Fahrrad-Test Cube Elite C68 SL 29:Die Waden machen schlapp, nicht das Fahrrad

Cube Elite

Das Cube Elite C68 SL 29 kostet 4699 Euro.

(Foto: NN)

Unser Autor wagt sich an einen Querfeldein-Marathon im Montafon. Sein Mountainbike, ein Cube Elite C68, hält die Strapazen gut aus - im Gegensatz zu Fahrer und Reifen.

Test von Sebastian Herrmann

Beim ersten Blick auf die Waden der anderen Fahrer bekommen die Versagensängste neue Nahrung. Im Startbereich in Schruns im österreichischen Montafon lassen sich wohldefinierte, ziemlich sehnig-faserige Wadenmuskeln bestaunen. Musculus gastrocnemius nennen Mediziner jenen Antrieb, der fitte Radler über Anstiege, Flachpassagen und anderen Strecken bewegt.

An diesem Samstagmorgen versammeln sich ziemlich viele, ziemlich gut trainierte Waden-Paare, um beim Montafon Mountainbike Marathon mitzufahren. Die Konkurrenz scheint beängstigend gut in Form zu sein, dabei stehen die wirklichen Wadenvorbilder, also die Profi-Mountainbiker, fast außer Sichtweite, nämlich ganz vorne in einem abgetrennten Startbereich. 130 Kilometer und 4500 Höhenmeter gilt es bei der Runde zu überwinden, die der Veranstalter mit dem Wörtchen "extrem" überschrieben hat. Ob die eigenen dünnen Waden diese Mountainbike-Schlachtplatte Montafoner Art überleben werden?

Kaum schwerer als ein Rennrad

Das Fahrrad, auf dem man diese Freiluft-Quälerei auf Stollenreifen angehen darf, fügt sich - anders als die eigene Beinmuskulatur - gut in den Fuhrpark der anderen Menschen in Funktionswäsche ein. Immerhin mit dem Material kann man mithalten. Das Cube Elite C:68 SL 29 ist ein Hardtail-Mountainbike mit 29 Zoll Laufrädern, das vor allem für den Renneinsatz konzipiert wurde. Das Carbon-Rad wiegt mit 9,25 Kilogramm Gewicht nur wenig mehr als ein Rennrad.

Am Tretlager befindet sich nur mehr eine einzige Kurbel mit 34 Zähnen - auch die anderen Räder im Startbereich sind fast ausnahmslos mit diesen reduzierten Varianten ausgestattet. Dass Mountainbikes vor nicht allzu langer Zeit noch mit Dreifachkurbeln und 26-Zoll-Reifen ausgestattet waren, fühlt sich an, als sei das in der Steinzeit gewesen.

Es muss doch noch einen leichteren Gang geben!

Die Kassette am hinteren Laufrad, die Ritzel also, sehen dafür recht überproportioniert aus. Zehn bis 42 Zähne haben die elf Gänge. Und ja, damit kommt man gut aus. Bei der verbrecherisch steilen Auffahrt zum Stausee Kops nahe der Silvretta Hochalpenstraße wird gegen Ende des Mountainbike-Marathons trotzdem ständig geprüft, ob es nicht doch noch einen leichteren Gang gibt. Aber dieses Ritual hat man genau so auch schon mit Dreifach-Kurbel-Gangschaltungen ausgeführt - das gehört zum Bergauffahren wie das selbstmitleidige Jammern und Stöhnen. Anstrengend ist es so oder so und einen noch leichteren Gang gibt es nie. Aber man kann es ja mal probieren.

Die Anstiege dieses Mountainbike Marathons lassen sich trotz der üblichen Flüche über das eigene Tun mit dem 4699 Euro teuren Cube gut bewältigen - so gut sich eben Anstiege bewältigen lassen, die sich zu insgesamt 4500 Höhenmetern summieren.

Abfahrten, die auch Suizidversuche sein könnten

Die Erschütterungen bergab federt eine Rock Shox SID-Gabel ab. Diese Gabel mit 100 Millimeter Federweg - das ist eher wenig, aber das Rad ist ja auch für Marathons ausgelegt - habe bereits unzählige Worldcups gewonnen, schreibt der Rad-Hersteller euphorisch auf seiner Webseite. Nun ja, das mag sein. Genauso wie es sein mag, dass manche Mountainbiker mit ihren Rädern und Federgabeln die paar Passagen bergab fahren können, die für die meisten Amateurteilnehmer des Rennens im Montafon lediglich als ernsthafter Suizidversuch fahrbar sind.

Das Rad läuft gut, soweit das die Waden- und Fahrtechnik-Defizite des Fahrers eben zulassen. Doch dem verweichlichten Rennradtypen auf dem Mountainbike - gemeint ist der Tester - beschert der Marathon eine schmerzhafte Einsicht: Auf dem Bergrad wird einem kein Kilometer geschenkt. Die Abfahrten bieten kaum Erholung, sie kosten Kraft und Konzentration und im Tal schicken die Organisatoren des Rennens die Teilnehmer über kleine verwurzelte Pfade, die ebenfalls ein Höchstmaß an Konzentration verlangen. Aber wer an solchen Rennen teilnimmt, macht das nicht, um entspannt auf dem Radweg zu kullern. Er macht das auch, um Schmerzen zu erleiden und seine Qualen am Ende in eine Heldengeschichte umzudichten.

Pannen und Zickereien

Bei den letzten Abfahrten mit dem Cube zickt die versenkbare Sattelstange etwas. Sie fährt nicht mehr von alleine aus, es muss mit der Hand nachgeholfen werden. Und schließlich legt eine Panne den Radler lahm. Auf einer schotterigen Abfahrt bohrt ein spitzer Stein ein Loch in den Mantel. Das Cube ist mit sogenannten Tubeless-Reifen ausgestattet. Das heißt: Unter den Mänteln sitzt kein Schlauch. Sie sind so verklebt, dass sie auch so den Luftdruck halten. Als Pannenschutz dient eine milchige Flüssigkeit im Reifen, die in der Theorie Löcher automatisch von innen verklebt, so dass es keiner Flickerei bedarf.

Beim Rennen im Montafon haut das leider nicht hin. Die weiße Pampe blubbert aus dem kleinen Loch heraus, dichtet es aber nicht ab. Es muss also ein Ersatzschlauch in den Mantel gepackt werden. Dabei saut man sich schön mit der Flüssigkeit ein. Das macht keinen Spaß, funktioniert schließlich aber.

Der platte Reifen - und zwei zusätzliche Pannen eines befreundeten Mitfahrers - liefert wenigstens die Begründung dafür, warum nach etwas mehr als neuneinhalb Stunden Radelei nur noch wenige, sehr dünne Wadenträger nach dem Tester ins Ziel einrollen. Am Cube lag es nicht, das war das passende Rad für diese schmerzhafte Angelegenheit. Nur etwas fitter müsste man sein, wenn man sich mit den großen Jungs mit den strammen Waden messen will.

Hinweis der Redaktion: Das vorgestellte Produkt wurde der Redaktion vom Hersteller zu Testzwecken leihweise zur Verfügung gestellt.

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