Klingt ja ganz vernünftig: Bis zu 1650 Liter Ladevolumen, 535 Kilo Zuladung, umklappbare Fondsitzlehnen, elektrisch auf- und zuschwenkende Heckklappe, Luftfederung an der Hinterachse.
Aber dann: fünf Liter Hubraum, zehn Zylinder, 507 PS, 520 Newtonmeter, dreht bis 8250 Umdrehungen hoch, braucht von null auf hundert 4,8 Sekunden, 250 km/h gehen maximal, würde nicht abgeregelt, wären über 300 drin. Der BMW M5 Touring ist wahrhaftig ein Auto der Extreme.
"Der erste Fünftürer für die Rennstrecke", jubelt der Pressetext. Na toll. Die Frage ist, wer so ein Auto braucht: Vielleicht jemand, der seinen Kühlschrank gerne auf der Nordschleife des Nürburgrings ausführt, oder der auf dem Weg in den Urlaub den Iso-fixierten Kindern auf dem Rücksitz am liebsten den Magen umdreht?
Man weiß ja längst, dass die M GmbH für alles zuständig ist, was aus ohnehin nicht lahmen BMW-Modellen das Letzte an Leistung und Fahrspaß herauskitzelt, ein Labor der Lust am technisch Machbaren.
Der Grad zwischen Perfektion und Unfug
Das Ergebnis, egal ob M Coupé, M3, 5 oder 6, wandelt immer auf dem schmalen Grad zwischen ultimativer Mechanik, perfektionierter Elektronik und fortgeschrittenem Unfug - jedenfalls, wenn man sich die ganz realen Verhältnisse im Land der Richter und Lenker anschaut. Von den Treibstoffpreisen und CO2 gar nicht zu reden.
Was nicht heißen soll, dass der Neue nicht ein außergewöhnliches Erlebnis ist. In den optimierten Basis-Touring haben die M-Leute den Wahnsinn injiziert in Gestalt des V10-Motors, für den die Formel 1 ihre Gene lieferte. Ein kaltes Herz der Perfektion, in dessen Innerem die Höllenfeuer toben.
Das macht den M5 zwar, wenn es sein muss, auch mild und leise und recht komfortabel sogar. Dann aber wieder ist er rabiat, grenzwertig, extrem. Ein Auto, in sich unerschütterlich wie eine Burg und dennoch von filigraner Reaktion. Tanz mit den Fliehkräften, Fanfarenklänge aus vier Endrohren, am besten abseits der Zivilisation.
Die Landschaft fliegt, die Straße schrumpft zum seidenen Faden. Der Fahrer: ganz Ohr und Auge und purer Reflex. Teil der Mechanik. Dirigiert und verantwortet. Und immer früher an seinen Grenzen als das Auto. Das sollte man wissen.
Dennoch ist der M5 Touring kein bloßer Treiber. Den Berserker gibt er nur, wenn man die elektronische Programmwahl schärft, die in unzähligen feinen Abstufungen verhindern soll, dass rohe Kräfte sinnlos walten. Das fängt mit dem sequentiellen SMG-Getriebe an.
Es bietet dem Fahrer nicht weniger als elf verschiedene Fahrprogramme an - sechs für die manuelle Schalterei, die man per Schaltwippen am Lenkrad perfekt beherrscht und fünf für die Automatik-Stellung. Wer am handflächendicken Lenkrad die unschuldige M-Taste drückt, löst damit weitere Metamorphosen aus.
Verschärfter Widerspruch
Dann lässt sich die dynamische Stabilitätskontrolle so lange manipulieren, bis sie zum feinen Drift im Grenzbereich befähigt (abschalten geht natürlich auch). Auch die elektronische Dämpferkontrolle (EDC) lässt sich in drei Stufen variieren - vom Softie bis zum Bandscheiben-Killer. Und selbst die Motorleistung kann man beeinflussen.
Wer auf der Fahrt zum Bäcker an der Ecke gerade mal auf 107 PS verzichten kann, wählt einfach das Harmlos-Programm namens P 400. Der Spaß, der einen die stolze Summe von 94 100 Euro kostet, die tausend tollen BMW-Extras wie üblich noch gar nicht eingerechnet, hört spätestens beim Tanken auf.
Die vom Werk versprochenen 10,6 Liter außerorts haben wir nie geschafft, unter 13,5 ging nichts, und dann auch nur, wenn wir gerollt sind wie Klosterschwestern.
15 Liter auf 100 km gibt das Werk als Durchschnitt an und 361 Gramm CO2-Emission. Bei uns liefen dagegen im Alltag 20,5 Liter durch. Nimmt man den M5 Touring in die Faust, erweist sich der 70-Liter-Tank vollends als schlechter Witz. Da ist man froh, wenn man überhaupt 250, 300 Kilometer bis zum nächsten Tankstopp schafft.
Technisch betrachtet, ist der M5 ein überwältigendes Auto. Aber, seufzt das Über-Ich...
"Der Touring", sagen die Texter von BMW, "überwindet Widersprüche." Das mag schon sein, die grundsätzlichen verschärft er dafür. Radikal, wie er ist.