Elektro-Mountainbikes:Himmelwärts mit Hilfsmotor

Radfahrerin mit E-Mountainbike

E-Mountainbikes setzen sich auch bei der sportlichen Klientel verstärkt durch.

(Foto: www.pd-f.de / biketec)

Mountainbikes mit E-Antrieb liegen im Trend, sind bei ambitionierten Radlern aber umstritten. Zu Recht? Unsere Autorin hat sie bei einer Bergtour im Montafon ausprobiert.

Von Johanna Pfund

Endlos steil zieht sich die Forststraße nach oben - und es ist heiß. Für gewöhnlich stecken Mountainbiker in solchen Fällen den Kopf zwischen die Schultern, stellen das Denken ein und treten in die Pedale. Ein E-Mountainbiker drückt stattdessen den Knopf am Lenker: Eco? Oder lieber Tour? Am besten gleich Turbo: Wenn schon E-Power, dann richtig. Und ab geht's im Montafon.

Seit drei Jahren gehört dieser Ausflug zum touristischen Angebot im österreichischen Vorarlberg. Ein Ruck, als würde jemand am Sattel anschieben, und schon schnurrt das Fahrrad dank Turbo fast von alleine nach oben. Eine grandiose Aussicht erwartet einen auf dem Höhenrücken über dem Dorf Bartholomäberg. Im Südwesten erstreckt sich das Rätikon, im Südosten der Gebirgszug der Silvretta mit seinen Dreitausendern.

Beeindruckende Bergkulissen allein reichen schon lange nicht mehr als Urlaubermagnet. Der Zeitgeist fährt Fahrrad und gerne auch E-Mountainbike. Ambitionierte Radler und Bike-Magazine tun sich hingegen schwer mit dem jungen Trend. In einer Umfrage antworten 15 Prozent ganz gelassen auf die Frage, ob es eine Schande sei, von einem E-Mountainbike überholt zu werden: "E-Mountainbike, was ist das?" Etwas, das es nicht geben darf. Bergradeln, das war bislang etwas für Balancekünstler und Konditionsmenschen, die ein Stadtrad mit Gepäckträger bestenfalls mit einem mitleidigen Blick bedenken.

Die Elektrifizierung schwappt in den Freizeitbereich über

Sie werden überrollt von der Realität: Die großen Hersteller wie Haibike, Cube, sogar Marken mit hohem Anspruch wie Rotwild haben E-Mountainbikes im Angebot, mit immer besseren und leistungsfähigeren Motoren und optimiertem Fahrverhalten. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) wird kommendes Jahr die Verkaufszahlen von E-Mountainbikes separat erfassen: "Das ist die nächste größere Modellgruppe mit Elektromotoren", sagt ZIV-Sprecher David Eisenberger.

Von den City- und Tourenrädern, die für die Mobilität im Alltag immer wichtiger werden, schwappt die Elektrifizierung jetzt in den Freizeitbereich über. Insgesamt wurden 2014 bereits 480 000 E-Bikes in Deutschland verkauft. Die Räder werden immer besser: Die Gefahr, dass der Akku mitten in der Tour den Geist aufgibt, sinkt mit jeder Motorengeneration. Und Komfort spielt eine immer größere Rolle. Da hilft auch der alte Mountainbiker-Ethos nichts, nämlich dass Hilfe in Form von Anschieben, Motor oder Bergbahn verpönt ist. Das Rad mit dem E ist nicht aufzuhalten.

"Treten müsst Ihr selbst"

Ganz von alleine fährt so ein E-Bike natürlich nicht. Bikeguide Markus Fessler-Jenny erklärt die technischen Unterschiede vor dem Start an der Verleihstation im Montafoner Talort Schruns: "Der Akku unterstützt euch nur, treten müsst ihr selbst, und ihr könnt selbst entscheiden, wie viel Unterstützung ihr wollt." Je nach gewählter Stufe, ob Eco, Tour, Sport, oder Turbo. Nur zehn Gänge haben die Räder, die hier zur Verfügung stehen, keine 24, wie sonst bei Mountainbikes üblich. Dafür bringt die E-Variante mit etwa 20 Kilogramm deutlich mehr Gewicht auf die Waage - ein Umstand, den man bei Single Trails oder beim Abfahren deutlich spürt.

