Die Zukunft von BMW:Mehr BMW, mehr Gewinn

BMW-Design

Schon jetzt umfasst das BMW-Angebot 46 Modellderivate - und es kommen noch einige hinzu.

(Foto: BMW Group)

BMW besetzt schon heute fast jede vorhandene Produktnische. Rentabel ist das nicht unbedingt, doch die Modellpalette wird noch weiter wachsen.

Analyse von Georg Kacher

Der neue Chef hat neue Ideen, der neue Entwicklungsvorstand soll sie umsetzen. Da geht es um Routineaufgaben wie die technische Überarbeitung des Motorenbaukastens, aber auch um Grundsätzliches, um strategische Weichenstellungen, um Investitionen. Analog zu Audi und Mercedes beschäftigt sich BMW mit dem Was, Wann und Wie viel in Bezug auf die drei großen Herausforderungen Digitalisierung, autonomes Fahren und alternative Antriebe. Das Was benennt die technischen Inhalte, das Wann den Ersteinsatz, das Wie viel die Stückzahlen und die nötigen Investitionen.

Soweit die Parameter, die BMW selbst bestimmen kann. Kaum einen Einfluss hat der Hersteller dagegen auf Gesetzgebung und Politik, auf die Wettbewerber, Zulieferer und Drittanbieter sowie auf Big Data. Wenn es gut läuft, reagieren die Entscheider rechtzeitig auf neue Rahmenbedingungen und technische Paradigmenwechsel. Wenn es schlecht läuft, brechen Stückzahlen weg, liegen Werke brach, verpasst die Marke den Anschluss und schrumpft - samt Premium-Anspruch - zum Nischenanbieter.

Kritische Situation bei Mini

Mit 46 Derivaten ist die BMW Group deutlich breiter aufgestellt als die Konkurrenz. Das dient der Marktabdeckung, aber nicht unbedingt der Rentabilität. Deshalb stehen Derivate wie der zweitürige Einser sowie die dicht an dicht positionierten Dreier GT/Vierer Gran Coupé und Zweier Active Tourer/Gran Tourer zu Recht auf dem Prüfstand.

Noch kritischer ist die Situation bei Mini, wo der Absatz zwar steigt, der Gewinn jedoch stagniert und die Strategie verkümmert. Statt der angekündigten fünf so genannten Superheroes regiert der Status quo - kein kleiner Sportwagen, kein MiniVan, kein Mini-Mini, kein Elektro-Mini, kein Design-Fortschritt. Auch die Studie, die in diesem Juli präsentiert wird, ist mit der vorhandenen Hardware nicht zu stemmen. Da ist sie wieder, die stets präsente Frage nach einem passenden Kooperationspartner. Mit Toyota entstehen der Z4-Nachfolger und Elemente der Brennstoffzellentechnik, doch der Deal für Mini lässt weiter auf sich warten. Dabei hätten die Japaner mit ihrer neuen Modulmatrix (TNGA) auch den einen oder anderen Spartipp für die BMW-Großserie in petto.

Licht und Schatten bei der M GmbH

Rolls-Royce kann das besser. Der nächste Phantom bekommt seinen eigenen Leichtbaukasten, die Zweitürer werden vom ostentativen XXXL-Format auf Ghost-Größe reduziert, der Cullinan-SUV ist kein aufgebrezelter BMW X7, sondern ein Ableger der neuen Aluminium-Architektur. Sobald die nächste Batterie-Generation induktiv geladen werden kann, darf man auf ein Phantom-Derivat mit i-Performance-Elektroantrieb hoffen.

Bei der M- GmbH bestimmt der Wechsel von Licht und Schatten das Bild. Der neue M2 driftet punktgenau ins Herz der Kunden, die Nachfolger von M5 und M6 sollen fahrdynamisch mächtig zulegen, die Sonderserien sind regelmäßig ausverkauft. Von der geplanten Vernetzung mit Project i ist allerdings noch nichts zu sehen, der von Ex-Chef Reithofer gekippte Supersportwagen kommt trotz diverser E-Alternativen mühsam voran, für die immer zahlreicheren Fronttriebler fehlt ein mindestens 300 PS starker M-Performance-Vierzylinder.

