Fahrbericht BMW i3:Elektro-Alien birgt hohes Risiko

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Vom November an beim Händler: der BMW i3.

(Foto: STG)

Der neue Elektroauto i3 ist für BMW nur der Anfang der Elektromobilität. Der Sportwagen i8 soll schon bald folgen, weitere Modelle sind nur eine Frage der Zeit. Doch der Schritt ist für BMW ein großes Risiko. Ob sich der Entwicklungsaufwand gelohnt hat: So fährt sich der i3.

Von Georg Kacher

Er steht da wie ein Alien: ziemlich hoch, kurz und bis auf ein paar Sehschlitze eingewickelt in blau-weiß gekringelte Tarnfolie. Obwohl wir längst wissen wie der i3 aussehen wird wenn er im November zu ausgewählten Händlern rollt, gehört Geheimniskrämerei auch diesmal zur Kommunikationsstrategie. Schließlich handelt es sich hier um das erste Mitglied der Project-i-Familie. Project i steht für einen radikalen Paradigmenwechsel: Motor hinten statt vorne, Elektroantrieb statt Diesel oder Benzin, zweiteilige Fahrzeugstruktur mit Drive-Modul aus Alu (Chassis) und Life-Modul aus Kohlefaser (Karosserie). Entsprechend ist die Anspannung überall im Konzern greifbar. Sorgen macht vor allem die Akzeptanz. Ist der Kunde wirklich schon bereit, rund 40.000 Euro in die neue Technologie zu investieren? Und wenn Ja, welche Stückzahlen wird der Markt in welchem Zeitraum abnehmen?

Die Münchner hätten sich zum Anlauf bessere Rahmenbedingungen gewünscht. Stattdessen steckt das Elektroauto viel zu früh in der ersten Krise, übt sich die Konkurrenz aus Ingolstadt und Stuttgart in pragmatischer Zurückhaltung, sitzt die Politik auf den Fördergeldern. Da hilft nur eines: ein Produkt, das überzeugt. Wie das funktionieren soll, erklärt Ulrich Kranz, Gesamtleiter des Project i. Er nimmt uns mit auf eine erste Ausfahrt im i3. Dabei geht es um nicht weniger als um den Beweis, dass ein radikal innovatives Heckmotor-E-Mobil mit nur einem Vorwärtsgang, superschmalen Reifen und superdirekter Lenkung ein ähnliches Maß an Fahrspaß und Fahrsicherheit bieten kann wie ein gleich starker aber vergleichsweise profaner 118i.

Bei 150 km/h ist Schluss

Man sitzt relativ hoch im i3. Die niedrige Gürtellinie, die schmalen A-Säulen, die rasch abfallende Schnauze und die durchbrochenen C-Pfosten vermitteln eine tadellose Rundumsicht. Das gegenläufige Türkonzept ohne störende B-Säulen erleichtert den Ein- und Ausstieg. Weil kein Getriebetunnel den Weg versperrt, kann man bei Bedarf durchrutschen, was in engen Parklücken von Vorteil ist. Zwischen den Sitzen ducken sich der Fahrerlebnisschalter und die iDrive-Bedienmimik, in Armaturenbrettmitte warten der große 8,8-Zoll-Monitor und ein Tastenfeld auf ihren Einsatz.

Ein zweiter kleinerer Bildschirm hinter dem Lenkrad informiert über Reichweite, Tempo, Ladezustand und die Wirtschaftlichkeit der Fahrweise. Kranz drückt den Startknopf, dreht den als Lenkstockhebel ausgeführten Gangwähl-Knubbel auf Drive und gibt Gas. Obwohl das maximale Drehmoment von 250 Newtonmetern ansatzlos auf die Schmalreifen einwirkt, beschleunigt der 170 PS starke i3 ohne durchzudrehen. Nach handgestoppten sieben Sekunden passiert das E-Mobil die 100 km/h-Marke. Am Ende der langen Geraden wird der Vortrieb bei 150 km/h sanft eingebremst; das Serienmodell soll, so das Versprechen, sogar 160 km/h schnell sein.

Wie ein gedopter Gabelstapler

Der i3 klingt bei Volllast wie ein gedopter Gabelstapler. Doch noch mehr überrascht das niedrige mechanische Geräuschniveau. Karosserie und Fahrwerk geben keinen Mucks von sich, nur der Wind bläst vernehmlich um die krude Tarnung. Das Tempo in der nächsten Linkskurve der Teststrecke ist auf 120 km/h beschränkt, aber der Chauffeur lässt das Gas stehen, lenkt behutsam ein und zieht den 1250 Kilo leichten Viersitzer im sanften Drift ums Eck - ohne ASR-Eingriff und ohne ESP-Intervention.

Wie kann das sein? "Selbst bei Nässe muss die Elektronik nur in Ausnahmefällen eingreifen", doziert Kranz. "Durch die absolut ausgeglichene Achslastverteilung und den konkurrenzlos niedrigen Schwerpunkt haben wir den Grenzbereich so weit oben angesiedelt, dass nur bei niedrigen Reibwerten das Stabilitätsprogramm gefordert ist. ESP ist nicht abschaltbar, aber die Auslegung lässt eine sportliche Fahrweise zu."

