Erdgas-Marathon (2):Feuer und Flamme

Ein Auto, 14 Gastanks und 20.000 Kilometer von Berlin nach Bangkok. Die ersten Erfahrungen sind gemacht: An den Erdgastankstellen im wilden Osten geht es abenteuerlich zu.

Von Sebastian Viehmann

Rainer Zietlow und der Fotograf Franz Janusiewicz haben die erste große Etappe ihres Erdgas-Marathons nach Shanghai und Bangkok geschafft. Sie fuhren von Berlin aus an der 2750 Kilometer langen Sojus-Erdgaspipeline entlang. Im russischen Orenburg kurz vor der Grenze zu Kasachstan knallten die Sektkorken: Das erste Etappenziel war erreicht.

Erdgas-Marathon

Die Fahrt entlang der 2750 Kilometer langen Sojus-Erdgaspipeline führt natürlich auch durch Moskau.

(Foto: Foto: Pressinform)

In Orenburg befindet sich eines der größten Erdgasfelder der Welt. Ein Drittel des russischen Erdgases für Europa wird hier gefördert. "Die Ankunft am späten Abend war atemberaubend: Schon lange vor der Stadt erhellen turmhohe Erdgasfackeln mit ihrem Feuerschein die Nacht", so Rainer Zietlow.

Gefährlich: undichte Zapfanlagen

Der Weg nach Orenburg war allerdings kein Kinderspiel. Schon der erste Tankstopp nach Deutschland in der Ukraine wurde zum bisher größten Schock der Erdgas-Tour. "Ein Gummiring der Zapfanlage war undicht, und Erdgas ist über das Notventil ausgetreten. Zum ersten Mal sah ich, wie so ein blauer Erdgasstrahl aussieht, der mit einem Druck von 200 bar heraus schießt", beschreibt Zietlow die Schrecksekunde.

Ein Funke oder eine glimmende Zigarette hätte in diesem Moment verheerende Folgen haben können. "Die Leute von der Tankstelle haben die Anlage zum Glück sofort abgestellt und den Dichtungsring repariert. Dann konnten wir endlich tanken."

Auch die Erdgastankstellen im hintersten Winkel Russlands sind nicht gerade einladend. "Die Leute trauen ihren Kunden nicht über den Weg. Jede Zapfsäulen-Box ist mit Betonmauern ummantelt. Beim Tanken ist Selbstbedienung angesagt. Der Tankwart sitzt in seinem Kabuff hinter Panzerglas und nimmt mürrisch das Geld entgegen", erzählt Zietlow. In Russland fahren vor allem riesige und uralte Lastwagen mit Erdgas. Die Tanks sitzen hinter der Fahrerkabine und auf der Ladepritsche.

Für zahllose Schrecksekunden sorgten immer wieder die katastrophal schlechten Straßen in Russland. "Manchmal hebt es unseren VW Caddy an der Hinterachse richtig hoch, und er knallt seitlich versetzt wieder auf die Piste. Bislang hatten wir aber zum Glück nur einen Reifenplatzer", sagt Rainer Zietlow. An Bord haben die Weltenbummler nur einen Ersatzreifen. Wenn es geht, flicken sie kaputte Pneus mit Dichtungsmasse.

Feuer und Flamme

Ein gruseliges Erlebnis anderer Art hatten die Erdgas-Abenteurer in der Ukraine. "Wir wollten unbedingt sehen, wie nahe man an Tschernobyl heran kommt. 22 Kilometer vor dem Todesreaktor ist Schluss - Schlagbäume mit Militärposten, da kommt keiner durch", sagt Zietlow. Am Straßenrand fanden die Globetrotter noch eine alte Gasmaske. "Uns lief es kalt den Rücken herunter. Es ist kaum zu glauben, aber noch immer leben Menschen ganz dicht an der radioaktiv verseuchten Sperrzone."

Der VW Caddy EcoFuel, in dem Zietlow und Janusiewicz unterwegs sind, ist abgesehen von einem höher gelegten Fahrwerk ein normales Serienmodell. An Bord sind 13 Erdgastanks. In einem befindet sich Basostor, ein vom Chemie-Riesen BASF entwickeltes Granulat. Es soll die Reichweite des Caddy um 30 Prozent erhöhen. Die Marathon-Fahrt nach Shanghai ist der erste Praxis-Härtetest für das Granulat, von dem sich die Erdgas-Branche einen Push für das Interesse an Erdgasautos verspricht.

Daneben hatte der erste Teil der EcoFuel Asia Tour das Ziel, den Weg des Erdgases zu verfolgen - in umgekehrter Richtung. Der erste Sightseeing-Punkt war deshalb ein Erdgasspeicher in der Nähe von Berlin. Weiter ging es mit einer Verdichterstation in Sayda an der tschechischen Grenze. Dort verdichten Turbinen das Gas, bis ein Druck von 50 bar erreicht ist. Es gibt zahlreiche Stationen im Verlauf der Sojus-Pipeline, denn alle 100 Kilometer fällt der Druck in der Leitung um 10 bar ab.

Es waren einmal: zwei Pipelines - eine für die BRD, eine für die DDR

In Sayda kann man auch den eisigen Hauch der deutsch-deutschen Geschichte spüren: "Die Pipeline teilt sich auf - ein Teil führt direkt nach Westberlin, der andere in die damalige DDR. Zur Zeit des Kalten Krieges war der westdeutsche Teil völlig autark und hatte eine eigene Stromversorgung. So hätte die DDR dem Westen nicht das Gas abdrehen können", sagt Zietlow.

Auf der Reiseroute stand auch die größte Erdgas-Verdichterstation Europas im slowakischen Kapušany. "Die Turbinenhalle ist so groß wie zwei Fußballfelder. 26 gigantische Turbinen stehen dort, der Lärm ist ohrenbetäubend".

Den anstrengendsten Teil der Tour haben die Erdgas-Abenteurer jetzt noch vor sich: Israel, Ägypten, Indien, Nepal und Tibet stehen auf der Reiseroute, bis es zur Erdgas-Messe "Challenge Bibendum" nach Shanghai geht.

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