Fahrbericht Mercedes S-Klasse Coupé:Imposanter Vertreter seiner Art

Mercedes S-Klasse Coupé

Das Mercedes S-Klasse Coupé kostet mindestens 126 000 Euro.

(Foto: Daimler AG)

Das neue S-Klasse Coupé ist der geschmeidigste und souveränste zweitürige Gleiter, den man für 126 000 Euro kaufen kann. Dennoch ist es nicht frei von Ungereimtheiten. Impressionen einer Ausfahrt.

Von Georg Kacher

Großen Coupés haftet etwas herrlich Gestriges an. Sie sind sehr selbstbewusste Erscheinungen, schwer und teuer, opulent eingerichtet und großzügig motorisiert. Mercedes verlangt für das S-Klasse Coupé S500 4Matic mindestens 125 961 Euro. Das ist relativ viel im Vergleich zum gleich starken BMW 650ix für 90 700 Euro, aber relativ wenig in Relation zum Aston Martin DB9 (573 PS, 177 950 Euro) oder zum Bentley Continental GT V8 (507 PS, 170 000 Euro).

Die zu den Coupés passenden Viertürer sind zwar entweder noch teurer oder kaum billiger, aber sie sind wenigstens mehr oder weniger echte Viersitzer. Im Fond des S-Klasse Coupés geht es dagegen ziemlich eng zu, und auch der Ein- und Ausstieg ist trotz elektrischer Sitzverstellung keine reine Freude. Der sanfte Verführer mit den voll versenkbaren Seitenscheiben und dem 400 Liter großen Kofferraum versteht sich als nobler Reisewagen für zwei Personen, die nach Strich und Faden verwöhnt werden - von den Aktivsitzen mit Massagefunktion (2023 Euro), von beheizten Armlehnen und Türtafeln (511 Euro) oder von der Burmester High-End-Musikanlage (7497 Euro).

Überzeugendes Hightech-Fahrwerk

Das wichtigste Komfort-Feature wird aufpreisfrei mitgeliefert. Die Rede ist vom Serien-Fahrwerk mit den völlig ausreichenden 19-Zoll-Rädern. Der Mix aus Luftfederung und Verstelldämpfern überzeugt durch grandiose Schluckfreudigkeit, einfühlsames Ansprechverhalten, erstklassigen Langsamfahrkomfort und eine Grundgeschmeidigkeit, die an den viel zitierten fliegenden Teppich erinnert. Schwächen? Auf kurze Anregungen reagieren die Niederquerschnitt-Pneus etwas unwirsch.

Und die adaptive Airmatic lässt sich auch in diesem Modell nicht mit der Neigetechnik kombinieren, die den Mercedes in einen Pendolino auf vier Rädern verwandelt. Die auf Basis der Active Body Control (ABC) weiterentwickelte High-Tech-Mimik sorgt über hydraulische Stellzylinder dafür, dass sich der über zwei Tonnen schwere Viersitzer sanft in die Kurve legt und der Querbeschleunigung ein Schnippchen schlägt. Die kamera- und sensor-induzierte, zwischen 15 und 180 km/h aktive Seitenneigung drückt uns in den Sitz statt weg vom Scheitelpunkt der Kurve, was so manchen Radius deutlich gnädiger erscheinen lässt. Bei sehr schneller Fahrt klinkt sich das System selbsttätig aus, denn es ist dem entspannten Carven verpflichtet und nicht dem Räubern auf der letzten Rille.

Der kleine V8 reicht völlig

Auto

Wohl proportioniert, stimmig bis ins Detail: Mercedes hat mit dem S-Klasse Coupé ein bemerkenswertes Auto geschaffen - Fahrerlebnis entsprechend.

Wer generell forsch auftreten möchte, der ist mit der AMG-Variante bestens bedient. Das liegt nicht nur am stärkeren 5.4 Liter V8 mit 585 PS, sondern auch an der kernigeren Grundabstimmung mit dickeren Stabis, kräftigeren Bremsen, breiteren Rädern, einer neu entwickelten Vorderachse und der deutlich engagierteren Kinematik. Das AMG-Modell gibt es als Hecktriebler mit ABC-Chassis oder als 4Matic mit Luftfederung. Der 170 586 Euro teure Allradler spurtet in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, läuft auf Wunsch 300 km/h Spitze und verbraucht im Schnitt 10,3 Liter Super. Zum Vergleich: das Grundmodell mit der 455 PS starken 4,7 Liter-Maschine schafft als 4Matic den Sprint in 4,6 Sekunden, ist 250 km/h schnell und konsumiert je nach Reifenformat zwischen 9,4 und 9,9 Liter.

In Vorbereitung für das Modelljahr 2015 ist der S65 mit zwölf Zylindern, 6,0 Liter Hubraum und 630 PS für etwa 255 000 Euro. Wir meinen, dass der kleine Achtzylinder völlig ausreicht, denn er mobilisiert schon zwischen 1800 und 3500/min stramme 700 Nm, das Getriebe wechselt im Sportprogamm erstaunlich hurtig die Gänge, und der S500 ist selbst im Komfortmodus keine schaukelnde Sänfte. Das AMG Coupé schiebt ab 140 km/h naturgemäß noch vehementer an, klingt mit seinem schaltbaren Auspuff noch inspirierter und ist vom Auftritt her das klar selbstbewusstere Auto. Aber weil 45 000 Euro Preisdifferenz selbst in diesen Kreisen nicht einfach wegdiskutiert werden, wünschen wir uns die Kombination aus kleinem Motor und kompletter AMG-Kur.

Enttäuschendes Bediensystem

Alles in allem ist das neue S-Klasse Coupé ein imposanter Vertreter seiner Art: wohl proportioniert, stimmig bis ins Detail, endlich wieder mehr selbstbewusste Skulptur als vordergründiger Straßenschmeichler. Ob der Wagen mit den aufpreispflichtigen Swarowski-Kristallen besser blinkt, mag freilich ebenso dahingestellt sein wie die Sinnhaftigkeit der aktuellen Assistenzsystem-Inflation. Doch die perfekte Verarbeitung verdient Applaus, die weggedimmten Fahrgeräusche schaffen eine beeindruckend stille Atmosphäre, auch der subtile Fluss der Bewegungsabläufe und das in allen Lebenslagen In-sich- gefestigt-Sein machen diese S-Klasse zu einem besonderen Erlebnis.

Das allerdings nicht ganz frei ist von Ungereimtheiten. Vor allem die Bedienung enttäuscht, denn sie ist teilweise unlogisch und zu kompliziert - die neue C-Klasse kann das besser. Was fehlt, sind der direkte Zugriff auf wichtige Fahrdynamik-Funktionen, ein graphisch simpler strukturiertes Head-up-Display und ein intuitiver Ersatz für das haptisch nicht befriedigende Übereinander von Touchpad und Comand Dreh-Drücksteller. Nein, ein Hybrid fehlt uns nicht. Den sollen die Schwaben in die Limousine packen, denn wie fast jedes Coupé ist auch dieses ein eher unvernünftiges Auto mit weniger Platz für mehr Geld.

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