Fahrbericht Nissan Qashqai:Der Held soll wieder siegen

Der Nissan Qashqai bietet viel Auto für wenig Geld.

Mit 1,5 Millionen verkauften Exemplaren ist der Qashqai europaweit Spitzenreiter in seinem Segment. Die zweite Generation soll diese Position ausbauen - oder zumindest halten.

(Foto: STG)

Qashqai, der zweite: Sparsame Motoren, Assistenzsysteme und Leichtbau sollen Nissans Erfolgsmodell wieder an die Spitze führen. Platzangebot und Einstiegspreis sind attraktiv, aber der Crossover hat auch einige Schwächen.

Von Georg Kacher

Gut schaut er aus, der neue Qashqai, der im Februar zu den Händlern rollt. Moderner, windschnittiger, wertiger. Kein verkappter SUV, sondern ein gefälliger Crossover mit mehr Chrom, mehr LED-Licht, mehr Mut zu frischen Proportionen. Die +2-Version mit sieben Sitzen wird aus dem Programm genommen. Stattdessen setzt Nissan auf ein etwas großzügigeres Raumkonzept: Länge plus 47 Millimeter, Radstand plus elf Millimeter, Kopffreiheit plus zehn Millimeter, Knieraum im Fond plus elf Millimeter. Nuancen, gewiss, aber der Trend stimmt - auch beim Leichtbau mit 40 Kilo weniger.

Der Kofferraum ist dagegen um 20 Liter auf 439 Liter gewachsen. Der doppelte Ladeboden und die beiden variabel einsetzbaren Bodenplatten ermöglichen 16 verschiedene Konfigurationen. Bei Bedarf verschwindet sogar das Abdeckrollo in einem separaten Fach unter der bei umgeklappten Rücksitzen völlig ebenen Ladefläche. Auch der Innenraum wurde deutlich aufgewertet. Die Oberflächen wirken gefälliger, die Anzeigen und Bedienungselemente sind übersichtlicher angeordnet, die Sitze sind komfortabler, ein neues multifunktionales Farbdisplay zwischen Tacho und Drehzahlmesser ergänzt den optionalen zentralen Touchscreen.

Der Kofferraum des Nissan Qashqai ist um 20 Liter gewachsen.

Der Kofferraum des Nissan Qashqai ist um 20 Liter gewachsen.

(Foto: STG)

Schwächen? Das überladene Multifunktionslenkrad verdeckt den Blick auf Tankuhr und Hochschaltanzeige, die Tasten für manche Sekundärfunktionen wie PDC und Start-Stopp verstecken sich in der Tiefe des linken Fußraumes, das rechte Knie kollidiert schon mal mit der Mittelkonsole, die Hupe hat kaum Bobby-Car-Qualität.

Europaweit Spitzenreiter im Segment

Mit einem Marktanteil von 16,2 Prozent und mit 1,5 Millionen verkauften Exemplaren über Laufzeit steht der Qashqai europaweit an der Spitze des Segments. Diese Position will Nissan halten oder ausbauen - zum Beispiel durch Leasing-Restwerte, die 7,2 Prozente über denen des Vorgängers liegen. Die günstigste Variante steht mit 19 490 Euro in der Liste, das teuerste Sondermodell kostet voll ausgestattet 35 150 Euro. Weil der Hersteller mit niedrigen Bestellraten für den Allradantrieb (zwölf Prozent) und die Automatik (fünf Prozent) kalkuliert, gibt's das stufenlose Getriebe nur in Verbindung mit dem frontgetriebenen 1,6-Liter-Diesel und die 4x4-Technik ausschließlich in Verbindung mit dem Handschalter - auch nur für den 1.6 dCi. Als sparsamste Version glänzt der 110 PS starke 1,5-Liter-Diesel mit einem Mixverbrauch von asketischen 3,8 Liter - 36 Prozent weniger als der Vorgänger.

Bei den Benzinern bescheinigt Nissan dem neuen, 115 PS starken 1,2-Liter-Aggregat mit 5,6 l/100 km exakt das gleiche Trinkverhalten wie der ab Sommer lieferbaren 1,6-Liter-Maschine, die mit 150 PS und 240 Nm freilich spürbar besser im Futter steht. Die Hälfte des Absatzes wird nach Ansicht der Vertriebsspezialisten auf den 1,6-Liter-Diesel entfallen, der 130 PS leistet, ein maximales Drehmoment von 320 Nm entwickelt und je nach Getriebe und Antriebsart zwischen 4,4 und 4,9 Liter verbraucht.

