Elektromobilität:Drei Freunde wollen den Verbrennungsmotor begraben

Sono Motors

Das Crowdfunding war erfolgreich, jetzt wollen Laurin Hahn, Jona Christians und Navina Pernsteiner (von links) ihr Elektroauto bauen.

(Foto: Sono Motors)

Die Münchner starten damit, ein Auto zu bauen, das mit Sonnenenergie fährt und dank eines pfiffigen Sharing-Systems eines Tages die Automobilriesen in die Knie zwingen könnte.

Von Felix Hütten

Wie eigentlich sieht eine Gesellschaft aus, in der Menschen nicht über Missstände klagen, sondern etwas dagegen tun? Also im Sinne von: Sei du die Veränderung, die du dir wünschst? Ist ja so eine Floskel, die keiner ernst nimmt. Denn was bitte schön soll man schon tun, wenn einem der Feinstaub in der Großstadt stinkt? Oder einen die vollgeparkten Straßen stören?

Genau: Etwas verändern. Auf dem Weg zu dem Münchner Start-up Sono Motors fährt man hindurch durch das Tor des bayerischen Reichtums, rechts der BMW-Vierzylinder, links ein futuristisches Gebäude, in dem sie die aktuelle Technik ausstellen. An der Wand ein Plakat: "Bring it on" steht darauf, es geht also los. Der ganz neue BMW X4, neun Liter auf 100 Kilometer, knapp zwei Tonnen schwer. Oder auch: Juckt Sie, lieber Kunde, eigentlich die Debatte um Stickoxide, Schummelsoftware und Platzmangel im Großstädten? Eben.

Also hindurch, tief rein in den Norden Münchens. Dort betreiben drei junge Menschen ihr Unternehmen, sie heißen Laurin Hahn, Navina Pernsteiner und Jona Christians. Hahn und Christians kennen sich von dreizehn gemeinsamen Jahren Waldorfschule, mit Pernsteiner wohnt Hahn nach dem Abitur in einer WG.

Laurin Hahn ist 24 und Unternehmer, Geschäftsführer einer GmbH und damit verantwortlich für 60 festangestellte Mitarbeiter, manche von ihnen bringen 30 Jahre Erfahrung im Automobilbau mit. Das Produkt: Ein Auto, das Sion heißt und mit Solarpanels auf dem Dach und ohne Zylinder, Diesel und Schummelsoftware auskommt, streng genommen noch nicht einmal tanken muss. Ihr Problem: So richtig ernst genommen werden sie bislang nicht, was vielleicht auch berechtigt ist. Vielleicht aber auch nicht. Bring it on!

Sono Motors startet eine einzigartige Investment-Kampagne

Ein Prototyp des Sion, jenes Elektroautos von Sono Motors mit eingebauten Solaranlagen.

(Foto: Sono Motors GmbH/obs)

Die Gründungsgeschichte von Sono Motors klingt ein bisschen nach einem Kinofilm und Laurin Hahn will eigentlich weg von dieser Geschichte. Er erzählt sie schon, klar, er stehe ja dazu, sagt er. Aber Sono Motors sei mittlerweile viel mehr als ein hippes Start-up von drei durchgeknallten Weltrettern. Die Geschichte geht so: Hahn und Christians bauen in der Garage der Eltern einen Twingo um, bringen sich via Youtube spezielle Schweißtechniken bei. Alles mit dem Ziel, Solarpanels aufs Dach des Twingos zu zimmern, damit das Auto eines Tages ohne Sprit fährt. Das war im Sommer 2013. Monate später entsteht Sono Motors, und aus dem Twingo eine Ein-Produkt-Strategie: Sie bauen ein einziges Modell, keine 20, vertrauen auf ihre Erfindung, vermeiden Aufwand, Komplexität und CO₂ in der Produktion, damit ihr Ziel nicht in Kosten und Umweltverschmutzung versinkt. Es lautet: Schluss machen mit dem Verbrennungsmotor.

Sollte das Unternehmen in zehn Jahren dann das Microsoft der Autoindustrie sein, während BMW, VW und Audi, tja, vielleicht pleite sind, dann wäre das natürlich Material für einen Hollywoodfilm: Diese beiden Typen haben in der Garage ihrer Eltern die Zukunft der Mobilität erfunden. Wollen sie aber gar nicht, sagt Hahn. Kann man auch verstehen, klingt ziemlich nach Hochstapelei. Andererseits muss man sich nur mal die Zahlen anschauen: Einen zweistelligen Millionenbetrag hat Sono Motors von Investoren einsammeln können, mehr als 4000 Vorbestellungen für den Sion haben sie schon, Listenpreis 16 000 Euro ohne Akku, der BMW i3 kostet je nach Ausstattung locker doppelt so viel. Den günstigen Preis können sie anbieten, weil sie so genannte carry-over-parts verbauen, also zum Beispiel eine Lenkung, die auch in anderen Fahrzeugen zum Einsatz kommt. Damit sparen sie Entwicklungskosten und Ärger mit Kinderkrankheiten.

Zudem verzichten sie auf beliebten, aber kostspieligen Schnickschnack: Eine Fernbedingung für die Türen zum Beispiel. Außerdem überschütten sie ihr Produkt nicht mit einem Millionen-Marketing-Etat - auch deshalb, weil sie den eh nicht haben. Wenig Budget aber ist kein Beinbruch, sie spinnen daraus ihre Geschichte: Wir haben wenig Geld, also machen wir es ohne.

