Elektroroller im Test:Plastikvogel mit E

  • Der klassische Schwalbe-Roller ist nun auch mit Elektromotor erhältlich. Er kostet mehr als 5000 Euro.
  • Der Hersteller peilt fünfstellige Verkaufszahlen an.
  • Im Test tritt die E-Schwalbe gegen den Elektroroller Unu an, der deutlich günstiger zu haben ist.

Von Marco Völklein

"Zwei Teile", sagt Mike Kastner leicht empört, "zwei Teile erinnern noch an das Original." Der Schwalbe-Schriftzug an Beinschild und Sitzbank. Und die Abdeckung der Hupe an der Frontseite. Kastner ist Thüringer, geboren in der Nähe von Suhl. Und er ist, wie so viele DDR-Bürger, aufgewachsen mit der Schwalbe, dem Roller aus dem Suhler Simson-Werk, gebaut von 1964 bis 1986. Stückzahl: mehr als eine Million. Das Kleinkraftrad machte, zusammen mit den anderen Modellen aus der Suhler "Vogelserie", dem Spatz, dem Star, dem Sperber und dem Habicht, ganze Generationen von DDR-Bürgern mobil. Nach der Wende entdeckten zudem Westdeutsche den markant geformten Roller und machten die Schwalbe zu dem, was man gerne als "Kultobjekt" bezeichnet.

Und nun ist sie wieder da, die Schwalbe. Seit dem Sommer bietet der Münchner Unternehmer Thomas Grübel mit seiner Firma Govecs die Schwalbe mit einem vier kW starken E-Motor an. Und die Firma hat viel vor mit dem Roller: Zwischen 3000 und 5000 Stück will er im kommenden Jahr verkaufen, "gut fünfstellig" sollen die Absatzzahlen in den Folgejahren werden, sagt Grübel. Zudem bieten Partner die ersten E-Schwalben als Sharing-Roller unter anderem in Berlin und München an. Wie also fährt sich der Elektrovogel?

Bei Schwalbe-Fans wie Kastner kommt das Gefährt zunächst nicht gut weg. Vor allem, weil die Verkleidung aus Gewichtsgründen komplett aus Plastik besteht. "Zu wuchtig, viel zu bullig" sei das, was Govecs da auf den Markt bringe, findet Kastner zudem. Und das, obwohl die Designer möglichst viele Details zumindest ans Original angelehnt haben, etwa den Chrom-Gepäckträger am Heck oder den Rundscheinwerfer in der viereckigen Fassung.

Tatsächlich aber, da hat Kastner recht, hat die E-Schwalbe gegenüber dem Blechvogel von einst zugelegt: Fast 20 Zentimeter breiter und neun Zentimeter länger als das Suhler Original ist die E-Schwalbe, die im Govecs-Werk in Polen gebaut wird. Zudem strahlt der Blinker, der wie beim Original in den Lenkerenden sitzt, nur nach vorne und nicht, wie bei der Blech-Schwalbe auch nach hinten ab. "Find' ich nicht gut", sagt der Thüringer Kastner. "Ging nicht anders", sagt Govecs-Chef Grübel. Die Vorschriften zwängen die Entwickler dazu.

Vor allem aber ist Grübels Schwalbe mit 120 Kilogramm deutlich schwerer als das Original, das etwas mehr als 80 Kilo wog. Mit zwei Akkus wiegt der Elektrovogel sogar 135 Kilo. Und auch wenn die Batterien unter dem für die Schwalbe-Optik wichtigen Mitteltunnel verbaut sind und damit dem Roller einen niedrigen Schwerpunkt geben, spürt der Fahrer das Gewicht doch deutlich. Die Schwalbe wirkt, verglichen etwa mit dem E-Roller des Berliner Start-ups Unu, behäbiger und weniger agil.

Unu will, ähnlich wie Grübel mit seiner Schwalbe, in den nächsten Jahren den Rollermarkt aufwirbeln. E-Scooter könnten "die Probleme der Großstadtmobilität lösen", glaubt Unu-Gründer Matthieu Caudal, leiser als viele andere Fahrzeuge und ohne Auspuffabgase. Im Sommer haben er und seine zwei Mitstreiter dem seit 2014 gebauten Unu einen neuen Motor von Bosch sowie neue Akkus verpasst; zudem wurde die Sitzbank verlängert.

Dennoch müssen sich zwei durchschnittlich große Mitteleuropäer auch auf der neuen Unu-Bank eng aneinanderkuscheln. Deutlich mehr Komfort bietet dagegen die lange Sitzbank der E-Schwalbe, die außerdem besser gefedert ist. Beiden Elektroscootern fehlt aber gleichermaßen Stauraum: Lässt sich bei den meisten Benzinrollern unter dem Sitz zumindest ein Jethelm verstauen, geht bei Unu und E-Schwalbe der Raum für Akkus beziehungsweise Ladeeinrichtung drauf. Und wo beim Unu auf dem ebenen Trittbrett noch Platz ist für einen kleinen Getränkekasten, nimmt bei der Schwalbe der hohe Mitteltunnel jeglichen Fußraum ein.

Beim Unu ist das Aufladen bequemer

Beide Roller regeln technisch bei 45 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit ab; können also mit dem Pkw-Führerschein gefahren werden. In Sachen Reichweite bleiben sie unter ihren Möglichkeiten. So erreicht der Unu die versprochenen 50 Kilometer bei herbstlichen Temperaturen nur knapp. Wer die Reichweite verdoppeln will, der gönnt ihm für 690 Euro einen zweiten Akku. Auch die Schwalbe erreicht mit ihrem Bosch-Motor die vom Hersteller versprochene Reichweite nicht: Beim mit zwei Akkus ausgestatteten Testroller (Aufpreis für die zweite Batterie: 600 Euro) war nach knapp 100 Kilometern im Münchner Stadt- und Umlandverkehr Schluss. Laut Govecs hätte sie erst nach 125 Kilometern wieder ans Netz gemusst.

Das Aufladen wiederum läuft beim Unu bequem, weil der Akku entnommen und zum Beispiel in der Wohnung angestöpselt werden kann - ein Vorteil für Menschen ohne eigene Garage. Die Batterien der Schwalbe hingegen sind fest verbaut; wer im Umkreis des fünf Meter langen Ladekabels keine Steckdose findet, hat ein Problem. "Das ist ein Manko", räumt Grübel ein. Derzeit arbeite man aber an einer Lösung zur Akku-Entnahme.

Vor allem aber ist der laute Antrieb der Schwalbe für einen E-Roller gewöhnungsbedürftig. Während der Radnabenmotor des Unu nur so schnurrt, rumpelt und quietscht der Riemen der E-Schwalbe im Testroller ungewöhnlich heftig, mitunter beginnt auch das Trittbrett stark zu vibrieren. Selbst ein zwischenzeitlicher Fahrzeugcheck beim Hersteller bringt keine wirkliche Verbesserung - und somit der Schwalbe Minuspunkte. Zumal sie zum Preis ab 5390 Euro kein Schnäppchen ist. Der Unu ist in der getesteten Variante mit dem drei kW starken Motor für 2799 Euro zu haben, mit weniger starkem Antrieb bereits ab 1799 Euro.

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