Driving over Leopold (8): Porsche 911 Turbo Cabrio:Paarlauf bei Tempo 250

Wieder hat einer unserer Redakteure testweise ein Auto gefahren. Und nie lagen Faszination und Ablehnung so dicht beieinander wie beim Porsche Turbo.

Carsten Matthäus

Die Redaktion von sueddeutsche.de fährt Auto. Wir wollen wissen, was wir mit unterschiedlichen Autotypen zwischen der Münchner Leopoldstraße, der Allianz-Arena und dem Starnberger See so alles erleben. Und zwar ganz ohne Brems- und Beschleunigungstests.

Nein, ich stand bisher nicht im Verdacht, ein Fan von Porsche zu sein. Porsche, das war für mich gleichbedeutend mit alternden Playboys. Mit Leuten, die die Sexiness ihrer grauen Mähne mit PS auftunen müssen. Mit dekadenten Schickimickis.

Die religiöse Stimmung vor der Fahrt

Bei meinem letzten Arbeitgeber, einer großen Unternehmensberatung, hatte ich mittelalte Herren gesehen, die liebevoll kleine Porsches auf ihren Schreibtischen platzierten. Das hat mich eher in meiner Missgunst bestätigt. Einmal machte ich sogar den Fehler, mein Gegenüber auf das Spielzeugauto anzusprechen. Es brauchte fünf Minuten artiges Nicken, um der kindlichen Begeisterung dieses sonst sehr nüchternen Analytikers Herr zu werden. Die übliche Distanziertheit kehrte jedoch in dem Moment zurück, in dem ich mich als Fahrer eines Honda Civic zu erkennen gab.

Nein, ich konnte auch die nahezu religiöse Stimmung nicht verstehen, als ich von mehreren Kollegen zum ersten Mal zu meinem Testwagen geführt wurde. Ein Sportwagen, grau und ziemlich tiefgelegt, mit Schwanzflosse und Buckel für den dicken Motor.

Während ich noch in die Einzelheiten der Bedienung eingewiesen wurde, tauschten die Jungs um mich herum wie beim Quartettspiel die technischen Daten dieses Wundergerätes aus. Und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie gerne einfach nur um dieses Auto herumschritten. Einfach nur, um ihm nahe zu sein.

Paarlauf bei Tempo 250

So ganz genau weiß ich nicht, wann meine eigenen Gesichtszüge umgesprungen sind von höhnisch-lächelnd auf blöd-grinsend. Irgendwo auf einer Autobahn, bei der Beschleunigung von 100 auf 200 Stundenkilometer wahrscheinlich. Das dauert nur einen Wimpernschlag - wenn man in diesem Moment überhaupt noch mit der Wimper schlägt. Wenn etwas im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend ist, dann dies: das Gaspedal durchdrücken in so einem Rennwagen. Und dann wieder stark zu bremsen, weil der Warpantrieb einen gerade wie in "Star Trek" in eine andere Galaxie befördert hat.

Das glückliche Grinsen danach

Ja, in diesem Auto ist man ein Sieger. Nicht einen einzigen Moment lang, bei keiner noch so hohen Geschwindikeit verspürte ich auch nur den Hauch einer Unsicherheit. Am Steuer fühlt sich der Wagen an wie ein perfekter Maßanzug. Überholen - ein Fingerschnips. Mit vollem Speed über kurvige Straßen - besser als James Bond. Frauen abschleppen - total einfach.

Ich habe das vorher wirklich für ein ganz schlechtes Klischee gehalten, aber es ist wahr: Mit dem Auto hast Du was zu bieten. Da kommen die Frauen zu Dir, ohne das Du was sagen musst. Wie die Schwester meiner Frau (siehe Bild), die mich regelrecht bekniete, einmal mitfahren zu dürfen. Und jeder, ob Beifahrer oder Beifahrerin, teilte mit mir das glückliche Grinsen danach.

Einmal, auf dem Autobahnstück zwischen Brunnthal-Dreieck und München-Giesing erlebte ich das größte Glück. Ein anderer Porsche Turbo kam herangefegt, bemerkte mich und scherte ein. Spielen gefällig? Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und gab Vollgas. Er hinterher. Dann ließ ich ihn vorbei, er wieder mich und so weiter. Ein Paarlauf bei Tempo 250. Im Geschwindigkeitstrichter bei der Einfahrt in die Stadt bremsten wir ab, fuhren kurz nebeneinander her und nickten uns zu. Mehr musste man nicht sagen.

Paarlauf bei Tempo 250

Klar ist, dass ich dieses Auto trotzdem niemandem empfehlen werde. Zu den Risiken und Nebenwirkungen dieses Geschosses muss man niemanden fragen, es genügt schlichter Menschenverstand.

Einfach gesagt ist so ein Porsche ein Motor mit etwas Auto drumherum, der Kofferraum ein besseres Handschuhfach. Und ich hoffe inständig, dass sich menschliche Wesen nur ganz selten hinter Fahrer und Beifahrer quetschen müssen. Über den Benzinverbrauch will ich nicht reden, er ist für die Beförderung von ein bis zwei Menschen heutzutage vollkommen indiskutabel.

Ein verwirrter Geist am Schluss

Das eigentliche Argument gegen den Kauf ist aber nicht das Auto selbst, sondern der Rest der Welt. Der ist einfach zu langsam für einen Porsche Turbo. Die auf Autobahnen aneinander vorbei schleichenden Normalbenziner, locker kurvende Landstraßen-Kapitäne oder einfach die Oma von nebenan - sie alle müssen einen Herzinfarkt bekommen, wenn man so ein Auto seine Kraft entfalten lässt.

Und wofür sonst hat man das Ding? Eben. Selbst ich, der Honda-Civic-Fahrer, habe geradezu nach wenig befahrenen Landstraßen oder freien linken Spuren auf der Autobahn gegiert, um das Auto "auszufahren". Wie sollte man nach dem Kauf auch nur annähernd objektiv entscheiden können, ob ein generelles Tempolimit eine gute Sache ist oder nicht? Nein, dieses Auto ist einfach unmöglich.

Schön war es aber schon.

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