Fahrbericht: Cadillac BLS:Auf der Suche nach Bill und Ernest

Mit einer kompakten Limousine will Cadillac in Europa bekannter werden. Der BLS stammt aus den Baukästen von Opel und Saab.

Michael Harnischfeger

Das kann passieren: gerade den neuen Cadillac abgeholt, voller Endorphine raus auf die Straße, schon rummst es. Mit einem anderen Cadillac. Die Frage um Schuld und Nicht-Schuld entzweit Bill Babowsky und Ernest Tilly dermaßen, dass fortan ein selbstzerstörerischer Krieg zwischen diesen Vertreter-Heroen für Aluminium-Häuserfassaden im Baltimore der sechziger Jahre herrscht - vergnüglich anzuschauen in Barry Levinsons Filmkomödie "Tin Men" mit Richard Dreyfuss und Danny DeVito in den Hauptrollen.

Cadillac-Emblem; GM

Will auch in Europa ein wenig mehr glänzen: Traditionshersteller Cadillac

(Foto: Foto: GM)

Heute hätte dieser Unfall ungleich mildere Folgen. Bill und Ernest würden aus Rücksicht auf ihren wackeligen Blutdruck und andere Zipperlein sehr milde miteinander umgehen, denn sie wären, wie der Großteil der Cadillac-Stammkundschaft, bereits im Sonnenhut-seligen Rentneralter.

In Europa gar wäre eine solche Karambolage so unwahrscheinlich wie eine Serie von drei Lotto-Sechsern hintereinander. Cadillac, einst Glanz und Gloria des in Seenot lavierenden Giganten General Motors, ist in seiner Heimat zwar auf dem aufsteigenden Ast und meldet auch für Europa besseres Geschäft, gegenüber 2004 stiegen die Verkäufe hier um 73 Prozent, heißt es. Doch im letzten Jahr wurden zwischen Finnland und Portugal nur 2145 Cadillac verkauft.

Frei von Schwülstigkeiten

Um in der Alten Welt Tritt zu fassen, rollt nun mit dem BLS eine Limousine an den Start, die mit 4,68 Metern Länge dem American Way of Drive abschwört. Selbst das Design ist frei von Schwülstigkeiten. Wie bei den größeren Modellen CTS und STS sind alle Flächen kühl gehalten; der große Kühlergrill wird umrahmt von senkrecht stehenden Scheinwerfern, auch am Heck dominiert die Vertikale.

Dies sei der neue Cadillac-Stil, erklärt Designer Chip Thole. Nicht rückwärts gewandt elegant, sondern fortschrittlich einprägsam, technisch. Als Orientierung bei seiner Arbeit nennt er aparterweise den Tarnkappen-Bomber F117 Nighthawk, der fürs gegnerische Radar weitgehend unsichtbar ist.

Ein Schelm, wer daraus folgert, dass auch der BLS sein Leben auf dem europäischen Markt überwiegend unsichtbar fristen wird. Dennoch: Groß sind die Erwartungen nicht, nur 6000 bis 7000 Kunden sind für 2006 angepeilt. Eine Neukonstruktion wäre da wirtschaftlich unsinnig, weshalb sich Cadillac aus den bewährten Baukästen von Opel und Saab bedient.

Auf der Suche nach Bill und Ernest

Die Plattform mit einer aufwendigen Hinterachse sowie vieles beim Interieur wie Lenkrad, Handbremse, Zündschlüssel, Schalter und Instrumente stammen vom Saab 9-3; die Armaturentafel ist neu und trägt, wie es sich für einen Cadillac gehört, an exponierter Stelle eine schöne Analoguhr. Die ausgewählten Materialien machen einen ordentlichen Eindruck, fassen sich gut an und wurden im Saab-Werk Trollhättan solide zusammengefügt.

Mit Audi A4, BMW Dreier und Mercedes C-Klasse hat der BLS ein im Fond überschaubares Platzangebot gemein, auch der Kofferraum ist mit 425 Liter Volumen keine Großtat. Das gesamte Package ist eben europäisch - wie auch das Handling. Dieser Cadillac wiegt sich nicht in den weichen Federn, torkelt nicht irritiert um die Kurven, sondern lässt sich so leichtfüßig fahren wie viele auf Dynamik getrimmte Limousinen aus Europa. Wie manche von ihnen fordert er aber auch Tribut in Form eingeschränkten Abrollkomforts und einer polternden Achse, wenn die 18-Zöller der Topversion Sport Luxury montiert sind.

Alltagstauglich mit gutem Drehmoment

Auch die Achtzylinder-Herrlichkeit ist dahin. Unter der Haube tun Vier- und Sechszylinder von Saab Dienst; alle turbogeladen und alltagstauglich auf gutes Drehmoment aus dem Keller abgestimmt. Die Benziner - ein Zweiliter mit 129 kW (175 PS) oder 154 kW (210 PS) sowie ein 2,8-Liter-Sechszylinder mit 188 kW (255 PS) - laufen angenehm leise und kraftvoll. Der 1,9-Liter-Turbodiesel mit 110kW (150 PS) und Partikelfilter gehört zu den empfehlenswertesten Triebwerken dieser Leistungsklasse.

Wer weder beim Design noch im ambitionierten, allerdings auch austauschbaren Fahrerlebnis Argumente für den BLS sieht, findet die vielleicht beim Prospektstudium. Mit Preisen ab 27.590 Euro für den 175-PS-Benziner und sehr attraktiven Leasingraten ist der BLS ein wohlfeiler und risikoarmer Weg, Individualität zu zeigen.

Die exklusivste Limousine seiner Klasse dürfte er ohnehin werden. Mit mehr als 500 Käufern rechnet der deutsche Importeur in diesem Jahr nicht.

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