Debatte über Pkw-Maut:Der Energie-Zickzack

Die Diskussion über die Energiewende nach Fukushima erfüllt alle Voraussetzungen, die Bürger zu verwirren. Neuestes Beispiel: die Debatte über die Straßenmaut. Aber diese Abgabe gehört zu jenen Bausteinen, die nicht hineinpassen in ein Gesamtkonzept dafür, wie die deutsche Wirtschaft grüner werden könnte. Statt immer neuen, hektischen Vorschlägen brauchen Deutschland und Europa etwas ganz anderes.

Alexandra Borchardt

Einige haben Grün gewählt, andere finden Grün zumindest sympathisch, und wieder andere haben Parteien gewählt, die heute grüner reden, als es manch ein Grüner vor zehn Jahren je gewagt hätte. Die Deutschen sind also vorbereitet auf einen ökologischen Umbau der Wirtschaft. Mittlerweile dämmert es vielen Bürgern, dass da noch einiges auf sie zukommt: Wird ihnen doch täglich eine neue Idee dafür präsentiert, wie sie künftig mit ihrem Geld die Erde, die Umwelt, den Staatshaushalt oder zumindest den Straßenbauetat retten sollen.

Waren es in der vergangenen Woche die Dieselsteuer-Pläne der EU und davor die Debatte um den ungeliebten Biosprit E 10, ist seit Wochenbeginn wieder einmal die Straßenmaut in der Diskussion. Wie schon zuvor wird sie dort wohl nicht lange bleiben, und das ist gut. Denn diese Abgabe gehört zu jenen Bausteinen, die auch mit viel Mühe nicht hineinpassen in ein Gesamtkonzept dafür, wie die deutsche Wirtschaft grüner werden könnte. Die seit Fukushima entbrannte Diskussion über die Energiewende erfüllt alle Voraussetzungen dafür, die Bürger als Financiers des Staates und als Konsumenten hochgradig zu verunsichern.

Wird Strom teurer oder Diesel? Wie belastet energetische Sanierung das Mietbudget? Wie treiben steigende Energiepreise den Preis von Konsumgütern? Und nun auch noch: Wird eine Maut den Autofahrer fürs Fahren bestrafen? All das sind Fragen, die mitten in die Lebensqualität eines jeden Einzelnen hineinreichen.

Die hektischen Reaktionen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die wahlweise beschwichtigen ("wird schon nicht so teuer"), warnen ("wird unbezahlbar") oder vom Zukunftsnutzen schwärmen ("in 15 Jahren rechnet sich das") zeigen, dass das Problem erkannt ist. Zur Beruhigung tragen sie nicht bei.

Die Maut hat zwei Sorten von Befürwortern. Es gibt jene, die meinen, Deutschlands Straßen bräuchten dringend eine Art Schutzprogramm, und der Gerechtigkeit wegen sollten das doch deren Nutzer finanzieren. Und dann gibt es jene, denen jeder Weg recht ist, das Autofahren im Sinne einer wirkungsvollen Umweltpolitik teurer zu machen. Schließlich verschmutzen Autos die Luft, belasten das Klima, verschlingen Energie und wertvolle Flächen, ohne dass die Verursacher dieser Probleme bislang angemessen dafür zahlen würden.

Der ersten Pro-Maut-Fraktion lässt sich entgegnen, dass sich umfassender Straßenausbau nicht mit einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik verträgt. Es ist eine Binsenweisheit, dass ein Mehr an Straßen mehr Verkehr bringt. Das kann nicht im Sinne der derzeit so heiß ersehnten Energiewende sein. In deren Mittelpunkt sollte stehen, Verkehr zu vermeiden, oder ihn in Richtung Bahn zu kanalisieren, die in etwa das Gleiche an Energie verbraucht, egal ob 20 oder 220 Menschen im Zug sitzen.

Die Maut erfordert hohe Investitionen

Außerdem widerspricht es dem deutschen Verständnis von Staatsfinanzierung, wenn jeder Minister, der etwas klamm ist, eine extra Idee für zweckgebundene Abgaben ersinnt. Es ist ein wichtiges Prinzip, dass die vom Volk gewählten Repräsentanten darüber entscheiden, wie das Geld dieses Volkes jeweils eingesetzt werden soll. Würde jeder Bürger seine Abgaben mit dem Etikett Straße, Schule oder Krankenhaus versehen, müsste Deutschland mit weit weniger Staat auskommen.

Der zweiten Pro-Maut-Fraktion ist zu sagen: Aus Umweltgründen spricht viel dafür, Autofahren je nach Fahrleistung teurer zu machen. Doch dies regelt der Benzinpreis am effizientesten - wenn auch nicht aus Politikersicht, weil Kraftstoffsteuern höchst unpopulär sind. Keine andere Maßnahme lässt den Autofahrer so wirksam über Modellwahl und Fahrgewohnheiten nachdenken wie der allwöchentliche Besuch an der Zapfsäule. Eine Maut würde lediglich mit Blick auf jene Autofahrer nützen, die im billigeren Ausland tanken und Deutschland als Transitland benutzen.

Soll die Maut gerecht sein, erfordert sie hohe Investitionen, die derzeit - Stichwort Energiewende - anderswo nötiger wären. Sie ist bürokratisch und datenschutzrechtlich kompliziert, denn nicht jeder möchte genau dokumentiert haben, wohin er wann gefahren ist. Jahrespauschalen hingegen berücksichtigen weder den Verbrauch noch die Umweltfreundlichkeit des Autos, wie dies die KFZ-Steuer zumindest versucht.

Deutschland und Europa brauchen eine schlüssige, konsistente Energiepolitik, die jeden einzelnen Energieverbraucher danach belastet, wie viel er konsumiert - sei es den Autofahrer, die Industrie oder den Hausbewohner. Nur über eine solche echte ökologische Steuerreform zahlen sich Investitionen in mehr Effizienz aus. Und die werden für eine umweltverträgliche Energiepolitik dringend gebraucht.

Manches an der Energiewende wird den Konsumenten weh tun, aber Schmerzen lassen sich bekanntlich besser aushalten, wenn man die Krankheit kennt und also weiß, irgendwann sind die Schmerzen vorbei - und hinterher geht es einem vielleicht besser als je zuvor. Wichtig ist deshalb ein breiter gesellschaftlicher Dialog über das Leiden und die passende, also eine erträgliche und ertragreiche Therapie. Ein politischer Zickzackkurs wird der Behandlung nur schaden.

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