Was haben das Phantom der Oper, der Glöckner von Notre Dame und der neue 5er gemeinsam? Ganz einfach: das polarisierende Erscheinungsbild und innere Werte, die über jeden Zweifel erhaben sind. Ob sich die Adleraugen-Front des neuen 5er, der verwirrende Fugenverlauf und die teils sperrigen Proportionen durchsetzen, wird sich zeigen. Sicher aber ist, dass es derzeit keine zweite Limousine der oberen Mittelklasse gibt, die mehr begeistert als dieser BMW mit Aktivlenkung.
Das Dieselaggregat des 530d: drei Liter Hubraum, sechs Zylinder in Reihe, 160 kW / 218 PS, 500 Nm Drehmoment
(Foto: BMW)Aktiv-Posten
Was ist eine Aktivlenkung? Herzstück ist ein kleines Planetengetriebe, das die Lenksäule teilt und über einen Elektromotor Lenkwinkel und Lenkkraftunterstützung verändert. Bei niedrigem Tempo wird die Lenkbewegung verstärkt - im Stadtverkehr funktionieren selbst 90-Grad-Manöver ohne Umgreifen.
Mit zunehmender Geschwindigkeit ändert sich die Kennung immer deutlicher von agil zu gelassen, was man vor allem bei plötzlichen Ausweichmanövern zu schätzen weiß. Zusammen mit der Fahrdynamikregelung DSC werden sogar kleine Lenkkorrekturen vorgenommen, um aufkeimendes Untersteuern und Übersteuern zu entschärfen.
"Nicht zum Nulltarif"
Der direkte Vergleich mit der serienmäßigen Servolenkung unterstreicht den Quantensprung, der mit AFS - Active Front Steering - verbunden ist. Der Aufpreis von 1200 Euro ist wohl gerechtfertigt, doch leider muss vorläufig auch die Wankstabilisierung Dynamic Drive für weitere 2300 Euro bestellt werden. Weil selbst die aufpreispflichtigen 17-Zöller in den großen Radhäusern verloren aussehen, sind fast zwangsläufig bis zu 2100 Euro für standesgemäße 18-Zoll-Reifen fällig; vom ebenfalls empfehlenswerten Sportfahrwerk für 360 Euro ganz zu schweigen.
Im Klartext: Allein die fahrdynamikrelevanten Extras - unverzichtbar, um den 5er zu einem ganz besonderen Auto zu adeln - kosten mehr als 5000 Euro. Ein Problem, um das Vorstands-Chef Helmut Panke weiß - aber: "Hohen technischen Aufwand gibt es nicht zum Nulltarif. Wir werden uns den Bestelleingang ansehen und entscheiden, ob wir das eine oder andere - vor allem die Aktivlenkung - zum Bestandteil unserer Kernkompetenz machen sollen."
Kontrolliert und präzise
Trotz der Notlaufreifen, deren Flanken zu Lasten der Geschmeidigkeit verstärkt wurden, leistet sich das in wesentlichen Elementen vom 7er übernommene Alu-Fahrwerk keine nachhaltigen Komfortschwächen. Die Sequenz aus Ansprechen, Abrollen und Ausfedern hat zwar nicht den Sänftencharakter einer Luftfederung, aber der Bewegungsablauf ist stets kontrolliert; Straßenlage, Grip und Traktion erfüllen selbst in Extremsituationen höchste Erwartungen.
Der neue 5er ist ein sehr präzises Auto, in dem man Geschwindigkeit als seltsam relative Größe empfindet, weil Technik und Elektronik bei etwaigen Kurskorrekturen subtil unterstützen und der Freiraum zwischen subjektivem und objektivem Grenzbereich nie völlig ausgereizt wird. Nur wer auf welligem Belag mit ausgeschaltetem DTC/DSC Kampflinie fährt, muss mit gelegentlichen Versetzern und leichten Querstehern rechnen.
Anfang Juli werden zunächst drei Varianten beim Händler sein: der 520i (125 kW /170 PS) für wenigstens 35.100 Euro; daneben der 530i (170 kW /231 PS) und der 530d (160 kW / 218 PS), deren Preise bei jeweils 40.600 Euro beginnen. Zum Jahresende folgen dann 525i, 525d und der 245 kW (333 PS) starke 545i.
Anfang 2004 sollen der 520d und die touring-Variante nachgeschoben werden, Ende 2004 wird der M5 mit V10-Motor präsentiert. Und irgendwann könnte es auch einen 540d-V8 geben.
Drei Getriebe, 18 Gänge
Bei den Sechszylinder-Benzinern ist die Umstellung auf Valvetronic eine Frage der Zeit und auch der Allradantrieb soll mit aktiver Drehmomentverteilung kommen. Die Getriebe haben grundsätzlich sechs Gänge - entweder manuell, automatisch oder, vom Herbst an, sequenziell.
Die in allen wesentlichen Abmessungen um drei bis sieben Zentimeter größer gewordene 5er-Karosserie besteht im Bereich des Vorderwagens aus Leichtmetall und ist um 75 Kilo leichter geworden. Der Cw-Wert liegt zwischen 0,26 und 0,28, in den Kofferraum passen 520 Liter (20 Liter mehr als beim 7er), der Tank fasst 70 Liter.
Favorit 530d
Die mit Abstand attraktivste Motorisierung ist der leistungsgesteigerte Diesel, der satte 500 Nm in Richtung Hinterachse expediert. Der 530d beschleunigt in 7,1 Sekunden von Null auf 100 km/h, ist 245 km/h schnell und begnügt sich im Schnitt mit 6,9 Litern auf 100 Kilometer. Leider ist diese Variante um stolze 3100 Euro teurer als das Auslaufmodell.
BMW will zwar ausstattungsbereinigt etwas günstigere Preise errechnet haben, doch dieser Vergleich hinkt: So muss die jetzt serienmäßige Klimaautomatik ohne getrennte Links-Rechts-Temperaturregelung auskommen. Serienmäßig ist auch das entschärfte iDrive-Bediensystem, dessen Controller nur noch in vier Richtungen bewegt werden muss. Die Kombination aus Schieben, Drehen und Drücken verlangt nach wie vor Gewöhnung, doch statt starren Blickes zu verzweifeln, drückt man die Escape-Taste und rettet sich in das narrensichere Basis-Menü.
Wer mag, kann diverse Schmankerl ordern. In Verbindung mit den Bi-Xenon-Scheinwerfern ist beispielsweise adaptives Kurvenlicht lieferbar, das in Echtzeit dem Lenkeinschlag folgt. Neu ist auch das in die Windschutzscheibe eingeblendete Head-Up-Display - Tempo, Abstand und Navigationshinweise werden ins Blickfeld des Fahrers projiziert.
Beliebigkeit im Cockpit
Dennoch verlangt der neue 5er auch nach einer stillen Minute des Gedenkens an das einst fahrerorientierte Cockpit, das einem ziemlich beliebigen, von Hutzen überdachten Paneel gewichen ist, in dem großflächig verteilte Knöpfe und Tasten, überfrachtete Lenkstockhebel und teilweise billig wirkende Oberflächen versammelt sind.
Und während wenigstens die hübschen Rundinstrumente als letzte Verbeugung vor vergangener Zeit trösten, taucht schon die nächste Kurve auf. Und der 5er darf zeigen, was er wohl am besten kann: der Konkurrenz die Rücklichter zeigen.