Ducati 1098 R:Der Zweck heiligt das Mittel

Die Ducati 1098 R könnte natürlich auch in der Wohnzimmervitrine enden, aber dort gehört sie am wenigsten hin.

Jochen Wagner

Sie ist da. Die R wurde ja als Tagtraum mit dem Erscheinen der 1098 S vor einem Jahr schon herbeigesehnt. Auf dem Mailänder Salon gab es sie unlängst zu bestaunen: rot-schwarzes Kleid, goldene 10-Speichen-Magnesiumschmiede-Räder, goldfarbenes Öhlins-Fahrwerk, Gitterrohr-Rahmen und schon klassische, schwarz gehaltene Einarmschwinge, superbe Brembo-Bremsen-Monobloc-Radialgarnitur, Multifunktionsdisplay und im Zentrum die ultimative Evolutionsstufe des Testastretta-V2-Motors mit 180 PS und 134 Newtonmeter aus 1198 Kubik.

Wie soll man diese Diva auf zwei Rädern im Zaum halten?

Niemand braucht so ein Gerät, doch haben wollen es viele. Denn die Königin der Superbikes verspricht königliche Gefühle. Ganz betuchte und schnieke Sammler werden sie sich wieder in die Wohnzimmervitrine stellen. Aber die wirklich Angefressenen mit einem Rest Schwarzem unter den Fingernägeln werden sie dorthin ausführen, wo sie herkommt, auf die Rennstrecke.

Für diesen Ernstfall sind Lampen, Blinker und Halter, das ganze TÜV-Zeugs, ruckzuck demontierbar. Offene Termignoni-Auspüffe mit (leider untüvbaren) 102 dB drauf, den Racing-Chip in den Bordcomputer, die profilierten Pneus gegen profillose Gummis getauscht, und schon haben die Slicks mehr als 190 PS und 137 Nm zu verwalten.

Angesichts so viel Spitzenpotential und einer traktorähnlichen Drehmomentwelle aus dem Keller bleibt nur noch die Frage, wie man die Diva eigentlich auf zwei Rädern im Zaum halten will? Denn mit solchen Leistungsdaten konnte man noch vor ein, zwei Jahren in der Superbike-WM um den Titel kämpfen. Eine Hilfe soll die erstmals aus dem Wettbewerb übernommene Traktionskontrolle samt Antihoppingkupplung bieten. So ein Rennpaket gibt es also nun für uns Motorradwanderer der StVO via Portemonnaie.

Der Zweck heiligt das Mittel

Wer es fassen kann, der fasse es, das heißt, wer 30.000 Euro zahlen kann, der zahlt sie auch. Da kann der Novembernebel in der Poebene noch so dick sein, dieses mechanische Juwel strahlt um den Globus - auch getüvt.

Die Schönheit hat mehr als genug Kraft und selbst der zivile, nach Euro-3-Norm gedämpfte Sound ist hörbar betörend. Weil sie dank viel Carbon und Titan gegenüber der vollgetankt 192 Kilo wiegenden 1098 S nochmals gut 10 Kilo leichter ist - sie soll wie die Ducati Corse Racing-Bikes 165 Kilo trocken wiegen -, darf der Pilot erstmals ein PS zu einem Kilo bewegen.

Schon die bloße Vorstellung kriegt da Fieber, was da fürs kommende Frühjahr verheißen wird, wenn die Straßen wieder trocken sind. So versöhnt sie die Ducatista auch mit ihrer Formensprache nach der umstrittenen 999er wieder.

Die moderne Fortschreibung des 916er-Mythos seit 1993 erfreut sich denn auch reger Nachfrage. Bald wird man das rotweiße Gesicht mit den beiden schlitzäugigen Schweinwerfern von weitem erkennen. Und von hinten wird sie mit rotweißem Monoposto und den Underseat-Auspüffen nebst 190er Walze auch einen schönen Anblick bescheren. Hymne, Tusch also für den Kurzschluss von Circuit und Hausstrecke und Platz geschafft in der Garage, sicherheitshalber aber auch mit der Allerliebsten sprechen, nicht dass es da Missverständnisse gibt.

Wer zudem keine 63.000 Euro für eine der 1500 aufgelegten MotoGP-Replicas, die Desmosedici RR hat, mag sich mit der 1098 R trösten. Sie ist gegenüber dem exklusiven V4-Aggregat mit ihrem V2-Desmoquattro-Motor vielleicht auch die puristischere Ducati.

War noch was? Ach ja, Peak Oil, steigende Spritpreise, knappere Ressourcen, Klimawandel - es ist nicht leicht, das kritische Bewusstsein, gar ein ökologisch nachhaltiges Handeln angesichts solcher Diven wie der 1098 R durchzuhalten. Die Ducati steht für Passion. Und wir, immer radikal, sind womöglich niemals konsequent.

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