EU-Förderung für Automobilbranche:Mehr PS

Bis 2020 soll die europäische Autoindustrie wieder 20 Prozent der volkswirtschaftlichen Leistung repräsentieren. Deshalb will EU-Kommissar Tajani die kriselnde Branche stärker fördern. Daran könnten jedoch kleinere und mittelständische Betriebe doppelten Schaden nehmen.

Javier Cáceres, Brüssel

Die kriselnden Automobilkonzerne sollen stärker als bisher von europäischen Fördermitteln für Forschung und Innovation profitieren. Dies strebt der für Industrie zuständige EU-Kommissar Antonio Tajani an. Ein Sprecher bestätigte am Sonntag in Brüssel, dass Tajani in den kommenden Tagen seinen bereits im Juni angekündigten Vorschlag erneuern werde, die Entwicklungsabteilungen der Autobauer in der nächsten, von 2014 bis 2020 laufenden Finanzperiode der Europäischen Union mit mindestens 1,5 Milliarden Euro, bestenfalls 2 Milliarden Euro zu fördern.

Dies würde einer Erhöhung der gegenwärtigen Förderungssumme, die europäische Autokonzerne erhalten, um mindestens 50 Prozent gleichkommen. Tajani hatte unlängst eine "dritte industrielle Revolution" gefordert. Die Industrie solle bis 2020 wieder 20 Prozent der volkswirtschaftlichen Leistung der EU repräsentieren.

Ein Sprecher Tajanis erklärte, dass die zusätzlichen Mittel für die Entwicklungsabteilungen der Autokonzerne dem Forschungsrahmenprogramm der EU entnommen werden, das unter dem Namen "Horizon 2020" firmiert. Wie viel Geld in diesem Topf sein wird, ist aber noch so lange offen, bis die Verhandlungen über den sogenannten mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Jahre 2014 bis 2020 abgeschlossen sind.

Der EU-Kommission schwebt für diese Periode eine Gesamtsumme von knapp einer Billion Euro vor, von denen 80 Milliarden Euro in das Horizon-Programm fließen sollen. Zahlreiche EU-Staaten wollen den Kommissionsansatz aber um mindestens 100 Milliarden Euro reduzieren - mit Folgen für Horizon.

Auf Grundlage des unlängst präsentierten Vorschlags der zyprischen Ratspräsidentschaft, der den Kommissionsvorschlag um "nur" 50 Milliarden Euro verschlankt, errechnete der EU-Parlamentarier Christian Ehler (CDU) eine Kürzung des Horizon-Programms auf rund 70 Milliarden Euro. Das läge nominell über dem bisherigen Förderbetrag, würde aber in den Augen Ehlers bereits einen Zustand der "Förderarmut" für Europas Forschungslandschaft bedeuten, die vor allem kleinere und mittlere Betriebe treffen würde.

Denen droht zusätzliches Ungemach, wenn sich Industrie-Revolutionär Tajani mit seinen Vorstellungen durchsetzen sollte. Denn dem Vernehmen nach will der Italiener erreichen, dass der Anteil der Autokonzerne an den EU-Mitteln für Forschung und Entwicklung unter allen Umständen auf bis zu zwei Milliarden Euro erhöht wird - also auch dann, wenn die Mitgliedsstaaten der EU weniger Geld bewilligen sollten und der Horizon-Etat entsprechend weiter eingedampft werden müsste. Allerdings muss Tajani noch seine Kollegen in der Kommission von seinen Vorstellungen überzeugen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: