Diebstahl:Wie das Netz Fahrraddiebe bekämpft

Szene aus der Fahrraddiebstahl-EM von WeLoveCycling.

Und dann macht es Puff: Wird bei der EM im Fahrradklau versucht, ein Bike zu stehlen, explodiert eine kleine Farbbombe.

(Foto: WeLoveCycling)

Immer mehr Fahrräder werden geklaut - die Polizei resigniert. Deshalb gehen Radler nun selbst gegen die Diebe vor. Mit GPS-Trackern, der Macht der Community und lustigen Youtube-Videos.

Von Thomas Harloff

Amsterdam, Prag, Rom: Drei europäische Hauptstädte voller Sehenswürdigkeiten und mit ganz eigenem Charme. Aber mit einem gemeinsamen Problem: Fahrraddiebstahl. Ein Internetvideo nähert sich dem auf sehr amüsante Weise. Das Online-Magazin WeLoveCycling.com rief kurzerhand die Europameisterschaft im Fahrradklau zwischen den drei Städten aus, ließ sich dabei einige Überraschungen einfallen und das Ganze launig kommentieren:

So witzig der Clip gemacht ist, verfolgt er doch ein ernstes Anliegen. Schaut man sich die aktuellen Statistiken an, gibt es einige deutsche Städte, die bei einer Neuauflage der Fahrraddiebstahl-EM gute Chancen auf den "Titel" hätten. Denn die Deutschen fahren nicht nur mehr Fahrrad und der Bestand wächst kontinuierlich - allein zwischen 2006 und 2014 von 67 auf 72 Millionen. Es werden auch immer mehr Fahrräder gestohlen. 2014 wechselten 340 000 Velos unfreiwillig den Besitzer - gut sieben Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und das sind nur die Diebstähle, die angezeigt wurden. Die Dunkelziffer dürfte enorm hoch sein.

Sehr geringe Aufklärungsquote

Doch selbst wenn die Polizei ermittelt, hat das kaum Aussicht auf Erfolg. Die Aufklärungsquote liegt im bundesdeutschen Durchschnitt nur bei knapp zehn Prozent. Fahrraddiebstahl scheint zu einer Straftat geworden zu sein, vor der die Polizei kapituliert. "Wir können Fahrraddiebstahl nur noch verwalten", sagte ein Ermittler aus Berlin, einer Hochburg des Raddiebstahls, in der die Aufklärungsquote mit vier Prozent besonders gering ist, der Welt.

Ein Massendelikt, das in der Wahrnehmung vieler ein Kavaliersdelikt ist. Diese Sichtweise begünstige den aktuellen Trend in Sachen Fahrraddiebstahl, meint der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). "Der Staat kann und darf eine solche Bagatellisierung nicht hinnehmen", schreibt der ADFC in einem Positionspapier.

Radfahrer helfen sich selbst

Weil sie sich auf die Polizei nicht verlassen können oder wollen, werden viele Betroffene selbst aktiv. Sie vertrauen mit Hilfe des Internets lieber auf die Macht der Masse als auf die der Behörden. Es beginnt mit Informationen, wie sich das Zweirad am besten sichern lässt, und hört mit aktiver Aufklärungsarbeit auf. Auf Seiten wie www.fahrrad-gestohlen.de oder der Facebook-Community "Stolen Bikes Berlin" lassen sich geklaute Räder mit allen relevanten Informationen registrieren, können Fotos gepostet und Suchanfragen gestellt werden.

Doch auch damit ist die Aussicht auf Erfolg begrenzt. Deshalb setzen immer mehr Radfahrer auf bestmögliche Prävention und versuchen, ihr Bike mit ausgefeilten Sicherungsmethoden zu schützen. Immer öfter werden digitale Technologien in das Sicherheitskonzept eingebunden. Zum Beispiel beim Velocate - einem Rücklicht, das einen GPS-Tracker enthält und mit einer Smartphone-App gekoppelt ist. Wird das Fahrrad geklaut, bekommt dessen Besitzer eine Push-Nachricht auf sein Handy und kann daraufhin per Echtzeitortung sehen, wo es sich befindet.

Vom Aufkleber zum Peilsender

Dass schon eine Registrierung Diebe abschrecken kann, zeigen die QR-Code-Aufkleber des Rostocker Start-ups "FahrradJäger". Die Idee: Ein potenzieller Dieb sieht anhand des Stickers, dass der Besitzer einer Community angehört, deren Mitglieder womöglich auf das Fahrrad aufpassen - und schreckt zurück. Falls das Rad doch gestohlen und später wiederentdeckt wird, kann der Besitzer über die im QR-Code hinterlegten Kontaktdaten informiert werden.

Die konsequente Weiterentwicklung dieses Gedankens will "FahrradJäger" zur Saison 2016 auf den Markt bringen: Ein kleines, im Vorverkauf 40 Euro teures schwarzes Kästchen namens Insect, das nicht nur Alarm schlägt, wenn ein Fahrrad entwendet wird, als Peilsender dient und den Besitzer des Rades über den Diebstahl informiert. Auch andere Mitglieder der Community bekommen eine Nachricht auf ihr Smartphone, falls sie sich gerade in der Nähe befinden. Entdeckt jemand das gestohlene Fahrrad, kann er nicht nur Polizei und Besitzer alarmieren, sondern sich zudem einen Teil des Finderlohns sichern - sofern einer ausgeschrieben wurde.

Lustige Youtube-Videos, GPS-Tracker, die Macht der Community: Die Ideen derjenigen, die gegen Fahrraddiebstahl vorgehen, sind vielfältig und kreativ. Und sie sind bitter nötig.

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