Während die Fronttriebler mit einer Verbundlenker-Hinterachse vorlieb nehmen müssen, bedingt der Allradantrieb auch hinten einzeln aufgehängte Räder. Quer durch die Bank wird eine neue elektrische Servolenkung verbaut, die mehr Stabilität und eine bessere Rückmeldung verspricht. Außerdem darf der Fahrer zwischen den zwei Kennlinien Normal und Sport wählen. Das klingt kompliziert, funktioniert in der Praxis aber recht ordentlich mit direktem Ansprechverhalten, gutem Fahrbahnkontakt und sauber herausgefilterten Antriebseinflüssen.

Frühes Untersteuern, wenig Grip

Das Sport-Programm erfordert höhere Lenkkräfte, entschädigt dafür jedoch mit einer besseren Anbindung an die Fahrbahn. In Kombination mit den momentan unvermeidlichen Winterreifen sind Handling und Straßenlage keine Offenbarung. Der Qashqai untersteuert früh, baut relativ wenig Grip auf, will mit möglichst kleinen Lenkwinkeln bei Laune gehalten werden, könnte einen verbindlicheren Langsamfahrkomfort an den Tag legen und neigt trotz neuer Zweirohr-Dämpfer zu sprödem Ansprechverhalten auf welliger Fahrbahn und Querrinnen. Lob verdient die leicht dosierbare Bremse, die rasch anspricht und prompt verzögert.

Sobald eines der vielen Assistenzsysteme Alarm schlägt, fiept, blinkt oder vibriert der Nissan wie es moderne Autos gerne tun. Mit an Bord sind (teilweise nur gegen Aufpreis) der autonome Notbremsassistent, die Müdigkeitserkennung, der Spurhalteassistent, der Totwinkelwarner, die Verkehrszeichenerkennung, der Einparkassistent mit Draufsichtkamera, der Fernlichtassistent und der Bewegungswarner. Dabei handelt es sich um eine 180-Grad-Optik in der Heckklappe, die Alarm auslöst, sollte der Rangiervorgang durch spielende Kinder, tobende Hunde oder unachtsame Radler gestört werden.

Im Innenraum des Nissan Quashqai sind zu viele Bedienelemente.

Für wenig Übersicht sorgen die vielen Instrumente im Cockpit des Nissan Quashqai.

(Foto: STG)

Das Chassis-Control-Paket steuert über gezielte Bremsimpulse den aktiven Wankausgleich und die aktive Spurkontrolle. Der Fahrer erlebt das elektronische Regelwerk als einen unsichtbaren Schutzengel, der uns verhalten zuckend und ruckelnd den Grenzbereich entlang führt - Big Brother auf die sanfte Tour.

Deutlich höherer Verbrauch in der Praxis

Der 1,6-Liter-Diesel ist weder lobenswert laufruhig noch sonderlich drehfreudig, doch der Drehmomentverlauf und die Fahrleistungen stimmen uns versöhnlich, das Ansprechverhalten trifft zuverlässig die goldene Mitte zwischen aufmerksam und bissig, das Getriebe findet blind und mit erstaunlicher Leichtgängigkeit seinen Weg durch die Schaltgasse. Der kleine Benziner tut sich im direkten Vergleich deutlich schwerer, denn er wirkt bis 3000/min angestrengt und schon knapp darüber kurzatmig, was sich mehr schlecht als recht mit der Tatsache verträgt, dass man den Handschalter in den oberen Gängen sehr lang übersetzt hat. So kommt dieser Qashqai trotz hoher Drehzahlen schon auf leichten Steigungen nicht mehr wirklich souverän voran, verbraucht in der Praxis deutlich mehr als auf dem Papier und könnte vor allem im kritischen Tempobereich zwischen 80 und 120 km/h mehr Schubkraft vertragen.

Leistungshungrigen Zeitgenossen sei in diesem Zusammenhang der Qashqai Nismo empfohlen, der schon zum Ende des Jahres mit seinem deutlich über 200 PS starken Vierzylinder die fahrdynamischen Talente des Bestsellers auf eine erste echte Probe stellen dürfte.

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