E-Bike von Smart:Zukunft auf zwei Rädern

Der Autohersteller Daimler entdeckt das Fahrrad: Unter der Marke Smart will er mit Elektro-Bikes neue Kunden locken.

Dagmar Deckstein

Vor zweieinhalb Jahre rief Daimler-Chef Dieter Zetsche in der Krise nichts Geringeres aus als die Neuerfindung des Automobils. Es ging um vierrädrige Vehikel mit Elektroantrieb statt Verbrennungsmotor. Aber dass die Entwicklung auch von vier Rädern zurück zu zweien geht, überrascht etwas. Da fühlt sich der Betrachter in wilhelminische Zeiten zurückversetzt. War es doch Kaiser Wilhelm II., für den kurz nach der ersten Erfindung des Automobils feststand: "Ich glaube an das Pferd. Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung."

E-Bike von Smart: Alles nur Auto? Das war gestern. Um sich für die Zukunft zu rüsten, steigt Daimler ins Zweiradgeschäft ein. Unter der Marke Smart rollen von 2012 an Elektro-Bikes auf den Markt, die so ähnlich aussehen sollen wie diese Studie, die auf dem Pariser Autosalon vorgestellt wurde.

Alles nur Auto? Das war gestern. Um sich für die Zukunft zu rüsten, steigt Daimler ins Zweiradgeschäft ein. Unter der Marke Smart rollen von 2012 an Elektro-Bikes auf den Markt, die so ähnlich aussehen sollen wie diese Studie, die auf dem Pariser Autosalon vorgestellt wurde.

(Foto: Smart)

Was Annette Winkler, 51, vorhat, muss Daimler-Fans verblüffen. Die Vertriebsexpertin leitet die Konzernmarke Smart, also das Geschäft mit den kleinen Zweisitzer-Autos. Unter diesem Dach will sie vom nächsten Jahr an etwas für die Verhältnisse des PS-Konzerns ganz Ungewöhnliches auf den Markt bringen - Elektrofahrräder.

Das wird Teil eines innerstädtischen Mobilitätskonzepts, das ihr am Herzen liegt. Sie will damit die Idee des Gründers Nicolas Hayek aufgreifen, für den der Smart mehr war als ein Auto. So soll die neue Elektroversion des Smart-Autos nicht länger Fun-Fahrzeug für Individualisten sein - und das E-Bike aus dem Hause Smart eine "ideale Ergänzung zur Stadtmobilität".

Zu welchen Stückzahlen, zu welchem Preis und in welchem Design Daimlers Fahrräder unter die Leute kommen, will die Smart-Frau noch nicht verraten. Auch wird der Autokonzern nicht direkt in eine neue Produktionslinie für Fahrräder investieren, sondern die Herstellung der Brandenburger E-Bike-Firma Grace überlassen.

Das junge, erst 2010 gegründete Unternehmen präsentierte Ende 2009 das weltweit erste Elektromotor-Bike mit Straßenzulassung. Das Grace-Zweirad beschleunigt immerhin bis auf 65 Stundenkilometer und muss mit Nummernschild gefahren werden.

Das Zweirad mit dem Gattungsnamen Pedelec - eine Wortmischung aus Pedalen und Elektroantrieb - ist zudem auch nicht ganz billig: Ein E-Rad kostet zwischen 4000 und 8000 Euro. Daimler-Finanzchef Bodo Uebber schwärmte schon kürzlich, er werde sich sicher eines der Elektro-Fahrräder anschaffen und damit ins Büro nach Untertürkheim fahren.

Das E-Bike als vollwertiges Mobilitätsmittel

Das Smart-Rad, das als Studie auf dem Pariser Autosalon 2010 Weltpremiere feierte, soll mit 22 Kilogramm zu den Leichtgewichten des Genres Elektro-Bike zählen - und mit 25 Stundenkilometern an den städtischen Autostaus vorbeirollen können.

Grace-Geschäftsführer Michael Hecken ist über die Kooperation mit dem großen Konzern aus Baden-Württemberg äußerst angetan: "Wir arbeiten seit mehr als einem Jahr zusammen und freuen uns sehr, dass das Smart-Bike jetzt in Serie geht."

Annette Winkler legt Wert auf die Feststellung, dass es sich beim E-Bike um ein vollwertiges Mobilitätsmittel handele und nicht etwa um eines der Accessoires, die Autohersteller als Merchandising-Produkte rund ums vierrädrige Kernmobil anbieten.

So finden sich in den Mercedes-Benz-Shops auch Mountain-, Trekking- und Rennräder mit dem aufgedruckten Stern, die zwischen 1200 und 5000 Euro kosten. Das Smart-Bike hingegen, erklärt Winkler, werde als Transportmittel ausgelegt. Daher seien Aspekte wie Beladung, Taschen und Ausstattung "ganz wichtig".

Obendrein kann sich die Smart-Chefin das E-Bike auch als Ergänzung des städtischen Smart-Leihauto-Konzepts Car2go vorstellen: "Das heißt, dort könnte man dann nicht nur schnell und unkompliziert einen Smart leihen, sondern auch ein E-Bike." Das passe gut zusammen, findet sie, schließlich sei die räumlich und zeitlich voll flexible Fahrradausleihe ja einst Inspiration für Car2go gewesen, so Winkler.

Der richtige Zeitgeist-Riecher?

Der Konzern traut ihr einen Triumph zu. Schließlich hat sie in jungen Jahren die väterliche Baufirma saniert und später bei Mercedes-Benz erst die Pressestelle und dann eine Niederlassung und Landesgesellschaft geleitet. Zumindest stößt das Elektro-Fahrrad Marke Smart in eine Absatzlücke.

Das Smart-Auto dagegen tut sich derzeit schwer. Die neuen Modelle, die einen neuen Schub bringen sollen, kommen erst 2014 in die Autohäuser. Der neue Zweisitzer und der Viersitzer werden auf einer gemeinsamen Plattform mit dem Twingo des Partners Renault gebaut. "Die neuen Smarts existieren auf dem Reißbrett und als Modellbauten, aber es gibt noch keine Prototypen", erläutert Winkler.

In den vergangenen beiden Jahren war der Absatz beim Smart drastisch eingebrochen. 2008 waren noch 139.000 der City-Mobile verkauft worden, im vorigen Jahr nur noch 94.300. In den vergangenen Monaten hat sich die Lage zwar stabilisiert, an die 2008er Verkäufe wird Smart aber auch 2011 bei weitem nicht herankommen. "Wir erwarten in diesem Jahr 90.000 verkaufte Smarts plus x, aber ein schönes x", sagt Winkler.

So schlecht scheint der Zeitgeist-Riecher des Konzerns nicht zu sein. Auf E-Bikes fahren die Menschen ab, so der Zweirad-Industrieverband. Wurden 2007 noch 70.000 Elektrofahrräder verkauft, waren es 2010 schon 200.000 Stück - ein Plus von 33 Prozent zum Vorjahr. Europaweit sind 700.000 Elektroräder im Einsatz.

Smart will nicht nur Europa, sondern auch die USA und den Nahen Osten mit E-Bikes beliefern. All diese Pläne dürften auch dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gefallen. Er fordert neue Mobilitätskonzepte ein. Über ihre Tätigkeit, die sie vor einem halben Jahr begann, sagte Annette Winkler schon mal, sie sei "ein Traum".

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