Deutschland-Premiere das Marke Infiniti:Alternative Kiste

Seit 20 Jahren in Amerika schon mobil, startet im Herbst die japanische Luxusmarke Infiniti auch auf dem deutschen Markt: ein Reife-Check.

Georg Kacher

Neu ist die Marke Infiniti nur für Europa. In Amerika macht der noble Nissan-Ableger schon seit rund zwanzig Jahren mobil gegen Lexus, gegen die Premium-Europäer und gegen Cadillac/Lincoln. Bereits das erste Modell wurde dabei aus dem Stand zur Ikone: der Q45, eine herrlich dynamische und unkonventionelle Limousine, die ohne klassischen Kühlergrill auskam und deren Zündschlüssel 100 Gramm schwer in der Hand lag.

Deutschland-Premiere das Marke Infiniti: Das G-Modell von Infiniti im Format des BMW Dreier gibt es als Coupé (Bild) und als Limousine.

Das G-Modell von Infiniti im Format des BMW Dreier gibt es als Coupé (Bild) und als Limousine.

(Foto: Foto: Infiniti)

Erst 2013 will Infiniti schwarze Zahlen schreiben

Das war mutig, aber leider wenig erfolgreich in einer Welt, in der der traditionell-biedere Lexus LS als Schnäppchen gegen Mercedes & Co. punktete. Infiniti setzte mit dem kleineren J30 noch einmal auf ein Auto ohne Déjà-vu-Etikette und ohne bewährte Proportionen, doch dann gab man klein bei und wechselte demütig zum Mainstream. Ohne freilich Erfolg zu haben. Immerhin: Während Xedos, die Edelmarke von Mazda, schon nach der ersten Modellgeneration scheiterte, hielt Infiniti durch und etablierte sich im Kielwasser von Lexus und Acura (dem Premium-Label von Honda) als dritte Luxus-Kraft aus Fernost. Die endgültige Trendwende brachte 2003 der FX, eine gelungene Mischung aus viertürigem Sportcoupé und SUV.

Die zweite FX-Generation, die auf dem Genfer Salon 2008 debütierte, ist daher auch die logische Speerspitze für die Europa-Offensive von Infiniti, die im Herbst startet und die 2010 abgeschlossen sein soll. Das Ziel sind 78 Stützpunkte und ein Absatzvolumen von rund 7500 Autos. Spätestens 2013, wenn eine vierte Modellreihe das Angebot bereichert hat, will man mit 25.000 verkauften Autos pro Jahr schwarze Zahlen schreiben.

Dass Infiniti erst jetzt nach Europa kommt, hat viele Gründe: die enormen Kosten für die Einführung einer neuen Marke, das auf Amerika zugeschnittene Modellprogramm und das Fehlen eines Dieselmotors - vom Hybrid ganz zu schweigen. Die Frage ist, ob das aktuelle Drei-Produkte-Portfolio wirklich schon reif für die alte Welt ist. Im Prinzip schon, lautet die Antwort, aber so richtig wettbewerbsfähig dürfte der Newcomer erst Mitte 2009 sein, wenn der neue V6-Diesel und kurz darauf die erste Hybrid-Option startklar sind.

Alternative Kiste

Drei Modellreihen müssen vorläufig genügen, denn Europa bekommt weder den in zweiter Instanz leider weichgespülten M35/M45-Cruiser noch das fette und durstige QX56-SUV. Stattdessen setzen der Konzernchef Carlos Ghosn und sein oberster Stratege Patrick Pelata auf den FX, den etwas kompakteren EX und auf das G-Modell im Format des BMW Dreier: Den G37 gibt es als viertürige Limousine und als schickes Coupé.

Deutschland-Premiere das Marke Infiniti: Der EX ist das kompaktere SUV von Infiniti.

Der EX ist das kompaktere SUV von Infiniti.

(Foto: Foto: Infiniti)

Kostenloser Hol- und Bringservice sollen Standard sein

Der Charme dieses Trios besteht nicht zuletzt darin, dass alle drei Fahrzeuge auf der gleichen FM-Basis aufbauen. FM steht für Front-Mittelmotor und damit für eine optimale Achslastverteilung. Selbst unter den Crossover-Karossen verbirgt sich eine entsprechend leichte Pkw-Plattform. Das sollte ein Garant sein für ambitionierte Abgas- und Verbrauchswerte, doch mangels Diesel kommen ausschließlich kräftige V6- und V8-Benziner zum Einsatz, die noch indirekt einspritzen und ohne Efficient-Dynamics-Zutaten auskommen müssen.

Wie etabliert man eine Marke, die keiner kennt? Man kann viel Geld in die Hand nehmen, kann über niedrige Preise rasch große Stückzahlen unter das Volk bringen. Man kann aber auch auf die Zugkraft der Produkte vertrauen und diese Zugkraft durch eine noch nie dagewesene Qualität der Kundenbetreuung unterstützen.

Auf diese Option setzt Infiniti. Weil das 78 Händler kleine Netz zwangsläufig große Entfernungen zu den Wohnorten der Käufer bedingt, soll ein kostenloser Hol- und Bring-Service zum Standardrepertoire gehören. Abschleppen bei einer Panne samt Ersatzauto gratis versteht sich ebenfalls von selbst. Probefahrt? Natürlich am Ort und zeitlich flexibel. Wartung und Garantie? Im Preis enthalten und großzügiger geregelt als bei der deutschen Konkurrenz.

