Der neue Traum vom alten Manta:Tiefergelegt und hochgestapelt

Opels Betriebsratschef Klaus Franz wünscht sich den Manta zurück. Dabei ist die Zeit der Prollschleuder mit Blondine und Fuchsschwanz nun wirklich vorbei.

Holger Gertz

Grundsätzlich ist der Mensch ein sentimentales Wesen, er will gern die Dinge wiederhaben, die er aus seiner Jugend kennt. Ein Beispiel: der Grünofant.

Der Grünofant ist ein Stil-Eis aus den siebziger Jahren, Vanillekern mit Waldmeistermantel. Irgendwann wurde es aus dem Sortiment genommen, die allermeisten der jüngeren Menschen wissen nichts mehr vom Grünofanten, aber ein paar der Älteren erinnern sich an ihn und machen im Internet das entsprechende Geschrei: Bei Facebook gibt es die Gruppe "Grünofant: Er steht uns zu", eine zu diesem Zweck eingerichtete Grünofantenwiederbeschaffungskommission kämpft für das Eis in seiner Urform aus dem Jahre 1975.

Die Vergangenheit ist - in der kollektiven Erinnerung - wärmer, entspannter als die Gegenwart, die grundsätzlich als kalt und hektisch wahrgenommen wird. Das alles hat mit der Realität nichts zu tun, ist aber ein Gefühl, mit dem man kalkulieren kann. So erklärt sich, dass der Betriebsratsvorsitzende von Opel, Klaus Franz, gerade angeregt hat, man solle den Manta wieder bauen. Wenn man jüngere Leute anlocken will, braucht man den Manta, sagt Klaus Franz.

Blondine und Fuchsschwanz

Das Interessante an dieser Strategie - und der große Unterschied zur Grünofantenangelegenheit: Der Betriebsratsvorsitzende will nicht die Vergangenheit verklären, er will sozusagen die Zukunft gestalten, indem er dem Publikum den Manta wieder zur Verfügung stellt. Er legt all seine Hoffnung in dieses Auto, ein kurzer Blick in seine Biographie erlaubt Rückschlüsse, warum das so ist.

Klaus Franz ist 1952 geboren, er trägt einen Schnauzbart und hat womöglich schon einen getragen, als er in den Siebzigern bei Opel als Lackierer angefangen hat. Es ist davon auszugehen, dass er damals auch Mantas lackiert hat, denn die waren eine große Nummer zu der Zeit. Ein schnelles Auto, das man drinnen mit Blondinen sowie draußen mit Fuchsschwänzen ausstaffieren konnte.

Das Gesicht von Opel

Es gibt eine Beziehung zwischen Menschen wie Klaus Franz und dem Opel Manta, beide sind in gewissem Sinne Symbole. Franz gilt, seit er während der Opel-Krise in zahlreichen Talkshows die schlechteste Figur nicht gemacht hat, als eine Art Gesicht von Opel. Der Manta war das Fahrzeug der Generation Proll.

Man begegnete Mantafahrern in den Siebzigern, Achtzigern im Stau, im Ruhrgebiet an der Frittenbude oder überall im Fußballstadion. Menschen mit Vokuhila-Frisuren und Cowboystiefeln, die die Witze, die über sie gemacht wurden, gern selbst weitererzählten. "Was bleibt übrig, wenn ein Manta ausbrennt? Goldkettchen und eine heulende Friseuse." Es wippte der Schnauzbart, es gluckste die Friseuse, die gern Samanta hieß oder sich so nannte. Der Mantafahrer hatte genug Distanz zu sich selbst, er hängte seinen Arm aus dem Autofenster, fuhr zum Drive-in bei McDonald's und gab eine Bestellung auf.

"Ey, ein Hähnchen, aber zackidalli!" Chicken? "Nee sofort."

Heute sind Prolls überall

Der Proll der Achtziger war immer auch ein Revolutionär, er brüllte - wie Kommissar Schimanski - so oft "Scheiße" in einem Tatort, bis der Rundfunkrat sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen hatte. Er trug - wie Thomas "Icke" Häßler - die Haare, wie ein Proll sie zu tragen hat, spielte aber Fußball wie ein Halbgott. Im Gegensatz zu den prollhaften Fußballern der Gegenwart - Lukas Podolski - legte er sich nicht dauernd mit Journalisten an, weil die nicht auf den Gedanken kamen, ihn dauernd zu fragen.

Wenn jetzt Klaus Franz, Betriebsratsvorsitzender von Opel, den Manta wiederbeleben will, weil er glaubt, die jungen Leute fänden das toll, dann übersieht er, dass die Zeiten sich doch sehr geändert haben. Man begegnet den Prolls inzwischen nicht mehr nur gelegentlich, man sieht sie dauernd im Fernsehen.

Was war gleich nochmal ein Transvestit?

Sie streiten sich in den Gerichtssendungen des Billigfernsehens, sie treten beim früher mantafahrerartig frisierten Bohlen auf, sie werden in sogenannten Comedysendungen parodiert von Menschen, die es in Wahrheit auch nicht besser wissen. Und wenn ein Außenreporter eine Straßenumfrage macht und dabei Fragen von der Art stellt: Was ist ein Verkehrsmittel, a) Transrapid oder b) Transvestit - dann müssen die meisten doch ziemlich lange nachdenken.

Klaus Franz sollte Abstand nehmen von seiner schönen Idee. Die Zeit des Mantas ist vorbei, die Realität hat ihn eingeholt. Und wenn heute Witze erzählt werden wie dieser hier: "Warum haben die Mantas einen Airbag hinter dem Fahrersitz? Damit den Fahrern beim Unfall die Boxen nicht in den Nacken fallen" - dann entlockt das der Jugend nur ein sehr nach innen gerichtetes Lächeln.

Wobei: Es gibt schlechtere Witze.

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