Bußgelder:Verkehrssünder sollen härter bestraft werden

Autobahn 1 bei Köln

Während Raser hierzulande außerorts für eine Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 20 Kilometer pro Stunde nur 70 Euro zahlen, sind es in Italien 170 und in Norwegen gar 375 Euro.

(Foto: dpa)
  • Auf den neuen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wächst der Druck, noch mehr für die Sicherheit auf den Straßen in Deutschland zu tun.
  • Besonders "Geschwindigkeits-, Abstands- und Überholverstöße" sollten härter geahndet werden, fordert auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP).
  • Der Verkehrsanwalt Christian Janeczek aus Dresden hält das neue Flensburger Punktesystem für härter, aber nicht unbedingt für gerechter.

Von Thomas Harloff und Markus Balser, Berlin

Die Reform des Punktesystems der Flensburger Verkehrssünderkartei vor vier Jahren hat nicht so wie erhofft zu sicheren Straßen in Deutschland geführt. Zwar sank zwischen 2013 und 2016 die Zahl der Verkehrstoten von 3339 auf 3177. Gleichzeitig gab es aber viel mehr Unfälle, nämlich fast drei statt 2,4 Millionen. Daher wächst jetzt der Druck auf den neuen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), noch mehr für die Sicherheit auf den Straßen in Deutschland zu tun - vor allem durch abschreckendere Bußgelder.

"Das Verhältnis aus Gefahr und Bußgeldhöhe stimmt bei vielen Delikten nicht mehr", warnt Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag. Besonders "Geschwindigkeits-, Abstands- und Überholverstöße" sollten härter geahndet werden, fordert auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Deutschland sei bei solchen Verstößen ein Billigland. Während Raser hierzulande außerorts für eine Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 21 Kilometer pro Stunde nur 70 Euro zahlen, sind es in Italien 170 und in Norwegen gar 375 Euro. Es gehe darum, Bußgelder dort anzuheben, wo es gefährlich sei, sagt GdP-Vizechef Arnold Plickert. Helfen würde das vor allem, wenn auch intensiv kontrolliert würde. Dafür aber brauche die Polizei mehr Personal.

Seit der Ramsauer-Reform gibt es maximal drei Punkte für schwere Delikte

Die Reform des Flensburger Punktesystems geht auf den früheren Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zurück, der 2009 bis 2013 im Kabinett saß. Er wolle "Verkehrsrowdys zur Räson bringen", so beschrieb Ramsauer seinerzeit das Ziel der Reform. Deutschlands Straßen sollten sicherer werden. Und es sollte gerechter und transparenter zugehen.

Seither werden in der Flensburger Sünderkartei nur noch sicherheitsrelevante Verstöße mit Punkten geahndet. Verbotenes Einfahren in eine Umweltzone bringt heute keinen Punkt mehr auf dem Konto, gefährliches Telefonieren am Steuer dagegen schon, genauso wie Abstands- oder Tempoverstöße. Und noch etwas änderte sich: Früher wurden besonders schwere Delikte mit bis zu sieben Punkten bestraft, seit der Ramsauer-Reform gibt es maximal drei. Allerdings war der Führerschein früher erst bei 18 Punkten weg, inzwischen ist er das bereits bei acht.

Ramsauer wollte notorischen Dränglern, Rasern und alkoholisierten Fahrern schneller den Führerschein wegnehmen. "Das ist auch gelungen", sagt Julia Fohmann, Sprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR). Laut Statistik mussten 2017 rund 7500 Autofahrer den Führerschein abgeben; 2013 waren es nur 4000. Dass mehr Führerscheine entzogen werden, führt der ADAC vor allem darauf zurück, dass Fahrer weniger taktieren können als früher.

Experten sehen Ramsauers Versprechen nur zum Teil erfüllt

Bis 2014 konnte das Punktesammeln hinauszögern, wer Rechtsmittel einlegte; im Erfolgsfall so lange, bis alte Punkte verfielen und der Führerschein doch nicht weg war. Das geht heute nicht mehr, weil allein der Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes zählt. Zudem war früher der Spielraum größer, bis zu vier Punkte per Fahrschulseminar abzubauen. Heute lässt sich maximal ein Punkt tilgen. Kein Wunder also, dass die bis zu 600 Euro teuren Seminare kaum noch genutzt werden. Für DVR-Sprecherin Fohmann ist der Präventionsgedanke des alten Systems so verschwunden - zugunsten einer Bestrafung.

Experten sehen Ramsauers Versprechen nur zum Teil erfüllt. Zwar sind laut dem ADAC eine Million Menschen mehr als Sünder eingetragen als vor der Reform. Juristen, die sich im Auftrag ihrer Mandanten mit den Flensburger Punkten beschäftigen, sehen darin aber keinen Gewinn. Der Verkehrsanwalt Christian Janeczek aus Dresden hält das neue System für härter, aber nicht unbedingt für gerechter. Viele Verstöße, die früher mit einem Punkt geahndet wurden, sind auch heute Ein-Punkt-Vergehen, allerdings auf einer engeren Skala: Der Führerschein ist nun ja schon bei acht Punkten weg.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war fälschlicherweise angegeben, dass eine Tempoüberschreitung von 20 km/h außerorts ein Bußgeld von 70 Euro nach sich zieht. Tatsächlich wird ein Bußgeld in dieser Höhe erst ab 21 km/h Überschreitung fällig..

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