Gebrauchtwagen:Der Handel mit Diesel-Autos ist nicht tot

Gebrauchtwagen eines Händlers in Sachsen - auch Diesel-Fahrzeuge lassen sich in Zeiten von Abgasskandal und Fahrverboten immer noch gut verkaufen.

2016 wurden in Deutschland über sieben Millionen gebrauchte Autos verkauft, so viele wie seit 1995 nicht mehr.

(Foto: dpa)

Zumindest, wenn es sich um einen alten und rostigen Seat Alhambra handelt. Das musste unsere Autorin feststellen, deren Handy einfach nicht aufhören wollte zu klingeln.

Von Christina Berndt

Eine Schönheit war er nie, der mausgraue Seat Alhambra mit seinen aschgrauen Sitzen. Geliebt haben wir ihn trotzdem. Kurz nach der Geburt unserer ältesten Tochter hatten wir ihn angeschafft, und er war das ideale Gefährt für eine wachsende Familie. Selbst für die Freunde der Kinder bot er genug Platz, und den Kinderwagen konnte man, ohne ihn zusammenzufalten, in den Kofferraum hieven. So etwas verbindet.

Nun aber wurde eine Reparatur nach der anderen nötig, der Abschied musste kommen. Es ist Rost am Auto, an Tür und Kotflügel hinten rechts, einen frühen Schaden hatten wir nie reparieren lassen. Das Leben auf der Straße hatte weitere Dellen und Kratzer hinterlassen, zuletzt diente der Seat als eigentlich überflüssiger Zweitwagen vor allem für den Weg in den Pferdestall, wo er eine wachsende Schicht aus Heu und Stroh in sich aufnahm.

Bis zu jenem Samstagabend im neuen Jahr. Zu später Stunde schnell noch eine Anzeige im Internet erstellt, ein paar Fotos dazu, die nichts schönen, und der klare Hinweis, dass dieser Diesel seine beste Zeit hinter sich hat. Dafür ein unschlagbar niedriger Preis: 1500 Euro. Viel zu lang schon hatten wir das aufgeschoben, aus Melancholie und auch ob der bangen Frage: Will unser langjähriges Familienmitglied mit seinen vielen Makeln überhaupt jemand haben?

Keine zehn Minuten später klingelt das Handy. Eine Nummer aus Berlin. Um diese Zeit? Etwa schon wegen des Autos?

Hallo? Hier Abbas A. Ich rufe an wegen dem Alhambra. Ist er noch da?

... wir haben die Anzeige für das Auto doch gerade erst ...

Ich kaufe. Mein Fahrer holt ...

Okay, äh, Moment, ich verstehe Sie so schlecht, da sind irgendwie noch mehr Anrufe in der Leitung, es klopft an ....

Mein Fahrer holt den Wagen morgen ab.

Wie, morgen? Sonntag? Wir würden ihn gerne vorher noch abmelden.

Ja. Gut. Dann Montag, 17 Uhr. Gehen Sie auf meine Website, da machen wir einen Vertrag. Geben Sie Ihre Adresse ein und Ihre Mail und dann abschicken.

Moment, bitte. Ich muss erst mal lesen, was ich da abschicke. Okay, 1500 Euro für unseren Alhambra. Ein verbindlicher Vertrag. Gut.

Und hören Sie: Ich werde Sie nicht mehr anrufen. Ich werde auch den Termin nicht ändern, wenn das einer behauptet, ist das ein Betrüger. Ich schicke Ihnen eine Mail mit dem Namen des Fahrers, lassen Sie sich seinen Ausweis zeigen, bevor Sie das Auto herausgeben.

Äh, okay, scheint ja ein hartes Geschäft zu sein bei Ihnen.

Ja, sehr hartes Geschäft!

Als wir auflegen, meldet das Handy 38 entgangene Anrufe. War wohl doch etwas billig, unser Alhambra - vor allem aber wird uns klar, dass der tatsächliche Markt für Autos sich sehr weit abseits der schicken Automobilmessen und immer noch weit genug von den hochglanzpolierten Autohäusern an deutschen Ausfallstraßen abspielt. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland mehr als sieben Millionen gebrauchte Autos verkauft, so viele wie seit 1995 nicht mehr. Neuzulassungen waren es im selben Zeitraum 3,4 Millionen. Deutscher Autohandel ist kein Geschäft mit Luxusgütern, deutscher Autohandel ist ein Basar.

Herr A. aus Berlin, das ergibt die Recherche nach dem Telefonat, ist einer jener Händler, die sonst ihre Kärtchen hinter die Scheiben aller möglicher Autos stecken: "Ich kaufe Ihr Auto - Zustand egal." Im Internet wird vor den erwartbaren Tricks gewarnt, den Preis bei der Übergabe zu drücken: Mal eben unters Auto gucken und sagen, die Stoßdämpfer seien hin, die Zylinderkopfdichtung sei kurz vorm Zerbröseln und der Auspuff klinge seltsam ...

Auch A.s Fahrer prüft am Montag akribisch. Er schaut und lauscht unter die Motorhaube und öffnet jede Klappe, die sich öffnen lässt. Die Karosserie sucht er mit einem Magneten ab, ob irgendwo gespachtelt oder nachlackiert wurde. Am Ende sagt er, wir hätten behauptet, das Auto sei nie lackiert worden - dabei gebe es hinten rechts eine ausgebesserte Stelle. Längeres, aufgeregt klingendes Telefonat mit Berlin auf Arabisch: Er könne nur 1300 Euro bezahlen. Wie jetzt? Wertminderung wegen einer angeblichen Stelle an einem durchgerosteten Kotflügel? Als wir ihn bitten zu gehen, zahlt er doch 1500 Euro.

Einen neuen, schicken Diesel zu verkaufen mag schwieriger geworden sein; einen alten, beuligen Diesel zu verkaufen offenbar nicht. Bloß blöd, dass man an ein solches Auto kaum noch von privaten Verkäufern kommt, weil Scharen von Gebrauchtwagenhändlern alles sofort abfangen.

Und was wird jetzt aus dem mausgrauen Seat? Altersschwache Mercedes oder BMW bekommen meist ein zweites Leben im Nahen Osten oder in Afrika, heißt es bei der Prüfgesellschaft Dekra. Einem Alhambra winkt kein zweites Leben, er wird wohl ausgeschlachtet. Dafür wird er Organspender werden. Er wird das Leben anderer alter Alhambras verlängern, und die können dann noch viele Kinder umherfahren. Wir wussten immer, dass er eine gute Seele hat.

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