Hier ist ein Überzeugungstäter am Werk

Spricht man mit Laurin Hahn, wird schnell klar: Hier ist ein Überzeugungstäter am Werk. Hahn arbeitet nach eigenen Angaben mehr als zwölf Stunden am Tag, klingt richtig start-uppig, aber es ist nicht nur Schuften, es ist auch Leben. Hahn hat einen Tag Elektrotechnik studiert, dann wollte er etwas anpacken, nicht sitzen und pauken. Geht das? Geht schon, sagt er, und zwar so: Sono Motors ist wie ein Säugling, dafür gibt's auch keine Uni. Und wenn du es falsch machst, ist das Kind tot. Also streng dich an, schlaf wenig, kümmere dich viel und dann läuft das Kind schon bald. Und wenn es laufen kann, dann spricht es schnell und wenn es groß ist, hat es vielleicht Visionen, will ein Elektroauto bauen und damit die Welt retten; gerne auch von München-Feldmoching aus.

Im Office, wie sie zu ihrer dort angemieteten Büroetage sagen, ist alles offen eingerichtet, viel Pressspan, Telefonboxen für vertrauliche Gespräche. Zum Mittagessen bestellen sie Bioessen, der Stromanbieter ist öko, ihre Bank auch, und die Mitarbeiter werden angeblich sogar ordentlich bezahlt. Sie arbeiten nach dem modernen, aber besonders im Großmanagement kritisch beäugtem Führungssystem der Holokratie: Mitarbeiter wechseln ständig ihre Rollen, führen abwechselnd Teams in einzelnen Aufgaben und werten am Ende aus, was sie besser machen können. Kein Boss-compare, kein Top-down, also: Chef befiehlt, Mitarbeiter springt - das wollen sie bei Sono Motors nicht.

Klingt zu fantastisch? Es wird noch besser: Die Antwort auf die Frage, wie viel Platz die Elektroautorevolution deutschen Städten wirklich bescheren kann, ist einfach zu beantworten: keinen. Auch Sono Motors will und muss eines Tages profitabel sein und das gelingt nur, wenn sie Autos verkaufen, verkaufen, verkaufen.

Laurin Hahn lächelt, wenn man ihn damit konfrontiert und traut sich als Auto-Unternehmer zu sagen: "Wir als Gesellschaft müssen zu dem Punkt kommen, weniger Fahrzeuge herzustellen."

Geld verdienen auf zwei Wegen

Das Unternehmen denkt nicht in Wachstumsmaximen, sondern im Sinne des Teilens. Es wird, da ist sich Hahn sicher, genug Menschen geben, die sich eines Tages einen Sion kaufen. Doch Sono-Motors-Kunden sind wahrscheinlich umweltbewusst und offen für Neues, will sagen: Hahn schwebt ein Sharing-Netz vor, mit dem es möglich ist, seinen Wagen an andere zu vermieten, wenn er mal wieder mehrere Tage ungenutzt vor der Tür parkt. Und tatsächlich, wie wäre es, wenn man mit dem Auto zur Arbeit fährt und der Nachbar von Gegenüber in der Zwischenzeit zum Einkaufen fährt? Der Wagen würde genutzt, der Besitzer bekommt Geld dafür und der Nachbar spart sich das eigene Auto.

Den Vorwurf, damit ein hippes Großstadtprodukt für urbane Ökos zu schustern, kontert Hahn ganz entspannt: Wie viele Menschen auf dem Land, gerade ältere, haben ein Auto vor der Tür stehen, um damit zweimal die Woche in den Supermarkt zu fahren? Genau hier würde ein Sharing-System perfekt greifen. Und Sono Motors verdient trotzdem, denn erstens verkaufen sie ja Fahrzeuge für dieses Netz und stellen zweitens noch die nötige Software für den Verleih zu Verfügung.

30 Kilometer Reichweite durch Sonnenenergie

Fehlt nur noch das Produkt, der Sion, ein Auto in dunklem Grau, sicher ungewohnt im Straßenbild, wenn man ihn dort denn mal sehen könnte. Der Wagen soll eine etwa acht Quadratmeter große Solarfläche auf der Haut tragen und mit der eingesammelten Sonnenenergie am Tag etwa 30 Kilometer schaffen. Das entspricht knapp der durchschnittlichen Tagesstrecke eines Autos in Deutschland und steht symbolisch für den Anspruch der Sono-Ingenieure: Erdöl verbannen, alternative Energiequellen fördern. Und falls dann doch der Akku mal an die Steckdose muss, soll der Wagen voll geladen bis zu 250 Kilometer weit kommen.

Wo sie ihre Fahrzeuge am Ende herstellen lassen wollen, bleibt übrigens geheim, nur so viel: Es ist ein Betrieb, der sich bestens auskennt mit der Produktion anderer Markennamen. Ob sie eines Tages auch eine Marke werden? Laurin Hahn zuckt mit den Schultern. Sono Motors gefällt sich in der Rolle der unterschätzten Mini-Firma, die ohne Milliardenetats auskommen muss. Ihr Kapital ist ihre Botschaft, die sie stets versuchen, wirken zu lassen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Oder auch: Bring it on!

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