Das Auto in der Gesellschaft:Der Lack ist ab

Der Mercedes-Stand auf der NAIAS Detroit 2014.

Mercedes präsentiert auf der Detroit Motor Show die neue C-Klasse. Doch hat die Welt auf dieses Auto wirklich gewartet?

(Foto: AFP)

Die Autoindustrie feiert sich auf der Detroit Motor Show selbst. Dabei hat das Auto als Statussymbol längst ausgedient. Eine Lösung muss her, falls die Autobauer nicht auf Dauer am Kunden vorbeiarbeiten wollen.

Von Kathrin Werner

Es wirkt, als lebten die Autobauer in ihrer eigenen Welt. Drinnen Chrom und Pferdestärken, röhrende Motoren und jedes Staubkörnchen sofort vom Lack gewischt. Draußen Ruinen, Bettler und Ampeln, die seit Jahren nicht mehr funktionieren. In den tageslichtfreien, wohltemperierten Messehallen zeigt die Autobranche, was sie kann. Draußen liegt die Stadt Detroit, die Insolvenz angemeldet hat. Die Autos drinnen kann sich dort kaum einer leisten.

Wer es noch könnte, der will es nicht - zumindest nicht mehr so oft. Das gilt für Detroit wie für den Rest der richtigen Welt. Immer weniger Leute finden cool, was die Autobauer hier präsentieren. Das Auto hat als Statussymbol ausgedient. Peak Car - der Höhepunkt der Autonutzung - ist keine ferne Bedrohung am Horizont, Peak Car ist da. Zugegeben, 2013 war ein gutes Jahr für die Branche, allein in den USA sind die Verkäufe um fast acht Prozent gestiegen, in China zweistellig. Aber in welche Region man auch schaut: Die Prognosen für 2014 liegen unter denen für 2013. Für die Jahre danach sieht es noch düsterer aus.

Amerikaner und Deutsche fahren weniger Auto

Selbst in Amerika, dem Land der Autonarren und langen Distanzen, sind die Statistiken eindeutig. Die Zahl der pro Person zurückgelegten Kilometer stagnierte zwischen 2000 und 2004. Seither sinkt sie von Jahr zu Jahr. Dass die Autoverkäufe noch zunehmen, liegt nur an der Zuwanderung - sie sinken also anderswo. Besonders junge Menschen fahren weniger Auto. In Deutschland legten sie Ende der Neunziger noch 58 Prozent aller Fahrten mit dem Auto zurück. Zwischen 2006 und 2008 waren es nur noch 50 Prozent. Sie machen oft nicht mal einen Führerschein - und wenn, dann später im Leben als je zuvor.

Es gibt viele Gründe, ein Auto zu kaufen. Alle verlieren an Bedeutung. Seit 2010 leben weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Laut einer Studie der New York University und von BMW steigt zwischen 2010 und 2050 die Zahl der Menschen im städtischen Raum um 80 Prozent - auf 6,3 Milliarden. In Großstädten ist Autofahren eine Qual. Parkplätze sind knapp, Straßen verstopft. Öffentliche Verkehrsmittel werden besser. Falls man doch mal ein Auto braucht, für den Wochenendausflug etwa, gibt es Taxis, Mietwagen, Car-Sharing. In den USA teilten sich schon Anfang 2013 mehr als eine Millionen Mitglieder von Modellen wie Zipcar oder Car2Go mehr als 15 000 Autos. Früher hätten sich viele von ihnen eigene gekauft.

Werteverschiebung bei den "Millennials"

Hinzu kommt der Coolness-Faktor. Die "Millennials", so nennt man Leute der Geburtsjahrgänge 1980 bis etwa 1995, sind keine Spaßgeneration. Sie haben Werte, wollen Bio-Lebensmittel und Firmen, die auf Nachhaltigkeit achten. Wer Zehntausende Euro für protzige Autos ausgibt, die auch noch die Umwelt verpesten, ist nicht cool, sondern peinlich. Wer cool sein will, braucht ein schickes Rennrad, ein Smartphone und 600 Freunde bei Facebook.

Dieser Millennial-Trend ist zunächst ein Phänomen aus Europa und Amerika. Aber auch auf die Nachfrage aus den Schwellenländern ist kein Verlass. Sie entwickeln sich schneller als westliche Gesellschaften. Manche unserer Schritte werden sie überspringen. In Afrika hat sich das Festnetztelefon nie durchgesetzt, es gab sofort Handys. Und der Trend zur Urbanisierung trifft die Schwellenländer besonders stark. Sao Paolo und Schanghai ersticken schon jetzt in Smog und Riesenstaus.

Autobauer arbeiten am Kunden vorbei

Die Lösung für die Autobranche: Sie muss ein Auto erfinden, das ohne Emissionen fährt. Das vom Fahrer so wenig abverlangt, dass er nebenher bei Facebook reinschauen kann, das selbst einen Parkplatz sucht und Staus umfährt. In Detroit ist wenig davon zu sehen. Elektroautos sind rar. Die Autobauer arbeiten an den Kunden vorbei. Die Welt da draußen wird die Welt da drinnen bald schlucken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: