Daewoo Nexia / Espero:Im allumfassenden Universum zu Hause

Lesezeit: 5 min

Der dritte koreanische Hersteller steckt sich hohe Ziele: In einem Jahr sollen 25 000 Wagen verkauft werden

(SZ vom 25.02.1995) Es gibt Rezepte in der Werbebranche, die gelten als Garant für Erfolg: Man nehme für das Ohr den Gassenhauer Banana Boat Song von Harry Belafonte, lasse ihn von Jennifer Rush singen, für das Auge schöne rote Frauenlippen und kombiniere das ganze mit einem Gewinnspiel - schon ist die Anruferflut vorprogrammiert. Was das alles mit Autos zu tun haben soll? Sehr viel, denn dieser Strategie folgt der Spot für Daewoo - spricht man übrigens 'de:ju', wie wir jetzt wissen. Bis zu 420 Anrufe pro Minute registrierte der Computer, jeder wollte die Reise nach Fernost gewinnen, die der koreanische Automobilhersteller verschenken möchte. 'Diese Werbekampagne soll unseren Bekanntheitsgrad von Null auf 40 Prozent steigern', verkündet Harald Schminke, Geschäftsführer der Daewoo Automobile für Deutschland.

Daewoo Automobile Deutschland mit Sitz in Wiesbaden ist aber nur ein kleiner Teil des 33. größten Unternehmens der Welt, von dem in Europa bisher die wenigsten schon einmal gehört haben. Bei Daewoo ist der Name auch Programm, denn das koreanische Wort heißt übersetzt so viel wie 'allumfassendes Universum'. Um diesen Vorgaben nur in etwa gerecht zu werden, gehören zum Unternehmensbereich auch noch Finanzen, Elektronik, Schwerindustrie und Schiffsbau, Telekommunikation sowie Hotels.

Ähnlich einem Gemischtwarenhändler will Daewoo jetzt als dritter koreanischer Hersteller, nach Hyundai und Kia, mit Automobilen den hart umkämpften deutschen Markt erobern. Dabei hat der Deutschland-Geschäftsführer ehrgeizige Ziele. Das bisher 150 Händler umfassende Netz soll bis zum Ende des Jahres auf 250 bis 300 Vertretungen bundesweit ausgebaut werden, wobei die Partner halbe/halbe auf die alten und die neuen Bundesländer verteilt werden sollen. Zwischen 25 000 und 30 000 Fahrzeuge wollen die Koreaner in einem Jahr bei uns verkaufen, und Schminke läßt keinen Zweifel an diesen Erfolgsaussichten aufkommen, auch wenn er weiß, daß in 'keinem Land der Welt der Kundenanspruch an das Auto so hoch ist wie in Deutschland und der Wettbewerb so facettenreich'. Er ist dennoch davon überzeugt, 'das Ziel erreichen zu können'. Die Grundlage für diesen ehrgeizen Aufstieg in Deutschland sollen erst einmal zwei Automodelle schaffen, in der Kompaktklasse der Nexia und als Mittelklassenlimousine der Espero. Bei der ersten Begegnung mit beiden Fahrzeugen ist augenfällig geworden, worauf sich der Verkaufserfolg gründen soll: offensichtlich günstige Preise mit umfangreicher Ausstattungspalette. Ein Muster, das von den japanischen Herstellern seit längerem bekannt ist, und wie die Absatzzahlen der zwei vergangenen Jahre zeigen, nicht uneingeschränkt erfolgreich.

In der Golfklasse geht der Nexia für Daewoo in das Rennen um gute Verkaufszahlen. Von außen wird vielen die Limousine bekannt vorkommen, denn er sieht aus wie ein etwas modernerer Opel Kadett - keine Wunder, denn bis zum vergangenen Jahr bestand zwischen Daewoo und General Motors eine Kooperation. Der Kompaktwagen wird auf dem deutschen Markt als Drei-, Vier- und Fünftürer zu haben sein und in der Basisversion GL ist er mit einem 1,5-Liter-Motor mit einer Leistung von 55 kW (75 PS) ausgestattet. In der komfortableren GLX-Version steht als zweites Aggregat eine 1,5- Liter-Variante mit 66 kW (90 PS) zur Vefügung. Mit 75 PS bringt es der 4,48 Meter lange Wagen als Viertürer (4,26 Meter als Drei- und Fünftürer) auf eine Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h und auf eine Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 12,2 Sekunden. Die 90-PS-Version zeigt die gleichen Werte, was Geschäftsführer Schminke den Meßverfahren der koreanischen Kollegen zuschreibt: 'Wir wollen die Werte hier noch einmal nachtesten'.

