Fahrräder aus Bambus:Fahrradrahmen, die als Halme wachsen

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Der Rahmen ist pflanzlich: Bambus-Fahrrad der Marke Zuri. (Foto: dpa)

Immer mehr Manufakturen bauen Fahrräder aus Bambus. Warum die großen Hersteller noch nicht auf das Material setzen - trotz guter Eigenschaften.

Von Benjamin Köbler-Linsner

Es mag offiziell zu den Gräsern gehören, aber es ist stabiler als so manches Holz: Bambus. Dass man damit sogar Fahrräder herstellen kann, beweisen allein in Deutschland mehrere Manufakturen. Und es werden immer mehr. Dabei ist schon eine Weile bekannt, dass sich Bambus für diesen Einsatzzweck eignet. Der amerikanische Fahrradentwickler Craig Calfee experimentiert schon seit 1995 mit dem Werkstoff herum: Damals gab er seinem Hund einen Bambusstock als Spielzeug und war überrascht, dass das Süßgras der Belastung standhielt. Das brachte den Designer dazu, Bambus als Material für Fahrradrahmen zu verwenden.

Erfunden hat Calfee den Bambusrahmen jedoch nicht. Bereits 1894 stellte die Bamboo Cycle Company ein Bambusfahrrad auf der Londoner Messe Stanley Cycle Show vor. Das mit dem Slogan "better than steel", zu Deutsch "besser als Stahl", beworbene Rad erregte die Aufmerksamkeit des britischen Aristokraten Lord Edward Spencer-Churchill, eines entfernten Verwandten von Winston Churchill. 1500 Meilen soll der Adelige auf dem Bambusrad zurückgelegt haben. Kurz darauf geriet Bambus als Rahmenmaterial in Vergessenheit. Stahl setzte sich durch, da es einfacher zu verarbeiten war. Aluminium und Carbon folgten.

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Rahmenproduktion schafft Arbeitsplätze in Entwicklungsländern

Der Rohstoff für den Bambusrahmen wird meist in Afrika oder Asien angepflanzt und dort auch weiterverarbeitet. Mit dem Naturprodukt machen die Hersteller auch auf die soziale Verantwortung gegenüber den Produzenten aufmerksam. "Die Angestellten in der ghanaischen Werkstatt sind kranken- und sozialversichert", sagt Christian Penke von der Firma my Boo. Auch David Hoffmann, Geschäftsführer der Fahrradmarke Zuri, bezeichnet die Produktion von Bambusrahmen als wichtigen Wirtschaftsfaktor in Ländern wie Uganda, Sambia, Ghana oder Vietnam.

Bambus zählt zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen der Erde. Unter Idealbedingungen können die Halme bis zu einen Meter pro Tag wachsen. Dennoch dauert es bis zu drei Jahre, bevor die Bambusrohre reif für die Ernte sind. Aus reinem Bambus besteht der fertige Rahmen allerdings nicht: Steuerrohr und Innenlager werden mit Aluminiumhülsen verstärkt, als Verbundmaterial wird Epoxidharz verwendet. Das mindert jedoch etwas die Umweltbilanz eines Bambusrades, denn das Harz kann nur schwer recycelt werden und bei der Herstellung entstehen giftige Dämpfe. Ausgehärtet ist der Klebstoff jedoch ungefährlich.

Im Gegensatz zu Holz ist Bambus dank seiner vielen Hohlräume verhältnismäßig leicht. "Wir haben unsere Rahmen auf einem Prüfstand testen lassen und waren selbst überrascht, dass dabei sehr hohe Stabilitätswerte herausgekommen sind", sagt David Hoffmann. Materialprüfer Marcus Schröder vom Institut EFBE bestätigt die Festigkeit und Sicherheit von Bambusrahmen: "Bambus ist ein Verbundwerkstoff aus der Natur. Solche Rahmen bestehen bei uns die gleichen europäischen Sicherheitsprüfungen wie übliche Produkte aus Stahl, Aluminium oder Carbon."

Ähnlich wie bei TÜV oder Dekra werden bei dem unabhängigen Institut Materialien auf Sicherheit geprüft. Denn wie für Autos gelten auch für die Konstruktion von Fahrrädern bestimmte Vorschriften. Roland Huhn, Sicherheits- und Rechtsexperte beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), verweist auf mehrere nationale und internationale Industrienormen. Nur wenn ein Fahrrad diese Vorgaben erfüllt, darf es auf dem Markt angeboten werden. "Die sicherheitstechnischen Anforderungen müssen selbstverständlich auch von Fahrrädern mit Rahmen aus Bambus erfüllt werden", betont Huhn.

Naturmaterialien eignen sich nicht für industrielle Massenproduktion

Viele Argumente sprechen für den holzähnlichen Stoff. Warum findet sich dieses Material dann nicht auch an Rädern der großen Serienhersteller? Laut Fahrradproduzent Derby Cycle, zu dem die Marken Focus und Kalkhoff gehören, lässt sich das Material nur schlecht in bestehende Arbeitsabläufe integrieren. "Bei unserem Geschäftsmodell wäre die Herstellung von Bambusrahmen nicht realisierbar", sagt Sprecher Arne Sudhoff. Ausschlaggebend dafür ist die individuelle Beschaffenheit des Naturproduktes mit seinen unterschiedlichen Wandstärken.

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Alex Thusbass, Produktdesigner bei Haibike: "Jedes neue Material muss sich in verlässlicher Qualität und in großen Stückzahlen wirtschaftlich sinnvoll herstellen lassen. Und gegenüber Materialien wie Aluminium oder Carbon bietet Bambus nicht genügend Vorteile, als dass sich eine aufwändige Anpassung der Produktionsabläufe lohnen würde". Das sieht David Hoffman vom Bambusrad-Hersteller Zuri genauso: "Die großen Hersteller produzieren im Jahr 500 000 Rahmen. Da geht es um Industrie 4.0 und einen hohen Grad an Automation."

Die Bambus-Manufakturen wollen jedoch ein individuelles Lifestyleprodukt vermarkten, weshalb die Schwierigkeiten der Großindustrie ein Segen für die Nischenhersteller sind. Die Handarbeit zeichnet den Bambusrahmen aus. Und durch sie wird er auch weiterhin ein exotischer Blickfang bleiben. Das Bambusrad ist dabei aber nicht nur ein alternatives Fortbewegungsmittel für ökologisch orientierte Menschen. Christian Penke von my Boo erklärt: "Unsere Bambusräder werden von verschiedenen Menschen gekauft - vom Bademeister bis zum Geschäftsmann."

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