Elektro-Fahrräder im Trend:Gipfelsturm mit Extra-Schub

Rennrad, E-Rennrad, Elektrofahrrad, Ebike, Eurobike

Jetzt gibt's auch Rennräder mit Akkuantrieb: Das weltweit erste Serien-eRennrad wurde auf der Eurobike in Friedrichhafen vorgestellt.

(Foto: obs)

Der Elektroantrieb ist endgültig angekommen - bei den Fahrrädern. Nicht nur Senioren wissen die Trethilfe zu schätzen. Der Branche verschafft das einen unverhofften Boom und den Herstellern von entsprechendem Zubehör gleich mit. Sogar ein Airbag wird jetzt schon angeboten

Von Steve Przybilla

Verschwörungstheorien ziehen immer. "Fahrräder sind heute so beliebt, dass wir anderen längst ein Dorn im Auge sind", glaubt ein namhafter Händler. Das sei auch der wahre Grund, warum viele E-Bikes bei der Stiftung Warentest so schlecht abgeschnitten hätten: "Da steckt die Autoindustrie dahinter. Denen werden wir zu gefährlich."

Öffentlich würde das freilich niemand sagen. Doch der Ärger über die Watschn der Warenprüfer sitzt auch drei Monate nach dem aufsehenerregenden Test tief. Auf der Eurobike in Friedrichshafen, der größten Fahrradmesse der Welt, spürt man das deutlich. "Dieser Test hat die Branche 50 Millionen Euro Umsatz gekostet", klagt Thomas Kunz, Geschäftsführer des Verbands des Deutschen Zweiradhandels (VDZ). Für die Kunden "nicht nachvollziehbar" seien die Schlussfolgerungen der Tester gewesen, die neun von 16 City-Elektrorädern durchfallen ließ - unter anderem, weil bei manchen Modellen der Lenker gebrochen war. "Reklamationen", beteuert Kunz. " hat es jedenfalls nicht gegeben."

Kauflust statt Verunsicherung

Tatsächlich scheint die Verunsicherung langsam wieder der Kauflust zu weichen. "Wer will schon verschwitzt im Büro ankommen?", fragt etwa Christoph Freund vom Cloppenburger Fahrrad-Produzenten Derby Cycle. "Am Anfang haben sich vor allem ältere Menschen für Elektroräder interessiert. Jetzt kommen auch Anzugträger und junge Leute, die untrainiert in die Berge fahren wollen." Bei Derby Cycle, einem der größten Produzenten Deutschlands, ist man sich sicher: "E-Bikes sind kein kurzfristiger Trend. Der Umsatz wird sogar noch zunehmen." Dementsprechend viel Mühe gibt man sich, die eigenen Neuheiten zu präsentieren. Schon nach drei Stunden an der Steckdose seien die Batterien moderner E-Bikes wieder aufgeladen. "Eine Ladung kostet nur etwa zehn Cent Strom", rechnet Freund vor.

Mit seiner Zuversicht ist der Branchenprimus auf der Eurobike nicht alleine. Während Rennräder und Mountainbikes eher eine untergeordnete Rolle spielen, sind E-Bikes immer noch der Renner. Und das ganz wörtlich: Die Spitzenreiter bringen es auf bis zu 45 km/h, die Motoren der gemäßigten Pedelecs unterstützen den Radler dagegen nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h - dafür ist weder ein Führerschein noch ein spezieller Versicherungsschutz erforderlich. Das Institut für Handelsforschung in Köln geht davon aus, dass Elektroräder inzwischen 34 Prozent des gesamten Fahrradumsatzes ausmachen.

Mit steigendem Marktanteil wächst auch das Drumherum. Längst nicht alle Bau- und Zubehörteile, die bei normalen Rädern passen, eignen sich auch für E-Bikes. Der Hauptgrund: Durch den Elektromotor sind selbst die neuesten Modelle recht schwer, teilweise bis zu 25 Kilo. "Das können Sie nicht mal eben in den fünften Stock mitnehmen", räumt selbst Arne Südhoff von Derby Cycle ein. So verwendet Bosch für sein E-Bike-Ritzel (das kleinere Rad der Zahnrad-Paarung) Stahl statt Aluminium - um der stärkeren Belastung Rechnung zu tragen.

Mehr Leistung, höhere Geschwindigkeit, bessere Bauteile

Auch Ketten und Federgabeln müssen robuster werden. "Man kommt in Geschwindigkeitsbereiche, die man mit normalen Stadträdern nicht erreicht", sagt Jens Meer vom Großhändler Sport Import. Aus Gründen der Langlebigkeit seien viele Bauteile daher anders dimensioniert. "Bei den Scheibenbremsen nimmt man lieber eine Nummer größer", so Meer. "Unsere Käufer sind auch bereit, dafür zu bezahlen." Anders ausgedrückt: Je größer und aufwendiger die Bauteile, desto teurer das Fahrrad - zwischen 2000 und 4500 Euro kosten gängige Modelle.

Auch jenseits des reinen Gestells rollt der elektrisch beflügelte Umsatz. Sogar spezielle E-Bike-Reifen sind schon auf dem Markt. "Sie bieten einen besonders geringen Rollwiderstand und dadurch eine erhöhte Reichweite", erklärt Roland Golderer, Promoter am Stand von Michelin. Wie sich der Reifen verkauft? Dazu könne er keine Angaben machen, sagt Golderer.

Halskrause mit Airbag

Eine Helmpflicht gibt es für Pedelecs bisher nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel deutet bei ihrem Eurobike-Besuch an, dass so etwas auch nicht geplant sei. "Wir beobachten die Gesetzeslage trotzdem sehr genau, um schnell reagieren zu können", sagt Torsten Mendel, Marketingmanager beim Helmhersteller Abus. Besonders stolz sei man auf den Urbanaut, ein Modell, das sich speziell an E-Bike-Fahrer richte. "Der Materialmix ist härter und stabiler", so Mendel. Außerdem sei die Verschalung fast komplett geschlossen - wie bei einem Motorradhelm.

Natürlich lässt sich auch der Urbanaut noch toppen: Aus Schweden kommt mit dem Hövding der erste Fahrradairbag der Welt. Er sieht aus wie eine Halskrause, die man sich beim Radeln umschnallt. Eingebaute Sensoren reagieren bei einem Unfall automatisch und lösen den Airbag aus, der dann wie eine Trockenhaube den kompletten Kopf umschließt. Kostenpunkt: rund 400 Euro.

Fragt sich nur, wer die ganzen Gimmicks überhaupt braucht. Angela Merkel hat darauf bei ihrem Eurobike-Besuch eine gewohnt höfliche Antwort. Sie zitiert den ehemaligen Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel: "Es ist auf dem Fahrrad wie in der Wirtschaft. Wer sich nicht fortbewegt, fällt um."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: