Fahrbericht: Porsche Cayman S:Die wahre Wonne

Kann es wirklich sein, dass man durch die idyllischen Hügel rings um Siena fährt und nicht einen Blick hat für die Landschaft - sondern nur für den Bremspunkt der nächsten Kurve? Das kann sein. Wenn man im neuen Porsche Cayman sitzt.

Von Jürgen Wolff

Es gibt sie, die Liebe auf den ersten Blick. Man weiß genau: Sie wird einen finanziell ruinieren. Abhängig machen. Nicht mehr los lassen. Für Schmerzen sorgen. Und für viel, viel Freude. Mit dem Cayman hat Porsche einmal mehr solch ein Herz- und Lustobjekt geschaffen.

Cayman AFP

Der Porsche Cayman.

(Foto: Foto: AFP)

Da steht er nun, liebevoll umschmeichelt von der Sonne Italiens. Von vorne erinnert er ein bisschen an den großen Bruder Porsche 911, innen ein wenig an seinen erstgeborenen Zwilling Boxster. Ansonsten: ein Sportcoupé mit eigener Linie.

Die Front wird geprägt durch die beiden ovalen Scheinwerfer und die großen Lufteinlässe mit den integrierten runden Nebelscheinwerfern. Die sprungbereit geduckte Seitenlinie bestimmt das sanft und langsam zum Heck hin abfallende Dach. "Jede Kontur gleicht einem gespannten Muskel", schwärmt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking.

Am Heck dominieren hinter den vom Boxster bekannten (aber hier mit zwei senkrechten Lamellen versehenen) Lufteinlässen die ausladenden und lang geschwungenen Kotflügel und die breit laufenden Rückleuchten. In den Radkästen rollen hinten Walzen im Format 265/40 ab. Vorne sind es 18-Zoll-Breitreifen im Format 235/40. Wer will und gut 1800 Euro übrig hat, kann auch auf 19-Zoll-Sporträder aufrüsten.

Platz da!

In jedem Fall der Erwähnung wert: die 116 x 90 Zentimeter ausladende und hoch aufschwingende Heckklappe, die nicht nur schön aussieht, sondern auch einen einfachen Zugang zur hinteren Ladefläche eröffnet. Dort finden, von Netzen gesichert, bis zu 260 Liter Gepäck Platz.

Zusammen mit dem vorderen Laderaum - der zwar nur 150 Liter fasst, dafür aber so tief ist, dass auch Getränkekisten darin Platz finden - reicht das selbst für eine längere Urlaubsreise. Und Sie werden künftig ganz sicher lieber in Urlaub fahren als fliegen...

Im Herzen

Erst der Gepäckraum vorne und der sportlich-klassisch gestaltete Innenraum verraten auch, woher die eigentlichen Gene des Cayman herkommen: Basis des Coupés ist der Boxster. Entsprechend auch das Motorenkonzept. Wie beim Boxster kommt auch beim Cayman die Kraft aus der Mitte. Der 3,4-Liter-Sechszylinder-Boxer, den die Zuffenhausener Ingenieure aufgebohrt und mit den Zylinderköpfen des Carrera (samt der Ventilhub-Verstellung VarioCam Plus) veredelt haben, sitzt zwischen Fahrgastzelle und Hinterachse und stammt aus dem Boxster S. Da allerdings hat er einen Hubraum von 3,2 Litern und 15 PS weniger. Der Cayman S wird von 217 kW / 295 PS befeuert - also: gewaltig. Für die Buchhalter: Bei einem Leergewicht von 1340 Kilogramm kommt der Cayman S auf ein Leistungsgewicht von 4,56 Kilogramm pro PS.

Jeder noch so kleine Kick aufs Gaspedal wird denn auch unverzüglich von einem entsprechend ansteigenden grollenden Röhren quittiert - und von einem ebenso augenblicklich einsetzenden Vortrieb. Wer will, schleudert den Cayman mit der Kraft dieses drehfreudigen Aggregats mühelos binnen 5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Und Schluss ist erst bei 275 km/h. Die beste Unterstützung dabei: das knackig und mit kurzen Wegen zu schaltende 6-Gang-Getriebe. Sein Schaltprogramm wurde für den Cayman S neu entwickelt: Der 1. und 2. Gang sind etwas kürzer ausgelegt als beim Boxster.

