Elektromotoren für Flugzeuge:In aller Stille

Elektromotoren für Verkehrsflugzeuge am Boden könnten künftig ein wichtiger Beitrag zu geringerem CO2-Ausstoß und deutlich weniger Lärm sein.

Andreas Spaeth

Der Lufthansa-Airbus A320 mit dem Kennzeichen "Zulu Fox" wiegt leer über 50 Tonnen. Um am Boden umherzufahren, zur Startbahn oder nach der Landung zum Terminal, benützt er wie alle anderen Flugzeuge normalerweise den Schub seiner Triebwerke. Das macht Lärm, verbraucht viel Treibstoff und verursacht entsprechende CO2-Emissionen, außerdem erhöht es den Verschleiß der Triebwerke.

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Vier Tage lang rollte der zweistrahlige Jet in 14 Teststunden viele Kilometer weit am Boden umher, 40 verschiedene Aufgaben wurden absolviert.

Dabei geht es auch ganz anders. Das hat die "Zulu Fox" im vergangenen Dezember im Rahmen eines eTaxi-Tests eindrucksvoll auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens bewiesen.

Vier Tage lang rollte der zweistrahlige Jet in 14 Teststunden viele Kilometer weit am Boden umher, 40 verschiedene Aufgaben von der 180-Grad-Wende bis hin zur Bewältigung abschüssiger Strecken oder dem Rollen mit geringem Reifendruck wurden absolviert - fast lautlos, mit abgedeckten Triebwerken und sogar rückwärts. So grazil gerieten die Rollbewegungen, dass sich Beobachter an ein Ballett erinnert fühlten.

"Das war weltweit das erste Mal, dass ein Flugzeug mit Elektromotoren an beiden Hauptfahrwerken getestet wurde", sagt Projektleiter Christian Mutz von Lufthansa Technik. An beiden inneren Felgen des Hauptfahrwerks wurden dafür jeweils die Bremsen durch einen flüssigkeitsgekühlten Elektromotor ersetzt.

Bereits im Juli 2011 hatte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg Tests mit einem elektrisch betriebenen Bugrad durchgeführt. Das allerdings bezog seinen Strom von einer bordeigenen Brennstoffzelle, mit der das DLR seit längerem experimentiert.

Der Lufthansa-Airbus hingegen speiste die beiden Motoren mit Elektrizität aus der Hilfsturbine im Heck, dem sogenannten APU, über die jedes Flugzeug verfügt. "Die Geschwindigkeit am Boden war auf 25 km/h limitiert, anstatt der sonst üblichen 50 km/h, da wir die für den Demonstrator nötigen Bauteile von gängigen Industrieanwendungen übernommen haben", erklärt Christian Mutz.

Das Testflugzeug mit den installierten Elektromotoren, gebaut von der Firma Magnet Motor in Starnberg, wäre nicht in der Lage gewesen, vom Boden abzuheben. Denn die für den Test nötigen Kabel wurden außen an den Fahrwerksbeinen entlang, über die Tragflächen durch ein Fenster in die Kabine geführt und dort sowohl zum APU als auch zum Steuerungsgerät im Cockpit. Die Piloten berichteten, dass die Handhabung problemlos war und das System auf Eingaben feinfühliger reagierte als die sonst zum Rollen eingesetzten Triebwerke.

Einführung schon 2015?

Noch allerdings birgt das Thema viele Unbekannte. Unklar ist etwa, wie viel Extragewicht ein solches System an Bord bringen würde und ob sich das in der Gesamtbilanz rechnet. "Eine wesentliche Frage ist auch, wie viel Strom ein solches System benötigt und welche Anforderungen sich daraus für die Stromversorgung des Flugzeugs ergeben", sagt Mutz.

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Rollen-Spiele: der E-Motor am Fahrwerk des Airbus A320 - lautlos, sparsam und praktisch frei von Emissionen

Bis Ende März soll die Bewertung der Tests abgeschlossen sein, hier geht es darum, wie die Motoren ins Fahrwerk integriert werden können, wie viele Motoren überhaupt sinnvoll sind und wie die Bedienung ins Cockpit integriert wird. Bis zur Jahresmitte soll eine Entscheidung fallen, ob es in dem von Airbus, Lufthansa, Lufthansa Technik sowie der Firma L3 gemeinsam betriebenen Projekt einen flugfähigen Prototyp geben wird.

Klar scheint zu sein, dass die Ausrüstung von Flugzeugen mit Elektromotoren viele potentielle Vorteile birgt. Mit von Brennstoffzellen elektrisch betriebenen Bugrädern bei Jets der Größe der A320 ließen sich allein am Frankfurter Flughafen 17 bis 19 Prozent der Emissionen sowie fast 100 Prozent des Lärms einsparen, schätzt das DLR, außerdem etwa 44 Tonnen Kerosin am Tag.

"Weltweit liegt der Anteil des am Boden verbrauchten Kerosins bei rund drei Prozent des Gesamtbedarfs, auf kürzeren Flugstrecken in Europa sogar noch höher", weiß Mutz. Durch laufende Triebwerke bei oft langen Wartezeiten an der Startbahn wird ebenfalls unnütz Kerosin verbrannt. Auch hier brächte der Elektroantrieb eine Verbesserung, Triebwerke benötigen lediglich drei Minuten, um hochzulaufen. Gleichzeitig ließe sich durch die Einführung von Elektromotoren der Bremsenverschleiß ebenso reduzieren wie die Triebwerksabnutzung.

Bezogen auf die für den Kurzstreckenverkehr typischen sieben Starts und Landungen pro Tag, schätzt das DLR, wären bis zu zwei Stunden weniger Betriebszeit der Triebwerke pro Tag möglich. Mit auch rückwärts manövrierfähigen Jets ließe sich außerdem die Anzahl der Fahrzeuge reduzieren, die heute für das Zurückschieben vom Flugsteig nötig sind.

Noch ist alles Zukunftsmusik, aber mit realistischen Perspektiven. "Es wäre vorstellbar, dass Airbus das schon ab 2015 in ihrer neuen A320neo einführen könnte", hofft Mutz.

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