Dioramen der fünfziger Jahre:Traumwelt im Hobbykeller

Der Modellautosammler Michael Paul Smith inszeniert seine Mini-Autos in selbst gebauten Miniaturstädten - so realistisch, dass man zwischen Original und Fälschung kaum unterscheiden kann.

S. Viehmann

Wenn Amerikaner sich aussuchen könnten, in welchem Jahrzehnt sie leben könnten, dann würden manche wahrscheinlich die guten alten Fifties wählen. Die Welt war noch überschaubar unterteilt in West und Ost, die Autos chrombeladen und prächtig, aus der Juke-Box tönte Rock'n'Roll.

Auch Michael Paul Smith aus der Nähe von Boston hat ein Faible für die fünfziger Jahre. Vor allem liebt er die Automobile dieser Zeit: "All die Nashs, Kaisers, Hudsons und DeSotos - es war wirklich eine faszinierende Design-Epoche", schwärmt Michael. Der Handwerker nannte einmal einen echten Studebaker Champion Baujahr 1950 sein Eigen, doch in schweren Zeiten musste er den Klassiker verkaufen. "Das war ein trauriger Tag", erinnert sich Michael. Ein kleiner Trost war die große Modellautosammlung, die er zusammengetragen hatte - mehr als 300 Miniaturen im Maßstab 1:24 füllten seine Vitrinen.

Und da standen sie nun. Während die Taschenbuch-großen Straßenkreuzer langsam verstaubten, kam Michael die zündende Idee: Warum nicht einmal ein passendes Ambiente für seine Sammlung schaffen? Wie in Amerika üblich hatte Michael Paul Smith schon zahlreiche Jobs in seinem Leben ausgeübt - im Architekturbüro, als Plakatkleber, als Archivar oder Textbuch-Illustrator. Einer der Jobs war das Arrangement von Museumsdekorationen gewesen. Künstlerische Gestaltung und mühevolle Detailarbeit waren ihm also nicht fremd.

Was dann nach unzähligen Stunden im heimischen Hobbyraum langsam Gestalt annahm, hat schon zahllose Menschen in Erstaunen versetzt. Ein Diorama, also ein plastisch wirkendes Schaubild, ist ja nichts Neues, doch Michaels Miniaturwelten sind so realistisch geraten, dass viele Besucher seiner Internetseite die Bilder davon für echte Aufnahmen aus den fünfziger Jahren halten. Ganz ohne digitale Bearbeitung, wie Michael betont, hat er seine kleinen Welten in Szene gesetzt.

Äußerst realistisch wirkende Kunstwelten

Das Geheimnis seiner Arbeit ist zum einen das Fotografieren unter freiem Himmel mit echten Wolken oder Bäumen im Hintergrund, und zum anderen eine enorme Detailversessenheit. Die Diner-Restaurants, Kinosäle und Drugstores seiner Miniaturstädte sind in wochenlanger Handarbeit aus Pappe, Holz und Metall entstanden. Auf den Straßen befindet sich Schmutz und Gummiabrieb, für Winterszenen verwendet Michael täuschend echten Kunstschnee. Noch mehr Tiefenwirkung entsteht durch dezenten Raucheinsatz - ein Trick, der auch im Kino verwendet wurde, als Trickaufnahmen noch mit Modellen und nicht am Computer entstanden.

"Ich war vor allem an diesen kleinen Dingen interessiert, die man immer übersieht. Gerade die sorgen aber dafür, dass etwas wirklich authentisch wirkt: Telefonmasten stehen nicht immer gerade, Autos sind nicht akkurat zum Bordstein geparkt", sagt Michael.

Die Modell-Straßenzüge sind jedoch nicht nur von außen täuschend echt nachgebildet. Im Frisiersalon warten originalgetreue Frisierstühle, ein Cola-Automat steht in der Ecke, der Wasserspender daneben und eine alte Zeitung liegt auf dem Stuhl. Die Restaurants sind bis zum letzten Donut und ganz im Stil der Zeit eingerichtet, in einem Schuhladen füllen 100 Schuhkartons die Regale - jeden einzelnen hat der Modellbauer aus dünner Pappe angefertigt.

Auf Michaels Internetseite sammeln sich haufenweise bewundernde Kommentare, und eigentlich läge es nahe, dass Michael sein Hobby zum Beruf macht. Das aber hat er nicht vor: "Ich würde es wahrscheinlich nie übers Herz bringen, die Dioramen zu verkaufen", sagt der 60-Jährige. So genießt er lieber die Anerkennung im Netz - und freut sich daran, dass zum Entspannen in turbulenten Zeiten seine kleine heile Welt nur ein paar Stufen entfernt ist.

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