Die wahre Wonne

Kämpferqualitäten

Richtig Spaß macht der Cayman aber, wenn man das ebenfalls aus dem Boxster stammende und neu abgestimmte Fahrwerk per Knopfdruck auf sportliche Härte schaltet und auf Kurvenjagd geht - dann liegt der Cayman zehn Millimeter tiefer und satt auf der Straße. Federn, Dämpfer und Stabilisatoren sind beim Cayman generell sportlicher ausgelegt als beim Boxster.

Ihm kommt auch zugute, dass die Struktur der Karosserie auf der des Boxster basiert - und der ist als Cabrio und ohne Dach eh schon speziell auf hohe Stabilität ausgerichtet. Das feste Dach beim Cayman sorgt ergo für eine noch verwindungssteifere Karosserie - was entsprechend auch noch einmal der Fahrwerksgeometrie zugute kommt.

Die Lenkung ist gewohnt exakt und präzise. Die meisten Kurven lassen sich ohne Umgreifen fahren. Die Rückmeldung von der Straße kommt exakt beim Fahrer an. Die jeder Zigarettenkippe auf der Fahrbahn im Sportmodus allerdings auch. Ohne Sport-Einstellung wird der Cayman dagegen fast schon zum sanften Roadrunner mit Schongang für die Bandscheiben.

Gebremster Fall

Das ESP greift bewusst erst spät ein. Wer zum Beispiel kräftig aus der Kurve heraus beschleunigt, bringt den Hecktriebler sogar zu sanften Drifts - bevor das elektronische Contra dem ein Ende bereitet.

Wenn es doch einmal eng werden sollte, retten die gnadenlos zugreifenden Bremsen: Sie basieren auf denen des 911 und sorgen Dank des geringeren Gewichts des Cayman noch rigider für Verzögerung. Eine Keramik-Bremsanlage gibt es gegen 7830 Euro Aufpreis. Ein Mehr, das sich unter dem Strich sogar finanziell lohnen könnte: Die Keramikscheiben halten laut Porsche ein ganzes Cayman-Leben lang.

Bis ins Detail haben die Designer und Techniker am Cayman gefeilt. Die beiden kleinen Spoilerlippen am Bug etwa wurden so lange optimiert, bis sie den Auftrieb nun um zehn Tausendstel reduzieren. Klingt wenig, bringt viel: Bei Tempo 270 verringert sich allein dadurch der Auftrieb an der Vorderachse im Vergleich zum Boxster um 14 Kilo.

Fragen, ob der neue Cayman nicht dem 911er die Kunden abspenstig machen wird, quittiert man bei Porsche mit Gelassenheit. Der in Finnland produzierte Cayman passe exakt zwischen den rund 6000 Euro preiswerteren Boxster und den satte 18.000 Euro teureren 911 Carrera - und wende sich an eine jüngere und sportlich orientierte Käuferschicht. Jünger? Der klassische 911er-Fahrer ist 46, der durchschnittliche Boxster-Käufer 42 Jahre alt.

40 Seiten

Jünger allein reicht beim Cayman ohnehin nicht - gut betucht sollte man auch sein. Der Grundpreis von 58.529 Euro ist porscheüblich eher als Mindestempfehlung zu verstehen, wenn der Cayman vom 26. November an in den Porsche-Zentren steht.

Die Ausstattungsliste füllt fast 40 Seiten. Leider ist darin auch vieles zu finden, was in dieser Klasse eigentlich zur Serienausstattung gehören sollte: Bi-Xenon-Scheinwerfer (1032 Euro) zum Beispiel, Heckscheibenwischer (336, Euro), Klimaautomatik (452 Euro) oder Multifunktions-Lenkrad (690 Euro). Wahre Liebe kommt teuer.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: