Concours d'Élégance in Pebble Beach:Donner und Dekadenz

Ritterschlag für jeden Oldtimer und jedes spektakuläre Automobil: die Teilnahme am Concours d'Élégance im kalifornischen Pebble Beach.

Georg Kacher

Umweltfreundlich sind in Pebble Beach allenfalls die Shuttle-Fahrzeuge: Cadillac Escalade Hybrid bei GM, E300 Bluetec bei Mercedes, VW Routan bei Bugatti. Ansonsten ist alles wie immer. Die kühle Meeresluft an der Küste riecht ganz entfernt nach fetten Schmierstoffschwaden und genüsslich verbranntem Superbenzin, über der nahegelegenen Rennstrecke von Laguna Seca hängt eine freundliche Duftglocke aus Rennsprit und Bremsbelagabrieb, und beim Concorso Italiano mischt sich der beißende Blaurauch frisch auf den Asphalt gepinselter Donuts mit den Pasta-Lagerfeuern der vorwiegend rot gekleideten US-Tifosi.

Concours d'Élégance in Pebble Beach: Konfetti-Regen für den Sieger: Der tiefblaue Alfa Romeo 8C 2900B Touring Berlinetta von 1938 ist der "Best of Show"-Gewinner 2008.

Konfetti-Regen für den Sieger: Der tiefblaue Alfa Romeo 8C 2900B Touring Berlinetta von 1938 ist der "Best of Show"-Gewinner 2008.

(Foto: Foto: dpa)

Wer seine Sinne noch konzentrierter stimulieren möchte, der kann in diversen Hotelhallen und Zelttempeln den Hautgout von Oldtimer-Versteigerungen auf sich wirken lassen, wo selbst die süßlichen Parfüms der Damen über sechzig nicht anduften können gegen die Öl-und-Oktanwolke eines ad hoc kalt gestarteten Delage oder Delahaye. Pebble Beach, das sind drei sehr komprimierte Tage des Donners, der Dekadenz und der Defilées von Menschen samt Maschinen.

Man könnte natürlich auch schon früher anreisen, Exponate besichtigen, fachsimpeln oder einfach nur auf der Straße erleben, was sonst kaum in einem Museum zu finden ist - zum Beispiel drei McLaren F1 an einem Tag, den hässlichsten Rolls aller Zeiten (von Vignale, mit Plumpsklo im Rücksitz), eine halbe Bugatti-Jahresproduktion, Jay Leno an der Tanke und Daniel Craig auf dem Fairway. Doch für durchschnittlich Suchtkranke reicht die übliche Drei-Tages-Dröhnung, die nicht mehr kosten muss als zwei Nächte im Hotel sowie rund 600 Dollar für diverse Eintrittskarten und den unvermeidlichen Mietwagen, ohne den man trotz Mords-Verkehr schlicht aufgeschmissen ist.

Den Freitag teilen sich Pebble-Aficionados in drei Schichten. Die Zeit zwischen frühem Frühstück und Lunch gehört jenen blechernen Verführern, die in diesem gut situierten Mikrokosmos um die fettesten Scheckbücher buhlen. Drei Adressen zum Mitschreiben: die Blackhawk- Ausstellung am Peter Hay Golfplatz, die Bonhams & Butterfield-Auktion in der Quail Lodge, die Vorschau auf die Versteigerung von Gooding & Company im Reitsportzentrum von Pebble Beach.

Donner und Dekadenz

Die Blackhawk-Autos sind viel zu teuer, aber Don Williams kennt eben Gott und die Welt, und was bis Montag morgen nicht verkauft ist, wird ohnehin neu verhandelt. Des Autors Liebling war ein top restaurierter 1938er Buick Century Coupé im Bonny&Clyde-Look um verhandelbare 49.500 Dollar. Zu billig? Vier Stunden später ging bei Bonhams ein Jaguar E2A Le Mans-Prototyp für schlappe 4,957 Millionen über den Tisch. Zu teuer? Es gab auch echte Schnäppchen. Zum Beispiel ein hinreißendes Voisin C30 Coupé, das mit 166.500 Dollar fast 50 Prozent unter Schätzpreis blieb.

Die zweite Freitagsschicht gehört traditionell dem Concorso Italiano, der weltweit größten Ausstellung italienischer Automobile. Doch im 23. Jahr enttäuschte die Veranstaltung auf der ganzen Linie. Hohe Preise (Tagesticket 100 Dollar), eine trostlose Umgebung (alter Flughafen) und ein liebloses Ambiente (weiße Plastikzelte säumten die Piste) ließen selbst zur 45-Jahr-Feier von Lamborghini weniger Stimmung aufkommen als beim Mini-Jubiläum für den Lambo-Cheftester Valentino Balboni in der Quail Lodge.

