Elektromobilität:"Ein grünes Mäntelchen"

Die Nationale Plattform Elektromobilität hat fertig getagt - und die Regierung sieht eine große Kurve bei den Elektroautos.

Michael Bauchmüller und Thomas Fromm

Die Zukunft hat begonnen, sie steht direkt vor dem Kanzleramt. Die Mercedes-S-Klasse mit Hybrid-Motor gleich neben dem Auto mit eingebauter Brennstoffzelle, die Diesel-Autos parken weiter hinten. 99,9 Prozent der deutschen Autos verbrennen noch fossile Kraftstoffe, doch an diesem Montag soll es bei der Kanzlerin nur um Elektromotoren gehen.

Die, so ist sich die Runde einig, werden immer wichtiger. "Vielen ist nicht klar, was für ein Potential hier liegt", sagt Ex-SAP-Chef Henning Kagermann, der Kopf der "Nationalen Plattform Elektromobilität". Und auch der Kanzlerin gehen große Worte leicht von den Lippen. "Es wird eine exponentielle Entwicklung geben", sagt Angela Merkel und beschreibt mit der Hand einen Bogen. "Wir sind noch ganz am Anfang dieser exponentiellen Kurve."

Wie die Industrie die Kurve kriegen will, hat sie wenige Stunden vorher kund getan, mit dem Zwischenbericht der Kagermann-Plattform. Demnach sollen die Elektroautos in drei Schritten den Markt erobern. Bis 2014 werde der Boden bereitet. Bis 2017 schließlich werde der Markt "hochlaufen" - so nennen das die Firmen. Anschließend werde dann der Massenmarkt beschlossen. Bis 2020 könne es so eine Million Fahrzeuge mit Elektroantrieb geben. Was gemessen an 42 Millionen Autos in Deutschland noch bescheiden ist.

Und doch sind viele skeptisch, dass dieses Ziel mit den jetzigen Maßnahmen zu erreichen ist. "Wenn die Bundesregierung im Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen haben will, kommt sie um eine Kaufprämie nicht herum", kritisiert Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive in Bergisch Gladbach. Genau dies aber lehnt die Regierung ab. Zuschüsse wie in Frankreich, wo der Staat den Kauf eines E-Autos mit 5000 Euro versüßt, soll es hier nicht geben.

Die Autoindustrie hatte von Anfang an auf Kaufsubventionen gehofft - konnte sich mit dieser Forderung aber nicht durchsetzen. Von einer Niederlage aber will am Montag niemand sprechen - im Gegenteil: "Mit den Empfehlungen an die Bundesregierung beschreiben wir einen realistischen Weg, um Deutschland zu einem bedeutenden Markt für das Elektrozeitalter zu entwickeln", erklärte Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke.

Der Anfang eines langen Prozesses

Schon am Mittwoch will die Bundesregierung ihr eigenes Programm verabschieden, es baut auf den Vorschlägen der Industrie auf. Besitzer von Elektroautos können danach auf Privilegien im Straßenverkehr hoffen, sie genießen Vorteile bei der Kfz-Steuer und werden bei der Besteuerung von Dienstwagen behandelt, als führen sie einen Wagen mit Verbrennungsmotor.

Vor allem aber werde der Bund mehr Geld für die Forschung ausgeben, kündigte Merkel an, nämlich eine Milliarde Euro in den nächsten zwei Jahren. "Hier liegt ein strategischer Schwerpunkt bei der Entwicklung von Batterien", so die Kanzlerin. Die deutsche Industrie war hier in den vergangenen Jahren arg ins Hintertreffen geraten.

Das Treffen, so berichten Teilnehmer später, sei harmonisch gewesen - obwohl längst nicht alle zufrieden sind. Der Maschinenbauer-Verband VDMA etwa forderte gleich am Montag die Wiedereinführung einer degressiven Abschreibung, um die neue Technologie zu fördern, Umweltschützer dagegen beklagten, der Bericht der Plattform sei pure Lobbyarbeit für die Autoindustrie.

"Sie versucht nur, dem unangetasteten Statussymbol Auto ein grünes Mäntelchen umzuhängen", so Wolfgang Lohbeck, Verkehrsexperte bei Greenpeace. "Es geht allein um Systemerhalt."

"Jetzt geht es darum, dass alle zusammenarbeiten", meint der Verkehrsexperte Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB). Die Nationale Plattform Elektromobilität stehe mit ihrer Arbeit daher "erst am Anfang eines langen Prozesses".

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