent des Drehmoments gerade verfügbar ist. So sehr man sich auch müht: Zum Schwitzen bringt man diesen coolen Cruiser niemals. V12-Triebwerk, 6,75 Liter Hubraum, 460 PS und 720 Nm Drehmoment ab 3500 U/min fahren sich so langweilig wie eine Mercedes E-Klasse. Nur wer es darauf anlegt, glaubt die 240 km/h Höchstgeschwindigkeit und den Spurtpotenzial 0 auf 100 km/h in sechs Sekunden.

Ein sanfter Druck aufs Gaspedal und der knapp 2,6 Tonnen schwere Hecktriebler schiebt sich unnachgiebig und eindrucksvoll nach vorn. Die Dynamik der automobilen Yacht nehmen allenfalls die Umgebung und die Passagiere im Fond wahr.

Bei geöffnetem Dach weht es hinten mächtig und die viel zu kurzen Kopfstützen zeigen, dass der Rolls Royce trotz grandioser Verarbeitung und üppiger Platzverhältnissen auch seine kleinen Schwächen hat. Suchen muss man die Makel allerdings mit der Lupe und die Erscheinung des Innenraums, eine Orgie aus Leder und Edelholz, macht einem die nötige Objektivität nicht leicht.

Die Lenkung könnte präziser sein und die Bedienelemente übersichtlicher. Längst etablierte Komfortdetails wie Keyless Go, Kurvenlicht oder einen Abstandstempomaten bietet der ansonsten mit allen Wünschen auszustaffierende Brite nicht einmal für teures Aufgeld. Extras sind Holzintarsien, Stickereien im weichen Luxusleder oder eine besondere Holzart. Ehe eine Holzleiste den Innenraum verziert, vergehen bis zu 28 Tage allein an Bearbeitungszeit.

Das Yacht-Gefühl

Die erlauchten Kunden hatten bereits mit den Hufen gescharrt und lange auf den offenen Rolls Royce gewartet. Unwürdige US-Rapper machten den Ziehvater Phantom sogar obdachlos, weil sie es mit "oben mit" nicht aushalten konnten.

Kein Wunder, denn die Briten ließen sich mehr als drei Jahre Zeit, ehe sie die Serienversion des Drophead Coupés endlich der Öffentlichkeit präsentierten. Aus der grandiosen Konzeptstudie 100EX, die erstmals auf dem Genfer Salon 2004 bestaunt werden konnte, wurde ein Cabriolet, das keine realen Grenzen kennt.

Picknick im Kofferraum

Die Gesamtlänge, die stählerne Motorhaube und die hinten angeschlagenen Türen, die pro Stück allein 70 Kilo wiegen, sind beeindruckend. Ganz nebenbei: Der offene Phantom-Bruder ist der erste Rolls Royce in der 103-jährigen Firmengeschichte, dessen Kühlergrill niedriger als die Motorhaube selbst ist.

Dieses einmalige optische Ereignis muss man sich mindestens 440.300 Euro kosten lassen - so bleibt der Käuferkreis elitär. Nach Angaben von Meryll Lynch gibt es weltweit rund 95.000 potentielle Kunden - so viele haben offiziell mehr als 30 Millionen Euro auf dem Konto. Die meisten Kunden wohnen in den USA. Doch der echte Wachstumsmarkt ist in China.

Gerade gegenüber der Damenwelt kann man noch in diesem Herbst mit einem stilechten Picknick nach Lord-Manier punkten. Die umlegbare hintere Kofferraumwand wird abseits des Landsitzes im Handumdrehen zu einer Sitzbank mit einer Tragfähigkeit von 150 Kilogramm. Wer in trauter Zweisamkeit Händchen halten möchte, sollte sich also vorher über das Gewicht seiner selbst und der Begleitung im Klaren sein.

Doch die Klappe erfüllt als Ladehilfe für den 315 Liter großen Kofferraum auch einen praktischen Nutzen - egal ob in Dubai, Florida oder der südbritischen Rolls-Heimat.

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