Plötzliches Ausweichmanöver ohne Folgen

Auf dem Handlingkurs zwingt der Pilot den Wagen mit viel Schwung über eine Kuppe, im folgenden Linksbogen hält der i3 trotz Schneematsch brav die Spur. Der Ingenieur klärt auf: "Die Reifen sind zwar schmal, aber durch den großen Durchmesser von 19 Zoll ergibt sich die gleiche Aufstandsfläche wie bei einem 16-Zoll-Breitreifen." Das Handling bleibt jedenfalls stets gutmütig: leichtes Untersteuern am Kurveneingang, leichtes Übersteuern am Kurvenausgang, geringe Seitenneigung, kaum Eintauchen beim Bremsen.

Der Wagen ist mustergültig ausbalanciert, und die Lenkung als wichtigste Schnittstelle zwischen Fahrer und Fahrzeug ist unerwartet direkt. Sie braucht von Anschlag zu Anschlag nur 2,5 Umdrehungen. Der Wendekreis von circa zehn Meter fühlt sich wegen des zackigen Ansprechverhaltens noch knapper an. Weil die Lenkung frei von Antriebskräften arbeiten darf, vermittelt sie intensiven Fahrbahnkontakt. Und selbst ein plötzliches Ausweichmanöver bleibt folgenlos. Der i3 schert nach rechts aus, dann nach links, doch das Heck bleibt unaufgeregt, die Lenkung verhärtet nur minimal, der Aufbau vermeidet übermäßige Empathie.

Der E-BMW bleibt die Ruhe selbst

Als nächste Übung auf der Teststrecke steht die Marterpiste an, die mit kurzen und langen Bodenwellen, versetzten Unebenheiten und den verschiedensten Oberflächen aufwartet. Man glaubt es kaum, aber während die Besatzung mit den Zähnen klappert und das Blickfeld unscharf wird, bleibt der E-BMW die Ruhe selbst. Nicht einmal an der horizontalen Nahtstelle zwischen Life-Modul und Drive-Modul sind störende Relativbewegungen auszumachen. Der Wagen federt, als wäre er bei Frau Holle in die Lehre gegangen - dank langer Federwege, den geringen ungefederten Massen, an der progressiven Abstimmung und an den großen Rädern. Auf der Kreisbahn, bei hohem Tempo und großen Radien zieht der Hecktriebler stoisch seine Kreise, doch auf welligem Blaubasalt lässt sich der Wagen mit dem Gaspedal fast so feinfühlig dirigieren wie mit der Lenkung und beim Bremsen verzögert der i3 zwar nachhaltig, doch in den meisten Fällen reicht es, vom Gas zu gehen.

Wenn im Schiebebetrieb rekuperiert wird, bestimmt das Auto den Grad der Energierückgewinnung, nicht der Fahrer. Zur Wahl stehen drei Modi: Comfort, Eco Pro und Eco Pro Plus. Im Sparprogramm wird die Leistung leicht reduziert, das Gaspedal arbeitet mit längerem Weg und größerem Widerstand, der Algorithmus von Motor und Getriebe ist auf Reichweite getrimmt. Apropos Reichweite. Je nach Fahrweise darf mit 100 bis 160 Kilometern gerechnet werden. Wem das nicht reicht, der kann für knapp 3000 Euro Aufpreis einen Reichweitenverlängerer (Range Extender) dazubestellen.

Gegen die Angst, überraschend liegen zu bleiben

Der von einem Neun-Liter-Benzintank über der Vorderachse gespeiste 0,65-Liter-Zweizylinder-Motorradmotor mit rund 35 PS sitzt direkt neben der E-Maschine, funktioniert aber nur als Generator, nicht als direkte Antriebsquelle. Der i3 kommt damit über 250 Kilometer weit und besiegt so jede Angst, überraschend liegen zu bleiben. BMW rechnet damit, anfangs rund die Hälfte der Produktion von geschätzt 30.000 Fahrzeugen mit Notstromaggregat zu verkaufen.

Am Ende der Testfahrt sind auch die Batterien fast am Ende. An der Haushaltssteckdose dauert es acht Stunden, ehe die Zellen wieder voll geladen sind, doch wer Zugang zu einem Starkstromanschluss hat, kann schon nach einer Stunde auf 80 Prozent der Kapazität zurückgreifen. Die Preise erfahren wir erst im Sommer, und auch die installierte Kapazität ist vorerst geheime Kommandosache. Fest steht dagegen, dass es sich beim i3 nicht um eine Eintagsfliege handelt. Schon Anfang 2014 folgt der rund 140.000 Euro teure i8 Hybridsportwagen, die zweitürige Coupé-Variante des i3 gilt ebenfalls als gesetzt. Und auch der größere i5 ist wohl nur eine Frage der Zeit.

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