Deutsche Bahn: Neue Doppelstockwagen:Auf einer neuen Ebene

Mehr Beinfreiheit, bessere Handyverbindung, Einstiegshilfen für Rollstuhlfahrer, Familienbereich mit Wickeltisch: Doppelstockzüge sollen den Intercity wieder attraktiv machen.

Klaus C. Koch

Die Erfahrung zeigt, dass bei der Deutschen Bahn gerne um den heißen Brei herum geredet wird. Ulrich Homburg aber, im Vorstand der Bahn für den Personenverkehr zuständig, zeigte sich kürzlich verblüffend offen: "Die Intercity-Flotte", so räumte er ein, "ist in einem schlechtem Zustand".

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Hoch zwei: 469 Sitzplätze werden sich in den neuen IC-Doppelstockzügen der Deutschen Bahn finden.

(Foto: DB Systel GmbH)

Ein Zugeständnis, das Homburg sich leisten kann, denn: Von 2013 an soll durch den Einsatz von 27 nagelneuen IC-Zügen mit Doppelstockwaggons, die für bisher vernachlässigte Randgebiete im bundesweiten Schienennetz gedacht sind, alles besser werden.

Bezogen auf die Gesamtmenge des in die Jahre gekommenen Rollmaterials ist das zwar zunächst nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber: Die 360 Millionen Euro für 27 Loks und 135 Doppelstockwaggons sollen nur der Anfang von insgesamt zwölf Milliarden Euro sein, die in den kommenden fünf Jahren in neues Rollmaterial investiert werden sollen.

Die bisherigen IC-Züge, grau in grau und nicht zu verwechseln mit dem Intercity Express ICE 2, der im letzten Sommer für das Malheur mit den Klimaanlage verantwortlich war, sind mit Millionen von Kilometern auf dem Buckel längst nicht mehr der Renner.

Als mittleres Segment zwischen Regional- und Hochgeschwindigkeitsverkehr gehören sie zum Fernverkehr der von Pleiten, Pech und Pannen geschüttelten Bahn. Doch in den zurückliegenden Jahren wollte sich um diesen Mittelbau kaum jemand kümmern. Und im Vergleich zu den Hochgeschwindigkeitsstrecken kommt der Intercity bei den Städteverbindungen nur mit mäßigem Tempo voran.

An Geschwindigkeiten um 200 Kilometer pro Stunde war 1971 gedacht, als mit dem IC "das erste Fernzug-System der Welt mit regelmäßigem Zwei-Stunden-Takt" - so der Slogan - eingeführt wurde. Weil dann aber das Geld für den Ausbau der Trassen fehlte, kamen die Intercity-Züge in der Regel nicht über 160 km/h hinaus.

Während Automobilhersteller ihre Fahrzeuge oft so lange einer kontinuierlichen Aufwertung unterziehen, bis aus dem Kleinwagen ein Mittelklassefahrzeug und aus der Mittelklasse eine Limousine wird, ging die Deutsche Bahn den umgekehrten Weg. Beim Intercity wurde der Speisewagen durch Bord-Bistros ersetzt, um Personal einzusparen. Wagenmaterial wurde vom InterRegio übernommen.

Lange, zu lange Mängelliste

2003 kamen dann zwar elektronische Anzeigen für die Sitzplatzreservierung und Bildschirme für Fahrgast-Informationssysteme hinzu. Aber die letzte umfassende Modernisierung der Intercity-Reihe liegt bereits 15 Jahre zurück. Und so ist auch für DB-Vorstandsmitglied Ulrich Homburg die Inneneinrichtung der IC-Waggons "nicht mehr zeitgemäß". Die Sitze sind abgenutzt, elektronische Anzeigen verkratzt; obendrein ist das Bahnpersonal meist damit beschäftigt, "ständig mit Macken klar kommen zu müssen", wie es ein Zugbegleiter verärgert formuliert.

Die Mängelliste, das räumt auch Homburg ein, wird immer länger. Im Umgangsdeutsch der Techniker klingt das, was wartenden Fahrgästen am Bahnsteig aufgrund des häufigen Ausfalls kompletter Züge mitunter die Zornesröte ins Gesicht treibt, dann so: Von "eingeschränkter Verfügbarkeit" und "altersbedingt überdurchschnittlicher Ausfallrate" ist die Rede.

Die 135 neuen Doppelstockwagen, die von 2013 an den Intercity wieder beflügeln sollen, sind technisch auf aktuellstem Stand und mit Komfortmerkmalen ausgestattet, wie sie der Reisende sonst nur im ICE erwarten kann. Die Zweiklassengesellschaft wird auch hier nicht aufgelöst, aber: Von den 70 Plätzen in der 1. Klasse ist ein hoher Anteil mit Tischen ausgestattet, unter denen mit 91 Zentimetern Beinfreiheit sogar noch ein Zentimeter mehr Platz findet als beim ICE.

Es gibt Mobilfunk-Repeater, um die Handyverbindung weniger oft abreißen zu lassen, mehr Bildschirme für die Fahrgastinformation und Einstiegshilfen für Rollstuhlfahrer. Die Türen der neuen Doppelstockwagen werden mehr als doppelt so breit wie die der bisherigen IC-Waggons.

Und mit einem großzügig gestalteten Familienbereich samt Wickeltisch und viel Platz zum Spielen in Sichtweite zum Abteil des Zugchefs scheint das Ikea-Zeitalter nun endlich auch für Bahnreisende angebrochen zu sein. Nur das Bordrestaurant wird es nicht mehr geben - stattdessen sollen mobile Serviceteams im ganzen Zug Snacks und Getränke am Platz servieren.

Wirklich revolutionär wirkt der Kauf der Doppelstockwagen für den Intercity-Fernverkehr trotz allem nicht. Denn während die neuen IC-Waggons zunächst nur auf Tempo 160 ausgelegt sind und die Deutsche Bahn 185 km/h Höchstgeschwindigkeit anstrebt, verkehren solche Züge zum Beispiel in der Schweiz längst mit Tempo 200. Und in Frankreich sind auf Hochgeschwindigkeitsstrecken bereits 160 TGV-Doppelstockzüge in Betrieb.

Die deutschen Ingenieure aber sind noch immer damit beschäftigt, die Doppelstöcker der Bahn für höhere Geschwindigkeiten im Windkanal erst zu testen.

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