Das größte Solarschiff der Welt:Auf der grünen Welle

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Sonnenenergie statt Schweröl: In Kiel wurde mit der Tûranor PlanetSolar das bislang größte Solarschiff der Welt zu Wasser gelassen.

Frank Behling

Der Seeverkehr ist die Hauptschlagader der Weltwirtschaft - und das bleibt nicht ohne Folgen für die Umwelt. Rund 1,12 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, so sagen es Zahlen der Vereinten Nationen (UN), bläst die Handelsschifffahrt Jahr für Jahr weltweit in den Himmel. Und so suchen Reeder und Werften seit Jahren nach Alternativen zum Verbrennen von Schweröl - zum Beispiel riesige Drachen, die das Schiff ziehen.

Aber wenn es nach Immo Ströher geht, soll zukünftig Sonnenenergie die großen Schiffsdiesel ersetzen: Der hessische Unternehmer ließ bei der Knierim-Werft in Kiel einen 85 Tonnen schweren Katamaran bauen, der ausschließlich durch die Kraft der Sonne die Welt umrunden soll. Vor wenigen Tagen wurde die Tûranor PlanetSolar in Kiel zu Wasser gelassen.

Im Jahre 2008 hatte sich Solar-Pionier Ströher mit den Werftchefs Gunnar Knierim und Steffen Müller zusammengesetzt, um seine Vision zu diskutieren. Schließlich beauftragte er die Knierim-Werft mit dem 12,5 Millionen Euro teuren Neubau.

Die auf Kunststoffrümpfe und wegweisende Entwicklungen spezialisierte Werft baute dann in nur 14 Monaten aus 20,6 Tonnen Kohlefaser, elfeinhalb Tonnen Schaumkern und 23 Tonnen Harz das größte Solarschiff der Welt. Da die eigene Halle zu klein war, bezog die Werft eine Halle beim großen Nachbarn Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW). Dort ist man führend im Bau von U-Booten - und zeigte an der Technik der Tûranor PlanetSolar Interesse.

Für die U-Boot-Bauer waren naturgemäß weniger die Solarpaneele interessant, sondern vor allem die innovative Speichertechnik. Denn an Bord der Tûranor PlanetSolar wird der durch Sonnenenergie gewonnene Strom in sechs Blöcken mit je zwölf Batterien mit zusammen 648 Zellen neuester Lithium-Ionen-Technik gespeichert. Und diese Technologe bietet sich auch als Energiespeicher für die neueste Generation von Brennstoffzellen-U-Booten an. Das Besondere: Die neuen Batterien wiegen nur zwei Tonnen, herkömmliche Blei-Akkus sind um das Siebenfache schwerer.

Das nach dem Wavepiercer-Prinzip gebaute Schiff benötigt für die Energieerzeugung 825 Solarpaneele, die mit 38.000 Photovoltaikzellen bestückt sind. Mit einer Gesamtfläche von 537 Quadratmeter füllen sie das gesamte Oberdeck des 30 Meter langen und 15 Meter breiten Katamarans aus.

Tief unten in den beiden Rümpfen stehen auf jeder Seite zwei Elektromotoren mit je 20 und 40 Kilowatt Leistung; die Systemleistung beträgt insgesamt 163 PS. Vorangetrieben wird das Schiff von zwei Propellern, deren Karbonflügeln zwei Meter Durchmesser haben. Da die Propellerflügel verstellbar sind und dadurch die Schubkraft einzeln geregelt werden kann, konnte auf den Einsatz konventioneller Ruderblätter verzichtet werden.

Immo Ströher ist von der Arbeit der Kieler Schiffbauer begeistert: "Jetzt werden wir beweisen, dass man mit Sonnenenergie auch große Schiffe antreiben kann." Denn bislang wird die Photovoltaik nur zur Produktion von Bordstrom eingesetzt.

So rüstet beispielsweise die Meyer-Werft in Papenburg Kreuzfahrtschiffe mit Solarpaneelen aus; da die Decksfläche bei herkömmlichen Zellen und Batterien noch zu wenig Leistung liefert, reicht dies aber nur für die Beleuchtung der Traumschiffe. Zwar fahren fast alle großen Kreuzfahrtschiffe aus Effizienzgründen bereits mit Elektromotoren, die bei einem 250 Meter langen Schiff nach 20 bis 30 Megawatt Leistung verlangen. Strom, der bislang noch von Dieselaggregaten erzeugt wird.

"Da gibt es noch viel zu tun. Aber wir glauben daran, dass es irgendwann funktionieren wird", sagt Ströher. Um es allen zu beweisen, soll der Neubau im kommenden Jahr vom Mittelmeer aus zu einer 160 Tage dauernden Weltreise aufbrechen - Atlantik, Panamakanal, Pazifik und Indischer Ozean.

Gesteuert wird die Tûranor PlanetSolar vom Schweizer Skipper Raphael Domjan, der die Idee von Anfang an begleitete und in Immo Ströher einen Förderer fand: "Die Fahrt ist mehr als nur eine Reise von A nach B. Es geht hier auch um die optimalen Routenplanung unter Berücksichtigung des Wetters. Jede Route lässt sich heute berechnen, die Sonne gehört dazu", sagt Domjan. Zweiter Skipper ist Gérard d'Aboville; der Franzose überquerte als erster Mensch im Ruderboot Atlantik und Pazifik.

Ihren ersten Auftritt vor Publikum werden die beiden mit ihrem Schiff am 7. Mai beim Hamburger Hafengeburtstag haben. Dann wird die Tûranor PlanetSolar im Museumshafen Oevelgönne zwischen alten Seglern und Dampfschiffen festmachen. Zukunft trifft Vergangenheit.

© SZ vom 06.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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