Ducati 900 SS:Sportler aus Bologna

Der italienische Motorradhersteller hat sich hohe Ziele gesetzt

(SZ vom 26.08.1998) Seit 1991 wurde die Ducati 900 SS (Supersport) fast unverändert produziert - teils deshalb, weil sie gut und beliebt war, teils aber auch, weil Ducati mit vielerlei internen Problemen zu kämpfen hatte. Jetzt kommt eine völlig überarbeitete 900 SS auf den Markt und dokumentiert, daß der prominente und im Sport so erfolgreiche italienische Hersteller neue Akzente für die Zukunft setzt.

Kompakter, sportlicher, bissiger - so müssen wohl die Vorgaben für die Renovierung der 900er gelautet haben. Der Radstand ist geschrumpft, die Upside-down-Gabel steht etwas steiler und wurde zwei Millimeter dicker, die gesamte Vorderfront wurde tiefergelegt, was eine sehr sportliche Sitzhaltung zur Folge hat: Die Handgelenke werden dabei deutlich belastet. Insgesamt, das zeigten erste Fahrten, ist die neue Ducati jedoch agiler und leichter zu dirigieren als bisher. Federung und Dämpfung sind in allen Komponenten individuell einstellbar. Mitfahren ist möglich, aber nur auf kürzeren Strecken vergnüglich. Aber für die große Tour, gar zu zweit, ist die neue Ducati nicht gedacht.

Erhebliche Zuwendung wurde dem Motor zuteil, der auf eine Benzineinspritzung umgestellt worden ist. Die Leistung von 59 kW (80 PS) bei 7500 Umdrehungen markiert zwar keinen Spitzenwert in der Sportler-Kategorie, reicht in der Praxis jedoch völlig. Vor allem deshalb, weil das V2-Triebwerk im mittleren Drehzahlbereich bereits viel Kraft liefert und immens gut am Gas hängt; insofern ist beim Beschleunigen durchaus Vorsicht geboten. Die Vibrationen des Motors sind deutlich geringer als beim Vormodell, der gut abgestimmte Auspuffklang blieb dagegen erhalten. Keine Probleme registrierten wir auch bei Getriebe und Kupplung. Leichter dosierbar und zugleich wirkungsstärker sind bei der neuen 900 SS die Bremsen.

Das eindeutige Ziel der 202 Kilogramm leichten 900 SS, im Segment der supersportlichen Motorräder wieder ernstgenommen zu werden, unterstreichen das neue Design wie auch die Farbwahl: Feuerrot und sonnengelb passen prima zur neuen Ducati. 1000 Stück will Ducati noch in diesem Jahr in Deutschland absetzen. Ein hohes, aber erreichbar scheinendes Ziel, denn der Preis von 18 990 Mark ist als vergleichsweise günstig zu bezeichnen.

Mit dem Enthusiasmus, der der 900 SS anzumerken ist, sollte es möglich sein, daß die Bologneser Motorradbauer ihre Schwierigkeiten überwinden. Denn die letzten Jahre waren für Ducati trotz so mancher Sporterfolge nicht nur erfreulich: Qualitäts- und Lieferprobleme drückten, die Finanzdecke reichte hinten und vorne nicht aus. Im Herbst 1996 übernahmen amerikanische Investoren 51 Prozent des Kapitals, worauf das dümpelnde Ducati-Schiff wieder in Fahrt kam; 27 000 gebaute Motorräder im vergangenen Jahr bedeuteten Produktionsrekord. Im Krisenjahr zuvor waren es nicht einmal halb so viele gewesen.

Auch in Deutschland waren die Verkaufszahlen zuletzt gesunken. Seit diesem Frühjahr stehen aber auch hierzulande die Signale wieder auf Grün: Mit der in Köln angesiedelten "Ducati Deutschland" gibt es erstmals eine firmeneigene Niederlassung.

Zudem wird ein Zentralersatzteillager errichtet. Im Bedarfsfall sollen die Ducati-Kunden künftig innerhalb von 24 Stunden beliefert werden können. Alle diese Maßnahmen untermauern, daß man, was den Deutschland-Import anbetrifft, vom früher gerne gepflegten Gegeneinander zu einem konstruktiven Miteinander umgeschaltet hat. Und auch die neue 900 SS dokumentiert, daß Ducati mit großem Ernst und neuem Schwung an den europäischen Markt herangeht.

Von Ulf Böhringer

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