Fahrbericht: Ford Focus ST:Den GTI im Focus

Mit dem Focus ST will Ford es wissen: Die Sportversion des Kölner Familienmobils soll dem Golf GTI die Fans abjagen. Dank reichlich Kraft, einem hervorragenden Fahrwerk und sattem Sound könnte das glatt gelingen.

Von Jürgen Wolff

Nicht ohne Hintersinn hat man bei Ford den "Circuit Paul Ricard" in Südfrankreich ausgewählt, um den neuen Sport-Focus zu präsentieren: Hier, auf Bernie Ecclestones privatem Rennplatz, hat vor Jahresfrist schon VW den Golf GTI vorgestellt.

Fahrbericht: Ford Focus ST: Die Heckschürze erinnert an einen aerodynamischen Diffusor aus dem Rennsport - das sorgt hier zwar kaum für zusätzlichen Abtrieb, wohl aber für den richtigen optischen Auftritt des verchromten Doppelrohr-Auspuffs.

Die Heckschürze erinnert an einen aerodynamischen Diffusor aus dem Rennsport - das sorgt hier zwar kaum für zusätzlichen Abtrieb, wohl aber für den richtigen optischen Auftritt des verchromten Doppelrohr-Auspuffs.

(Foto: Foto: Ford)

Und mit dem Sportpaket aus Wolfsburg wollen sich die Kölner erklärtermaßen anlegen. Der ST "braucht den Vergleich im Wettbewerb nicht zu scheuen," verkündet Ford-Chef Bernhard Mattes denn auch selbstbewusst. Und jede Runde auf dem Circuit zeigt, dass er durchaus Recht hat: ST jagt GTI.

Schon optisch hat der ST dem eher biederen Familien-Focus einiges voraus. Die Anleihen am Rallye-Focus sind unübersehbar: Die Front wird dominiert von dem zweigeteilten Kühler mit den schwarzen Wabengittern. Sie sorgen mit breitem Schwung dafür, dass der Wagen optisch einen niedrigen Schwerpunkt bekommt.

Auffallen ist schon angesagt

Der Schwung setzt sich in den Seiten fort, die mit kräftigen Kotflügeln, breiten Schwellern und sportlichen Felgen aufgewertet wurden. Der Focus ST ist der einzige Focus mit in die Seitenspiegel integrierten Blinkern. Dort, wo es beim Focus sonst an den Seiten leuchtet, findet sich jetzt jeweils ein unübersehbares ST-Emblem.

Die Heckschürze erinnert an einen aerodynamischen Diffusor aus dem Rennsport - das sorgt hier zwar kaum für zusätzlichen Abtrieb, wohl aber für den richtigen optischen Auftritt des verchromten Doppelrohr-Auspuffs. Aerodynamisch mehr Effekt hat da schon der prägnante Heckspoiler. Vor allem aber das leuchtende "Electric Orange" (das Ford nur dem Focus ST gönnt) sorgt dafür, dass man den kleinen Kraftmeier in freier Wildbahn auch ja nicht übersieht.

Sportlich und durchaus edel geht es innen weiter. Wer bei seiner Order auf die optionalen Recaro-Sportsitze vorne und hinten verzichtet, müsste eh mit einer Lieferzeit nicht unter drei Jahren bestraft werden. Ach was: Der sollte sich überlegen, ob es ein C-Max für ihn nicht auch tut. Die Instrumentierung - Anzeigen für Ladedruck, Öltemperatur und Öldruck gibt es auf dem Armaturenbrett als Dreingabe - ist sachlich, übersichtlich und trägt zum sportlichen Wohlbefinden ebenso bei wie die hochwertigen Materialien.

Da dieser Focus wohl kaum für den täglichen Kampf mit kindlichen Schokoladenfingern, tropfenden Blumenkästen und triefenden Hundeschnauzen gedacht ist, darf es auch ein bisschen edler zugehen als im Familien-Focus. Selbst von den Farben passt alles zusammen - bis hin zum schwarzen Dachhimmel, den die ST-Designer ihrem Brötchengeber regelrecht abtrotzen mussten. Es hat sich gelohnt, Jungs.

Den GTI im Focus

Turbo von Volvo

Unter der Haube brodelt ein Zylinder mehr als beim Konkurrenten GTI. Ford hat ins Konzernregal gegriffen und den 2,5-Liter-5-Zylinder hervorgeholt, der schon den Volvo antreibt.