Das klingt gut, ist aber in der Praxis trotzdem eine grandiose Herausforderung. Denn wie man hört, soll der gesamte deutsche Markt von nur zwei Händlern abgedeckt werden, die zusammen 13 Stützpunkte einrichten wollen. Da fällt zwangsläufig das Stichwort vom Focus auf die Metropolen und deren Einzugsgebiete. Auf dem flachen Land wird Infiniti wohl noch längere Zeit zur großen Ausnahme im Straßenbild gehören.

Alternative Kiste

Deutschland-Premiere das Marke Infiniti: Infiniti-Flaggschiff: der FX. Die Formel große Räder und kleine Fensterfläche wird ergänzt durch eine mutig geschwungene Dachlinie und durch einen muskulösen Wagenkörper.

Infiniti-Flaggschiff: der FX. Die Formel große Räder und kleine Fensterfläche wird ergänzt durch eine mutig geschwungene Dachlinie und durch einen muskulösen Wagenkörper.

(Foto: Foto: Infiniti)

Dafür sollen Kunden mit City-nahem Wohnsitz besonders verwöhnt werden. Zuständig dafür ist der Vertriebspartner, der bei Infiniti "Boutique Hotel" heißt. Dort kauft man kein Auto, sondern erlebt die sogenannte Total Ownership Experience, die umfassende Kunden-Erfahrung - ganzheitlich, nachhaltig und sehr zeitgeistig. Das Boutique Hotel besteht aus drei Abteilungen. In der Lobby wird der Kunde begrüßt, darf Mantel und Schirm ablegen und seine Wünsche nennen. In der Lounge werden im zweiten Akt Kaffee und Kaltgetränke gereicht, man entspannt auf der Ledercouch beim Studieren von Hochglanzprospekten und wird ganz behutsam vom persönlichen Berater in die neue Markenwelt eingeführt.

Überkomplette Hightech-Ausstattung

Erst dann geht es in die Gallery, wo die Autos wie kostbare Kunstwerke perfekt ausgeleuchtet und emotional inszeniert darauf warten, bestaunt und berührt zu werden. Der Verkäufer sieht sich nicht als Unterschriftenjäger, sondern als Freund, der selbst dann die Treue hält, wenn der Kunde eines Tages zur Konkurrenz zurückkehren sollte.

Aktuell kennen nur 30 Prozent der europäischen Autofahrer die Marke Infiniti, die sie am liebsten Infinity nennen würden, aber diese Schreibweise ist bereits für einen amerikanischen Hi-Fi-Gerätehersteller geschützt. Die Überzeugungsarbeit, mit der man von der Genfer Zentrale aus die Einführung steuern will, müssen vor allem die Produkte leisten.

Flaggschiff ist der FX. Die Formel große Räder und kleine Fensterfläche wird ergänzt durch eine mutig geschwungene Dachlinie und durch einen muskulösen Wagenkörper, der in manchen Details allerdings unnötig aufgebrezelt wurde. Das Platzangebot ist knapper als im BMW X6, aber dafür überzeugt das Ambiente mit den rautenförmig abgesteppten Ledersitzen, der stimmigen Mischung aus Holz, Alu und Klavierlack sowie der überkompletten Hightech-Ausstattung.

Alternative Kiste

Statt mit Luftfederung zu beeindrucken, lockt das Sportmodell Technikverliebte mit einer Hinterradlenkung, die bei hohem Tempo stabilisierend eingreift und die unübertroffene Wendigkeit auf kurvigem Geläuf verspricht. Der 390 PS starke 5,0-Liter-V8 versteht sich blind mit der Sieben-Gang-Automatik und die Fahrleistungen (0-100 km/h in 5,5 Sekunden, 245 km/h) liegen auf Sportwagenniveau.

Doch es gibt auch Schattenseiten: Der Verbrauch ist in der Praxis mit knapp 18 Liter zu hoch, die serienmäßigen 21-Zöller konterkarieren den Federungskomfort, die Bremse ist zu schwach und zu wenig standfest. Diese Aussagen beschränken sich auf die in Amerika gefahrene US-Version - für Europa wollen und müssen die Infiniti-Techniker nachbessern.

Fehdehandschuh für den BMW

Während der FX preislich auf Augenhöhe mit BMW X5/X6 positioniert werden soll, sieht sich der kleinere EX als natürlicher Feind des X3. Der G37 führt den Fehdehandschuh für den 335i bereits in der Türtasche mit. Von BMW haben sich die Japaner das Handling, die Straßenlage und die Eckdaten des Motor-Getriebe-Pakets abgeguckt. Nur beim Komfort waren sie zu nachlässig, denn alle Infiniti rollen knochentrocken ab, reagieren gereizt auf Querfugen und liegen mit kurzen Wellen generell im Clinch.

Der 305 PS starke V6 kann es dagegen ohne weiteres mit dem aufgeladenen Reihensechszylinder aus München aufnehmen, die Sieben-Stufen-Automatik ist die Rolex unter den Getrieben, und das FM-Chassis hat ebenfalls durchaus seine Talente. Außerdem ist das Infiniti-Design kein optisches Vabanque-Spiel, sondern eine durchgängig stimmige Angelegenheit, innen wie außen, auch in Bezug auf Materialanmutung und Verarbeitungsqualität.

Natürlich braucht es Mut, einen guten Abschluss und einen Händler in der Nähe, um Infiniti als Alternative in Erwägung zu ziehen. Für die Marke sprechen die sympathisch-kompetenten Autos und das bewusste Anderssein in Auftritt und Inhalt. Ohne garantierten Gebrauchtwagen-Rücknahmepreis würden wir allerdings wohl auf die Diesel warten - und vielleicht sogar auf die vierte Modellreihe. Vor allem dann, wenn es sich dabei, wie man munkelt, um ein viertüriges Coupé mit der Technik des Nissan GT-R handelt.

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