BMW arbeitet an einer neuen Elektroauto-DNA

Project i war extrem teuer und ist trotzdem Gold wert - als Efficient Dynamics hoch zwei und als Heiligenschein für die Marke. Die kaum bezahlbare Karbon-Nummer wird man in diesem Umfang nicht ewig weiterfahren können, aber den Wechsel zum intelligenten (sprich günstigeren) Materialmix vollzieht die Marke wohl erst 2022.

Wie die neue DNA aussieht, verrät vermutlich schon ein Jahr früher das Projekt iX, das als i5 und i6 seit geraumer Zeit über dem Entwicklungszentrum FIZ kreist. Der als geräumiger Crossover, dem Audi Q6 e-tron nicht unähnlich, beschriebene iX soll mit Hilfe einer innovativen stahlintensiven Flachspeicher-Architektur aus der Kostenfalle fahren. Noch eine Architektur? Dieser Schritt ist eigentlich nur dann finanzierbar, wenn sich künftige Elektroautos in die modularen Front- und Heckantriebsbaukästen eingliedern lassen. Dort treffen sie auf Rekuperationssysteme mit 12 und 48 V, neue Assistenzkonzepte und in den Autos der großen Klasse auf den Power-eDrive-Antrieb mit mehr E-Leistung als Verbrenner-PS.

Weiterhin Heckantrieb für Zweier Coupé und Cabrio

Der nächste Einser bedient sich von 2019 an der Gene des Zweier Tourer. Als Ersatz für den Zweitürer ist ein Zweier Gran Coupé mit gleicher Technik und verlängertem Radstand vorgesehen. Der ausschließlich mit Vierzylindern angebotene Viertürer wahrt damit den Respektabstand zum 3er. Warum die viertürige Einser-Limousine nicht gegen Audi-A3-Stufenheck und Mercedes CLA antreten darf, wissen nur die Vertriebsgötter vom Petuelring. Wenn es am Design liegt oder an der Materialqualität, dann wird sich der Wagen auch in China schwer tun.

Als Coupé und Cabrio bleibt der Zweier glücklicherweise dem Heckantrieb und damit auf Wunsch dem Reihensechszylinder treu. Weil diese beiden Kernwerte der Marke eher der Tradition verpflichtet sind, will BMW die Freude am Fahren künftig durch schnellere und sensiblere Regelsysteme aufwerten. Als zusätzliche X-Variante rollt im nächsten Jahr der X2 an der Start. Ein Jahr später macht sich der siebensitzige X7 auf die Jagd nach Audi Q7 und Mercedes GLS.

Die Hierarchie innerhalb der Modellpalette ist stimmig

Die Hierarchie innerhalb der Modellpalette ist weitgehend stimmig. Nur in der großen Klasse knirscht es vernehmlich im Getriebe. Kommt ein neues Topmodell? Ist dafür besagter Supersportwagen besser geeignet als ein luxuriöses viertüriges Coupé? Soll dieses Auto als Neuner oder als Achter in den Handel kommen? In welchen Punkten muss sich das Coupé von den Limousinen unterscheiden, um eine eigene Baureihe zu rechtfertigen? Wäre es nicht sinnvoller und lukrativer, den Sechser zum Achter zu adeln und den Viertürer als Achter Gran Coupé zu positionieren?

Wäre, hätte, könnte. Der nächste 6er ist als Coupé und Cabrio nahezu serienreif (2018), das baugleiche Gran Coupé folgt ein Jahr später, Ende der Diskussion. Aber das Beispiel Achter/Neuner zeigt, dass man in München nicht verlernt hat, Chancen zu erkennen und zu bewerten. Vielleicht beschert uns diese aufgeschlossene Denkweise eines Tages doch noch die Reinkarnation des 02, einen souveränen Z9, den i1 als autonomen Stromer für die Stadt und mit dem ZX6 eine Symbiose aus Crossover und Sportwagen.

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