"Brodeln" ist im übrigen durchaus wörtlich zu nehmen. Auch die Sound-Designer haben beim Focus ST nämlich ganze Arbeit geleistet: Denn was da freiwillig aus dem Auspuff kommt, wäre eines Sportwagens nicht gerade würdig. Also hat man ein bisschen nachgebessert. Bei Vollgas öffnet sich eine Membran im Lader, und über einen Schlauch wird der Klang dieser Sinfonie für fünf Zylinder und einen Turbo direkt bis unter das Armaturenbrett geleitet. Beim Gasgeben gibt's so richtig was auf die Ohren - ansonsten herrscht innen eher kultivierte Ruhe.

Die Fahrleistungen halten, was der Sound verspricht. 166 kW/225 PS holt der 5-Zylinder bei 6000 U/min aus seinen 2522 cm³ - 25 PS mehr als der Golf GTI aufzuweisen hat. Damit sprintet der ST in 6,8 Sekunden von null auf 100 km/h - und hängt den GTI mit seinen 7,2 sec. glatt ab. Auch in Sachen Topspeed muss der Wolfsburger hinten bleiben: Er schafft 235 km/h, der Focus ST 241 km/h.

Drehmoment? Das gleiche Bild: Die 320 Nm des Focus ST liegen ab 1600 U/min. an - das schafft unter den Benzin-Gölfen nur der R32. Der GTI liegt 40 Nm drunter. Die weite Spanne (maximales Drehmoment bei 1600 U/min., maximale PS-Leistung bei 6000 U/min.) sorgt dafür, dass der ST in einem ebenso breiten Drehzahlbereich richtig gut durchzieht. Ein Sportler, der sich durchaus schaltfaul fahren lässt und der auch aus niedrigen Touren flott und zuverlässig losstürmt - nicht nur beim Überholen ein beruhigendes Gefühl.

Fahrwerksfreuden

Viel zu diesem Gefühl von Sicherheit tragen auch das ausgezeichnete Fahrwerk und seine Abstimmung bei. Den Federn wurde eine um 30 Prozent straffere Kennung verpasst, das Fahrzeug um 15 Millimeter tiefer gelegt. Eine zusätzliche Querstrebe zwischen den Domen der Federbeine sorgt für mehr Verwindungssteifigkeit vorne.

Entsprechend satt zieht der ST um die Kurven. Man muss die Gesetze der Fliehkraft schon sehr strapazieren, bevor der Wagen auszubrechen droht. Und selbst dann hat ihn das erfreulich spät regelnde ESP meist schnell wieder eingefangen. Die gegenüber dem Serien-Focus um acht Prozent direktere Lenkung sorgt indes dafür, das man solche Momente frühzeitig erspürt - nicht überall gibt es schließlich so großzügige Auslaufzonen wie auf der Rennstrecke.

Gar nix zu meckern? Doch, ein bisschen. Mit der Kraft, die der ST auf die Straße bringt, kommt der Vorderradantrieb schon fast an die Grenzen. Es rüttelt und schüttelt zwar beim Beschleunigen noch lange nicht bedrohlich - aber ein leichtes Schlingern ist beim Vollgas aus der Boxengasse in der Lenkung schon zu spüren.

Schlussbetrachtungen

Und: Wer den Focus ST tatsächlich mit den von Ford angegebenen 9,3 Litern auf 100 Kilometern fährt, hält sich überaus zurück. Wer den ST so fährt, wie er es eigentlich verdient, wird kaum je unter zwölf Litern bleiben.

Mit dem Focus ST hat Ford ein gut ausbalanciertes Fahrpaket geschnürt: sportlich - aber nicht krawallig. Straff - aber nicht bockelhart. Lustvoll - aber alltagstauglich. Das Ganze gibt es als Dreitürer ab 24.200 Euro.

Theoretisch. Denn vieles, was im und am ST Lust macht, gibt es nur obendrauf. Die orangefarbene Lackierung etwa (1200 Euro), Bi-Xenon-Scheinwerfer (850 Euro) oder Recaro-Sitze (1950 Euro). Beim Preis immerhin liegt der Focus ST mit dem Golf GTI auf gleicher Höhe.

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