Fahrschule:Fahrschüler parken per Knopfdruck ein

Ausbildung zum Fahrlehrer

Ein Berliner Fahrlehrer montiert das Hinweisschild auf dem Dach: Immer öfter bitten auch Ältere die Fahrschulen um Hilfe.

(Foto: Gregor Fischer/dpa)

Fahranfänger dürfen heute alle technischen Hilfen eines Autos nutzen. Auch in der Prüfung. Lernen sie so überhaupt noch das Fahren?

Von Thomas Harloff

Souverän lenkt der Teenager das Auto rückwärts in die Parklücke. Er schaut dabei nicht nur in die Rückspiegel und durch die Fenster, sondern auch auf den Monitor in der Mittelkonsole, auf dem er das Bild der Rückfahrkamera sieht. Gleichzeitig lauscht er dem aufgeregten Piepsen der Parkdistanzkontrolle. Als das Auto mittig in der Parklücke steht, sagt die Stimme von rechts hinten: "Gut gemacht!" Der Prüfer ist zufrieden mit dem Fahrschüler, in wenigen Minuten wird er ihm den begehrten Führerschein überreichen.

Rein rechtlich gibt es daran nichts zu beanstanden. "Alle vom Fahrzeughersteller lieferbaren Ausstattungen und Systeme sind grundsätzlich zugelassen", heißt es in der Fahrerlaubnisverordnung. Der Prüfer darf dem Prüfling also nicht anordnen, die Systeme einfach mal auszuschalten. Doch ist das auch sinnvoll? Sollte bei einer Fahrprüfung nicht eher das Können des Fahranfängers zählen und weniger das der modernen Assistenzsysteme?

Technische Möglichkeiten und klassisches Fahren laufen parallel

Aus Sicht der Prüforganisation Dekra, unter deren Obhut zahlreiche Fahrprüfungen abgenommen werden, ist das sogar sehr sinnvoll: "Insbesondere, wenn es um kontinuierlich wirkende Systeme geht, zum Beispiel einen Abstandsregeltempomaten oder den aktiven Spurhalteassistenten, muss das Verständnis für die Funktionsweise solcher Systeme geschult werden", sagt ein Sprecher. Gleichzeitig müsse das Problembewusstsein für mögliche negative Effekte geschärft werden. Etwa, dass Fahrer gefährliche Situationen durch die zuverlässige Technik falsch und als zu sicher einschätzen.

Fahren lernen nach klassischer Art und das Vermitteln der technischen Möglichkeiten - in der Praxis läuft das parallel. "Wir bilden zu gleichen Teilen aus", sagt Claudia Zink, die in München eine Fahrschule betreibt. "Natürlich zeigen wir den Schülern, was die Technik kann, dass sie als Sicherungssysteme fungiert und damit nichts Schlechtes ist." Aber nach ihrer Ausbildung würden viele Fahranfänger auf betagte Kleinwagen umsteigen, in denen keine Parksensoren existieren und die nicht automatisch den toten Winkel überwachen. Deshalb zeigen Zinks Fahrlehrer den Schülern weiterhin, in welchem Winkel sie das Auto optimal einparken und wie ihnen beim Anfahren am Berg eine angezogene Handbremse helfen kann. "Im zwölf Jahre alten Polo muss es schließlich auch klappen", sagt Zink.

Die Durchfallquote ist gleich geblieben

Die Strategie scheint zu funktionieren. Bei etwa gleichbleibender Durchfallquote in praktischen Prüfungen nehmen die Unfallzahlen der Fahranfänger kontinuierlich ab. Die unter 18- bis 25-Jährigen sind zwar immer noch die unfallträchtigste Gruppe aller Verkehrsteilnehmer, aber neben den 35- bis 45-Jährigen die einzige, die von Jahr zu Jahr weniger Unfälle verursacht. Das hat viele Gründe, darunter die demografische Entwicklung einer immer älter werdenden Gesellschaft oder immer mehr aktive Sicherheitssysteme in Einsteigerautos. Der Trend spricht dennoch für die Fahrschulausbildung - und gegen die älteren Autofahrer.

Das überrascht, schließlich sitzen sie tendenziell in den teureren und sichereren Autos. Doch verschiedene Studien und Analysen zeigen, dass moderne Autos ihre Fahrer oft überfordern. Die Huk-Coburg-Versicherung hat errechnet, dass es heute nicht signifikant weniger Parkschäden gibt als früher, obwohl inzwischen fast die Hälfte aller Autos mit Einparkhilfen ausgestattet sind. Die Unfallforschung der US-amerikanischen Autoversicherer wies im Jahr 2014 nach, dass das Zusammenspiel aus Rückfahrkamera und Parkpiepsern mehr ablenkt, als nützt. Experten warnen seit Jahren, dass Touchscreens in der Mittelkonsole gefährlich sind, weil dadurch der Blick des Fahrers immer wieder weg von der Straße hin zum Display wandert. Und das Marktforschungsinstitut J. D. Power fand im Jahr 2015 in einer Studie heraus, dass viele Autofahrer die technischen Spielereien entweder für unnötig halten, sie deshalb nie benutzen und zum Teil nicht einmal ausprobiert haben.

Beim Autokauf mit Informationen überschüttet

Es scheint also wichtiger zu sein, den über 45-Jährigen den richtigen Umgang mit der digitalen Technik zu vermitteln als der ohnehin darin geübten "Generation Smartphone". Die Fahrschulbranche hat das erkannt. So ermutigt der Fahrlehrerverband BFV seine Mitglieder, mit Autohäusern zusammenzuarbeiten, um älteren Käufern die Systeme zu erklären. "Sie werden beim Kauf im Autohaus überschüttet mit Informationen. Aber wenn sie zu Hause sind, haben sie alles vergessen", sagt Gerhard von Bressensdorf, der Vorsitzende des BFV. Fahrlehrerin Zink berichtet von immer mehr Kunden, die von sich aus auf sie zukommen, weil sie sich mit der Technik alleingelassen fühlen.

Autofahrern - egal welchen Alters - die Vor- und Nachteile moderner Technik zu vermitteln, dürfte in den nächsten Jahren ein wichtiges Thema werden. Bis autonomes Fahren so reibungslos funktioniert, dass sich alle Autoinsassen entspannt zurücklehnen können, gelten Claudia Zinks Worte: "Jeder muss weiterhin die Basics können. Autos sind Maschinen, die überwacht werden müssen. Und wenn ich etwas überwache, dann muss ich wissen, wie das funktioniert und wie ich das handhaben muss."

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