Elektromobilität:Warum einfach, wenn es auch kompliziert lädt

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Mit welchem Stecker an welche Säule? Noch immer gibt es keine einheitlichen Ladestationen für alle Elektroautos.

(Foto: Robert Haas)
  • Ein Grund, warum sich Elektroautos in Deutschland nicht durchsetzen, ist das Durcheinander bei den Ladesteckern. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will dies mit seinem Projekt "SLAM" beenden, bevorzugt dabei aber deutsche Automobilhersteller.
  • Alternativen gibt es bereits: Die "Charge Lounges" des Fraunhofer Instituts sind mit allen Steckersystemen kompatibel.
  • Weitere Pilotprojekte wollen den Kabelsalat ganz beenden. Per "induktivem Laden" regeneriert sich die Batterie von Elektroautos ohne Stecker und Kabel.

Von Felix Reek

"Ein Elektroauto aufzuladen, muss genauso einfach werden wie heutzutage die Fahrt zur Tankstelle". So zitiert die offizielle Webseite des Regierungsprojektes "SLAM - Schnellladenetz für Achsen und Metropolen" Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Bis 2017 sollen 400 Ladesäulen für Elektroautos in der Bundesrepublik aufgestellt werden, um eine flächendeckende Versorgung zu garantieren. 8,7 Millionen Euro steuert Gabriels Wirtschaftsministerium bei, 4,2 Millionen kommen von Partnern aus der Wirtschaft. Eigentlich ein sinnvolles Unterfangen. Die mangelhafte Infrastruktur an Ladestationen ist einer der Gründe, warum sich Elektroautos in Deutschland kaum durchsetzen. Doch die Unterstützung des Projekts ist nicht ganz uneigennützig.

Die Stationen von SLAM unterstützen nur Elektroautos mit dem Stecker-Standard CCS (Combined Charging System). Dieser ist hauptsächlich bei deutschen Fabrikaten verbreitet. Die japanischen Hersteller wie Nissan, Toyota und Mitsubishi verwenden hingegen das CHAdeMO-System (Charge de Move), dessen Stecker nicht kompatibel mit den SLAM-Stationen ist. Das ist umso ärgerlicher, weil die Japaner Vorreiter in Sachen Elektromobilität sind und deswegen ein Großteil der auf deutschen Straßen fahrenden Stromer von Nissan, Toyota und Mitsubishi stammen. Der Nissan Leaf beispielsweise ist eines der weltweit am meisten verkauften Elektroautos. 160 000 Fahrzeuge setzte der japanische Hersteller bisher ab, 2000 davon sind in Deutschland unterwegs.

Erst 20 000 Elektroautos auf deutschen Straßen

Das Projekt des Wirtschaftsministeriums bestraft damit Autofahrer, die schon früh auf ein Elektrofahrzeug umgestiegen sind. Nissan-Deutschland-Chef Thomas Hausch drückt es noch drastischer aus: "Ich fühle mich als Steuerzahler verarscht. Es ist ein Skandal, dass ein mit den Steuern der Bundesbürger bezahltes Projekt die Besitzer der überwiegenden Mehrzahl der derzeit in Deutschland zugelassenen Elektrofahrzeuge ausschließt." Der Blick in die Partnerliste von Gabriels Vorzeigeprojekt offenbart zudem, dass neben dem Stromanbieter EnBW mit Daimler, VW, Porsche und BMW die versammelte deutsche Autoindustrie bei SLAM vertreten ist.

Dass sich schleunigst etwas in Sachen Elektromobilität bewegen muss, ist Konsens. Eine Million Stromer sollen laut Angela Merkel bis 2020 auf deutschen Straßen unterwegs sein, etwa 20 000 sind es zurzeit. Zwar legten die Verkäufe der umweltfreundlichen Autos von 2013 auf 2014 um etwa 40 Prozent kräftig zu, doch man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass das Ziel der Kanzlerin nicht mehr zu erreichen ist.

Durcheinander bei den Steckerverbindungen

Einer der Gründe für dieses Scheitern ist die mangelnde Praktikabilität der Elektroautos. Geringe Reichweite und hoher Preis treffen auf eine Vielzahl unterschiedlicher Ladesysteme. Wer sich ein Elektroauto zulegen will, scheitert schon an den Steckern und deren kryptischen Bezeichnungen. Für Wechselstrom (AC) gibt es Typ 1, Typ 2 und Typ 3A, für Gleichstrom CCS und CHAdeMO. Dazu kommen weitere Stecksysteme wie SchuKo, CEE Rot, CEE Blau und dazu noch die Verbindung von Tesla. Deutschland fördert den CCS-Standard, Europa Typ 2, der auch mit CCS kompatibel ist, die japanischen Autos sowie zum Teil GM verwenden CHAdeMO. Dabei vergeht selbst dem entschlossensten Autofahrer die Lust auf ein E-Mobil. Wer kauft schon ein Auto, für das er jedes Mal eine Möglichkeit suchen muss, um es wieder aufladen zu können?

Dass es auch anders geht, zeigte das Fraunhofer Institut auf der Hannover Messe im vergangenen Jahr. Dort stellte es seine "Charge Lounges" vor, von denen es bis 2020 1000 in Deutschland, Österreich und der Schweiz geben soll. Für zehn Euro bekommt der Besitzer eines Elektroautos innerhalb von einer halben Stunde einen Kaffee, freien W-LAN-Zugang und ein voll geladenes Fahrzeug, egal für welchen Stecker. Die "Charge Lounges" bieten sowohl CCS als auch CHAdeMo und die Lösung von Tesla an. Bald soll aber auch dieses Modell schon wieder veraltet sein. In Braunschweig setzt die Verkehrs-GmbH bereits Elektrobusse ein, die an Platten Strom tanken, die in den Asphalt eingelassenen sind. Auch die Autoindustrie arbeitet bereits an solchen Methoden des "induktiven Ladens". Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Strom wird kabellos geladen. Und Stecker, egal welcher Art, werden überflüssig.

Die wichtigsten Ladeverbindungen in Deutschland:

Wechselstrom aus der Haushaltssteckdose: Vorteil: Der Strom ist überall leicht zugänglich. Kompatible Elektroautos lassen sich einfach per SchuKo-Stecker anschließen. Der Nachteil: lange Ladezeiten.

Wechselstrom mit Typ 2: Der europäische Standard, die meisten Ladesäulen arbeiten mit Wechselstrom. Das Ladekabel für diese Verbindung muss im Auto mitgeführt werden. Die meisten Stromer lassen sich hier innerhalb einer halben Stunde auf bis zu 80 Prozent Batteriekapazität schnellladen.

Gleichstrom mit CHAdeMO: Die meisten japanischen Elektroautos arbeiten mit diesem System. Innerhalb von 30 Minuten lässt sich die Batterie bis zu 80 Prozent aufladen. Im Gegensatz zu den Wechselstromsystemen ist das Ladekabel fest an der Tanksäule installiert.

Gleichstrom mit CCS: Das Combined Charging System (CCS) funktioniert ähnlich wie CHAdeMO und wird vor allem von allen deutschen Herstellern verwendet. Ein BMW i3 kann so in 30 Minuten bis zu 80 Prozent aufgeladen werden. Der Vorteil des Systems: Die Buchse ist kompatibel zum Typ-2-Stecker, der europäischer Standard ist.

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