Fessler-Jenny, staatlich geprüfter Trainer, der auch ohne Motor bestens zurechtkommen würde, hat mit der E-Variante keine Probleme. Die Räder haben ihre Berechtigung, sagt er. Für Menschen, die die Bergwelt per Rad lieber genießen als außer Atem zu geraten, oder solche, die bei steilen Anstiegen aus gesundheitlichen Gründen an ihre Grenzen stoßen. Es ist keineswegs so, dass nur die Generation 60plus auf die Räder steigt. "Jede Altersstufe ist dabei", erzählt Fessler-Jenny. Viele Gäste wollten es einfach ausprobieren, andere besitzen ein E-Mountainbike, nehmen es aber nicht in den Urlaub mit und wollen dennoch die Berge erleben. Auch Sportler, die nach einer Operation erst einmal wieder an der Kondition arbeiten müssen, schätzen den Motor. Viele Paare nutzten das Angebot auch, um konditionelle Unterschiede auszugleichen. Trotzdem liegen Welten zwischen den Bikes mit und ohne E: "Es sind einfach zwei unterschiedliche Sportarten", sagt Markus Fessler-Jenny.

Wird das Rad etwas Unerwartetes tun?

Daher schadet eine Gewöhnungsphase nicht. Wird das Rad etwas Unerwartetes tun? Wird es brav sein? Wie verhält es sich in engen Kurven? In der Ebene merkt man zunächst wenig. Bleibt der Motor ausgeschaltet, kann man ordentlich trainieren, denn die 20 Kilogramm Rad wollen ja bewegt sein.

Der erste Teil der Tour führt von Schruns aus sanft ansteigend hinauf ins Silbertal. Der Name kommt nicht von ungefähr - bis in die frühe Neuzeit wurden hier in den Bergen des Montafon unter anderem Silber, Kupfer und Eisen abgebaut. Das ist nun 500 Jahre her, und von einem E-Mountainbike konnten die Bergknappen nur träumen. Heutzutage bleibt dank des Motors Muße, das enge Tal, die mit Holzschindeln verkleideten Häuser und den Bergbach zu bewundern. "Probiert einfach aus", empfiehlt Bikeguide Markus.

Die fünf oder sechs Kilometer bis zur nächsten klassischen Aufstiegshilfe, der Kristbergbahn, sind kurz. Gefühlt jedenfalls. Oben an der Bergstation geht es wieder mit dem Rad weiter. Statt der klassischen Mountainbiker-Frage "Banane oder Müsliriegel?" heißt es nun: Akku noch voll? Braucht jemand einen neuen? Jetzt werden die Energievorräte halt äußerlich erneuert. Die Montafoner haben sich durchaus etwas gedacht bei ihrem Konzept - ein Netz an Stationen, an denen man den leeren Akku gegen einen geladenen tauschen kann, zieht sich über die Berge. Auch Ladestationen gibt es auf den vorgeschlagenen Touren. Ausgesetzt fühlen muss sich da kein Urlauber. Das Abenteuer Bergradeln wird eine leichte Übung.

Auf dem Weg nach unten sind alle gleich

Die Höhenrunde vom Kristberg hinüber zum Rellseck ist denn auch purer Genuss. Mal Forststraße, mal Wurzelweg. Dabei zeigt sich, dass manche Gefahren trotz Motor bleiben, oder damit erst entstehen. Zum einen: Ein Stacheldraht, der neben einem schmalen Wurzelweg verläuft, ist und bleibt eine unangenehme Sache - Balancegefühl muss auch ein E-Mountainbiker mitbringen. Punkt zwei: Komfort hat seinen Preis in Form von Gewicht. Über die Wurzeln hoppelt es sich doch ein wenig schwerfälliger mit dem Antrieb am Rahmen als mit einem Mountainbike ohne E. "Wer unsicher ist, lieber langsamer fahren oder absteigen", sagt der Guide. Hm, das ist wohl eine Frage der Ehre. Wie auch immer, spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem die Route an dem kleinen Fritzasee vorbeiführt, auf dem Kinder gerade mit einem Floß experimentieren, weiß man, dass sich der Weg auf jeden Fall gelohnt hat. Der Blick vom See über das Montafon hinweg Richtung Schweiz ist einfach schön.

Dann bleibt nur noch die Abfahrt. Es sind ein wenig unverdiente Höhenmeter. Nichtsdestoweniger macht es Spaß. Eco, Tour oder Turbo sind ohnehin unwichtig bei diesem Gefälle vom Rellseck hinunter nach Bartholomäberg. Auf dem Weg nach unten sind E-Mountainbiker und echte Bergradler fast gleichauf. Da geht es um Balance und Courage. Und wer befürchtet, von einem E-Mountainbike überholt zu werden - dem bleibt immer noch eine Möglichkeit: mehr trainieren.

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