Im Inneren des Nexia herrscht spartanische Funktionalität, die es auf der einen Seite ermöglicht, sich sofort zurechtzufinden, auf der anderen Seite aber sehr an den früheren osteuropäischen Charme der Plaste und Elaste erinnert. Die Kunststoffe wirken billig - dieser Eindruck wird auch noch vom sehr strengen Geruch des Plastiks unterstrichen -, Pressnähte begegnen einem, wo immer man hingreift und auch im Detail zeigt es sich, daß da und dort noch nachgebessert werden sollte. So muß man zum Beispiel den Hebel für die Höhenverstellung des Lenkrades recht kräftig zu sich heranziehen, um überhaupt eine Entriegelung zu erreichen. Das Lenkrad, übrigens serienmäßig mit einem Airbag ausgestattet (Beifahrerairbag soll 'so bald wie möglich' folgen) kann in drei Positionen einrasten, wobei bei der untersten selbst für sehr kleine Fahrer das Volant zu niedrig ist.

Viel Übersichtlichkeit bieten das Armaturenbrett und die Anordnung aller nötigen Schalter. Die Instrumententafel beschränkt sich auf das Notwendigste und die Schalter für Warnblinkanlage und Heckscheibenheizung reihen sich gut sichtbar drumherum. Bei den Sitzen, die für westeuropäische Gewohnheiten viel zu weich sind, haben die Daewoo-Entwickler bereits nachgebessert. Vorher seien sie nur ohne Seitenpolsterung zur Verfügung gestanden, aber davon abgesehen, findet man im Nexia eine adäquate Sitzposition. Praktisch ist die bis zur Stoßstange heruntergezogene Ladekante des Kofferraums, der über ein Volumen von 530 Liter (Viertürer) und 390 Liter oder 720 Liter bei umgeklappter Rücksitzbank (Drei- und Fünftürer) verfügt.

Die Basisausstattung des Nexia beinhaltet bei einem Preis von 19 950 Mark für den Dreitürer mit 75 PS (bis 23 600 Mark für den Fünftürer mit 90 PS) unter anderem ABS, Seitenaufprallschutz und Servolenkung. Der Nexia mit 90 PS fiel uns bei der ersten Begegnung als gut motorisierter, kompakter Wagen auf, der ein strafferes Fahrwerk verdient hätte: So ist er zwar komfortabel zu fahren, aber die Agilität läßt etwas zu wünschen übrig.

Design von Bertone

Noch markanter kommt diese Eigenschaft beim Espero zum Tragen, der auch über einen 66 kW (90 PS) starken Motor verfügt, allerdings einen Hubraum von 1,8 Litern hat. Die 4,61 Meter lange und 1630 Kilogramm schwere Limousine wirkt recht schwerfällig auf der Straße, beim Beschleunigen sehnt man sich nach einer Kraftreserve, die einem jedoch verwehrt bleibt. Das Fahrwerk der Mittelklasselimousine, deren Form von Bertone stammt, fällt auch unter die Kategorie komfortabel, was hier nichts Negatives bedeuten muß, denn - als Reisefahrzeug gedacht - darf es ruhig etwas kommoder sein. Was diesen Eindruck positiv unterstreicht sind die Platzverhältnisse, die im Inneren des Wagens herrschen. Gerade auf der Hinterbank können die Passagiere gute Bein- und Kopffreiheit genießen, und auch vorne ist ausreichend Raum für die Ellenbogen. Neben der 90-PS-Variante bietet Daewoo den Espero auch mit einem 2,0-Liter-Aggregat mit 77 kW (105 PS) Leistung an. Es ermöglicht dem Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h (Espero 1,8: 180 km/h) und läßt die 100 km/h-Marke nach 10,8 Sekunden (1,8: 11,0 Sekunden) passieren.

'Das Auto, Dein Freund'

Die Serienausstattung des Espero CD ist auch, der Verkaufsstrategie folgend, umfangreich: Es gehören Fahrerairbag, ABS, Seitenaufprallschutz, höhenverstellbare Gurte, Servolenkung, FCKW- freie Klimaanlage, elektrische Helfer für Fenster und Außenspiegel und eine Wegfahrsperre dazu. Bei einem Preis von 27 900 Mark für die 66-PS-Variante (90 PS: 28 900 Mark) scheint das ein lohnendes Angebot, doch für den Espero gilt auch, was schon beim Nexia zu beobachten war: Die Verarbeitung des Autos entspricht nicht dem, was ein Autofahrer in Deutschland von den meisten Konkurrenzfahrzeugen schon lange gewohnt ist.

Ob sich der Werbespruch von Daewoo 'Das Auto, Dein Freund - Daewoo und Du' mit Nexia und Epsero so zahlreich verwirklichen wird, kann erst die Zukunft zeigen. Allerdings lassen die Daewoo- Verantwortlichen keinen Zweifel daran, daß für den deutschen Markt Nachbesserungen an beiden Fahrzeugen nötig seien. Selbstbewußt wie sich Daewoo eben präsentiert, wird aber auch gleich verkündet, daß diese beiden Wagen nicht die einzigen bei uns bleiben sollen. Im Herbst könnte uns ein Stadtwagen namens Tico ins Haus stehen - lassen wir uns einfach überraschen.

Von Marion Zellner

© sde - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: