Fahrrad:Paris will radeln

Kampf dem Verkehrskollaps: Paris will ein Paradies für Radfahrer werden - und stellt über 20.000 Fahrräder für jedermann zur Verfügung.

Wer ohne lange Staus durch Paris kommen will, der macht es am besten wie die Touristen und geht zu Fuß oder nimmt die Metro. Denn eine Fahrt mit dem Auto kann zum stundenlangen nervigen Abenteuer werden. Und die Seine-Metropole tut so ziemlich alles, um den Autoverkehr weiter zu behindern: Sie wandelt Fahrbahnen in Busspuren um, macht die letzten freien Parkplätze gebührenpflichtig und erweitert Fußgängerzonen. Und sie versucht, die grantelnden Pariser zum Umsteigen aufs Fahrrad zu bewegen. Eine Alternative, die auch für Touristen höchst attraktiv werden kann.

Paris Leihräder Velib

Paris kämpft gegen den Verkehrskollaps: 370 Kilometer Radwege entstehen neu.

(Foto: Foto: dpa)

Schon jetzt kann man in der kompaktesten Millionenstadt Europas einige schöne Strecken mit dem Fahrrad erschließen. Vor allem an den Ufern der Seine und am Kanal Saint Martin bis hoch zur Cité de la Musique radelt es sich gemütlich. Im Hochsommer und an Sonntagen werden einige Straßen ganz für Fußgänger und Radfahrer reserviert. Doch auf den für Radler freigegebenen engen Busspuren und im dichten Autogedränge wird eine Radtour schnell zum gefährlichen Abenteuer.

Ehrgeizig: 20.000 Fahrräder, 1450 Stationen, 370 km Radwege

Bürgermeister Bertrand Delanoë will das ändern. Der von den Grünen unterstützte Sozialist überzieht die Stadt derzeit mit einem Netz von Radwegen und Verleihstationen für Fahrräder. Im Sommer soll das "Velib"-Netz fertig sein.

In einem Jahr sind Kommunalwahlen, und Delanoë will mit Erfolgen im Kampf gegen den chronischen Verkehrsnotstand in den Wahlkampf ziehen. Insgesamt 1450 automatische "Velib"-Verleihstationen für 20 600 Fahrräder lässt er in der Stadt aufbauen, durch die sich über 370 Kilometer Radwege ziehen. Im Zentrum soll dann jeder im Umkreis von 100 Metern eine Velib-Station finden. Den Touristen wird das Prinzip in acht Sprachen erläutert. Darunter sind für Franzosen so exotische Sprachen wie Deutsch, Arabisch und Chinesisch.

Paris will radeln

Die Idee ist einfach: Weil in den meisten Pariser Wohnungen - und in den Hotels sowieso - kein Platz für ein Fahrrad ist, leiht man sich das Rad nur für die Zeit, die man es braucht. Man fährt, wohin man will, und gibt das Fahrrad an der Station nahe seines Zielorts ab. Gezahlt wird mit Kreditkarte an einer Verleihsäule oder über eine eigene "Velib"-Karte, die man über das Internet aufladen kann.

Auf den robusten Mercier-Rädern aus Ungarn mit großem Korb vor dem Lenker soll man in weniger als einer halben Stunde durch die ganze Zwei-Millionen-Stadt kommen. Denn Paris ist mit 112 Quadratkilometern flächenmäßig nur so groß wie Emden mit 52 000 Einwohnern und nicht einmal halb so groß wie Frankfurt am Main. Es ist allerdings umgeben von einem 15 000 Quadratkilometer breiten Städtebrei außerhalb der Ringstraße "Boulevard Périphérique".

Die halbe Stunde kostet einen Euro

Mit einem "Velib"-Jahresabo für 29 Euro kann man so viele Touren machen, wie man will. Die Tagesgebühr ist mit einem Euro auch erschwinglich. Allerdings wird es für Touristen, die längere Radbummel machen wollen, schnell teurer. Denn wenn eine Fahrt länger als 30 Minuten dauert, werden Extragebühren fällig, und zwar progressiv. Die dritte halbe Stunde kostet schon vier Euro Aufschlag. Wer also einen ganzen Tag lang durch die Stadt streifen will, sollte alle halbe Stunde eine "Velib"-Station ansteuern und das Rad wechseln.

Und noch etwas sollten Paris-Besucher wissen: Den Montmartre mit der bei Touristen so beliebten Zuckerbäcker-Kirche Sacré-Coeur erobert man am besten weiter mit der Zahnradbahn oder dem "Montmartrobus". Denn auf den Künstlerberg mit der herrlichen Aussicht über die Stadt soll keine "Velib"-Station. Delanoë hat aus dem Beispiel Lyons gelernt. Dort muss jeden Tag aufs Neue ein Lkw Fahrräder zur Leihstation auf den Hügel Croix-Rousse bringen. Die meisten Radler rollen eben lieber bergab, als bergauf zu strampeln.

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