Containerschifffahrt:Halbe Kraft voraus

In der Containerschifffahrt hat sich ein Trend etabliert: langsam fahren. Das spart bis zu 60 Prozent Treibstoff und reduziert die Umweltbelastung.

Daniel Hautmann

Die Containerschifffahrt leidet unter hohen Treibstoffpreisen. Eine Tonne Schweröl kostet derzeit rund 600 US-Dollar, umgerechnet etwa 426 Euro, und ist damit fast so teuer, wie vor Beginn der Wirtschaftskrise. Branchenkenner, etwa beim Schiffsklassifizierer Germanischer Lloyd, rechnen damit, dass der Preis binnen zehn Jahren auf bis zu 1600 Dollar klettern könnte.

Schiffsbegenung im Norden

Gegenkurs: Containerschiffe verbrennen in voller Fahrt bis zu 250 Tonnen Schweröl pro Tag. Fahren sie langsamer, ist der Effekt enorm.

(Foto: ddp)

Große Schiffe, die 14.000 und mehr Standardcontainer stapeln, verbrennen in voller Fahrt bis zu 250 Tonnen Schweröl - pro Tag. Um Geld zu sparen drosseln inzwischen viele Reedereien das Tempo. So sinkt der Verbrauch, gleichzeitig werden deutlich weniger Schadstoffe ausgestoßen, was gut für die Umwelt ist.

Schub erhalten große Containerschiffe von langsam drehenden Zweitaktmotoren. Meist treibt die Kurbelwelle, die zwischen 80 und 120 Umdrehungen pro Minute macht, den Propeller direkt an. Mit bis zu 14 Zylindern und einem Wirkungsgrad von rund 50 Prozent gelten diese Motoren als die effizientesten Wärmekraftmaschinen überhaupt.

Reduziert der Kapitän die Geschwindigkeit, sinkt der Treibstoffverbrauch dramatisch: Ein Schiff, das 18 statt 25 Knoten fährt, ist halb so durstig. Bei Containerriesen entspricht das schnell 100 Tonnen Treibstoff pro Tag und Tausende Dollar.

Damit die riesigen Zweitakter, die für Lastbereiche zwischen 70 und 90 Prozent ausgelegt sind, auch unter Halbgas effizient arbeiten und flexibel einsetzbar bleiben, empfiehlt sich eine Modifikation. Schließlich verlieren einige Komponenten durch die Lastverschiebung an Effizienz und könnten Schaden nehmen. "Wir verschieben den optimalen Betriebszustand auf eine niedrigere Last", sagt Andreas Wiesmann vom Schiffsmotorenhersteller Wärtsilä.

Die erforderlichen Schritte für den Umbau werden bereits auf See eingeleitet: Ein Serviceteam des Motorenherstellers fährt mit, bereitet alles vor und klärt, welche Teile im nächsten Hafen bereitliegen müssen. So geht der eigentliche Umbau schnell und behindert den Betrieb der Frachter nicht unnötig.

Teuerste Posten: Treibstoff und Schmieröl

Da die Motoren Massen an Luft für den Verbrennungsprozess benötigen, pressen bis zu vier Turbolader, die vom heißen Abgasstrom angetrieben werden, sauerstoffreiche Umgebungsluft in die Zylinder. Vorher wird die Luft im Ladeluftkühler gekühlt, da kalte Luft mehr Sauerstoff liefert und damit der Verbrennungsprozess besser abläuft.

Wenn der Motor nun mit weniger Last betrieben wird, verlieren auch die Turbolader an Leistung, da sie mit der Motordrehzahl gekoppelt sind. Deshalb wird einer der Turbolader mittels hydraulisch steuerbarer Ventile abgetrennt. So bleibt mehr Druck für die restlichen Turbolader.

Neben den Treibstoffkosten spielen die Preise für Schmieröle eine zentrale Rolle. Allein die Kosten für die Zylinderschmierung betragen bei den größten Motoren bis zu 800.000 US-Dollar (knapp 570.000 Euro) pro Jahr.

Normalerweise arbeitet die Zylinderschmierung mechanisch. Um auch im Teillastbetrieb einen ausreichenden, aber nicht übertriebenen Schmierfilm zwischen Zylinderwand und Kolben zu erzeugen, wird ein elektronisch geregeltes System eingebaut. Dabei injizieren Ventile präzise Mengen ins Kolbenringpaket. Statt 1,3 Gramm je Kilowattstunde können die Werte auf 0,8 Gramm gesenkt werden.

Der Motorenhersteller Wärtsilä hat gerade 34 Schiffe der dänischen Maersk Line mit so einem sogenannten Slow-Steaming-Upgrade-Kit ausgerüstet, beziehungsweise ist noch dabei. "Für Maersk bedeutet das eine Win-win-win-Situation. Es ist besser für unsere Kunden, besser für die Umwelt und besser für unser Geschäft", sagt Eivind Kolding, Geschäftsführer der Maersk Line.

Reedereien setzen auf Gemächlichkeit

Auch andere große Reedereien setzen auf Gemächlichkeit, etwa Hamburg Süd oder Hapag Lloyd. Und auch andere Motorenhersteller, etwa MAN, bieten Slow-Steaming-Umrüstsätze an. Ursprünglich war Slow-Steaming eine Reaktion auf die sinkenden Frachtraten, bedingt durch die Wirtschaftskrise. Die Reeder hatten mit Einnahmeeinbußen zu kämpfen, Schiffe wurden stillgelegt.

Inzwischen ist Slow-Steaming fast schon Standard. Die Reeder wissen: Mehr Schiffe, die langsamer fahren, bewältigen dieselbe Frachtmenge - mit geringeren Kosten. Deshalb werden Schiffe, die heute gebaut werden, von Anfang an auf langsame Fahrt getrimmt.

"Während im letzten Jahr noch große Containerschiffe mit hohen Geschwindigkeiten von 24 bis 25 Knoten bestellt wurden, hat sich das 2011 stark geändert. Die Konstruktions-Geschwindigkeiten betragen etwa 21 bis 23 Knoten, die erwarteten, meist gefahrenen Geschwindigkeiten um die 17 bis 19 Knoten. Flexibilität ist enorm wichtig", sagt Andreas Wiesmann.

Langsam fahrende Schiffe sehen anders aus: "Der Rumpf ist kürzer und breiter. Dadurch muss weniger gewichtsausgleichendes Ballastwasser mitgeführt werden und die Ladekapazität erhöht sich", sagt Fridtjof Rohde vom Schiffsoptimierer Future Ship. Da die Motoren langsamer drehen, wächst der Propellerdurchmesser und auch die Form der Bugwulst wird optimiert.

Um die richtigen Dimensionen für Rumpf, Bugwulst und Propeller zu ermitteln, rechnen die Konstrukteure bis zu 20000 verschiedene Entwürfe. Natürlich sind in solchen Entwürfen auch die Hauptmaschinen und die Nebenaggregate, etwa zum Kühlen der Motoren, zum Heizen des Treibstoffs oder zum Erzeugen des Bordstroms, kleiner. Der Aufwand lohnt: Im Vergleich zu einem heute fahrenden Frachter verbraucht ein modernes Schiff bis zu 60Prozent weniger Treibstoff.

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