Auch die Vielfalt der Marken und Modelle ist nicht mehr das, was sie einmal war. Fünfzig rote Ferrari 360 und rund ebenso viele F355 sind eben kein Ersatz für Prototypen, Show Cars und Sondermodelle. Doch noch stehen die Fans zum Concorso mit seinem bunten Raritätenkabinett, das 2008 von Iso über Bizzarini und de Tomaso reichte bis zum nahezu kompletten Lebenswerk des Design-Gurus Marcello Gandini. Nur sein Cizeta Moroder fehlte - ebenso wie manche Reichen und Schönen, die meist nur auf eine Stippvisite vorbeischauten.

Der Samstag steht im Zeichen der Monterey Historic Races auf der Rennstrecke von Laguna Seca, die eine halbe Fahrstunde im zehn Grad wärmeren Landesinneren liegt. Monterey bietet Motorsport zum Anfassen - für nur 85 Dollar pro Tag. Hier kann man ganz ohne Druck und Allüren mit den Großen der Zunft über die Vergangenheit plaudern - diesmal waren Mario Andretti, Jochen Mass, Derek Bell, Jean-Pierre Jarier, Stirling Moss und Phil Hill mit von der Partie.

Donner und Dekadenz

Mindestens so spannend wie die Anekdoten der Cracks sind die Leistungen der bunt gemischten Fahrergilde, die heute in den Boliden von damals um den Sieg kämpft. Steven Earle, der Herr des Hauses und der Strecke, hatte auch 2008 ein goldenes Händchen bei der Zusammenstellung der 15 Rennen. Die Highlights: das in zwei Gruppen aufgeteilte 47 Wagen große Starterfeld der Formel Junior, der Pulk der Can-Am-Racer, die ohrenbetäubend laute Meute der IMSA-Renner, sowie die unvermeidlichen TransAm-Coupés und nicht weniger als 27 F1-Monoposti aus den Jahren 1968 bis 1978.

Laguna Seca ist das genaue Gegenteil von Pebble Beach. Keine Schnösel, kein Schampus, keine überrestaurierten Stehzeuge, keine Selbstdarsteller und Möchtegerns. Hier besteht die Show aus bewegten Bildern. Oft kracht's schon im Training, denn die meisten Teilnehmer haben schütteres Haar, Bauchansatz und Bluthochdruck.

Die 2008er-Rennen standen eigentlich im Zeichen von Alfa, doch die Italiener hatten es leider versäumt, legendäres Material wie den Tipo 33, einen Bergspyder oder die kleine Formel-1-Flotte in die USA zu verschiffen. Die eher schwache Präsenz beschränkte sich daher auf ein Dutzend GTA, SZ und GTZ Coupés, die amerikanische Alfisti an den Start brachten.

Am Sonntag heißt es früh aus den Federn steigen, um am Ufer des Pazifiks noch vor Sonnenaufgang die Parade der hochkarätigen Exponate abzunehmen, die aus eigener Kraft anrollen müssen. Der Golfplatz, die Lodge und das Meer bilden eine einmalige Kulisse für den Concours d'Elegance, an dem etwa 200 ausgesuchte Fahrzeuge teilnehmen.

Donner und Dekadenz

Wie immer wird in Klassen gewertet - in diesem Jahr buhlten unter anderem London-to-Brighton-Oldies, Vor- und Nachkriegs-Lancias, Woody Wagons von GM mit ihrem Kombi-Aufbau aus Holz, diverse Ferrari California Spyder sowie seltene Sportwagen mit GM-Motoren um Ruhm und Ehre. Mit allen Wassern gewaschene Juroren machen es spannend bis zum Finale gegen 15 Uhr 30, wenn der Best-of-Show-Gewinner bekränzt wird wie ein prämierter Zuchtbulle.

Passend zum Alfa-Festival gewann ein herrlicher 1938er 8C Berlinetta mit tiefblauer Stromlinienkarosserie von Touring, dessen Zustand allerdings wieder das zweifelhafte Prädikat "besser als neu" verdiente. Den Amerikanern scheinen solche Zeitraffer-Verwandlungsakte eher zu entsprechen als der patinierte Originalzustand, wie ihn zum Beispiel die herrliche Motorama-Flotte von GM, die meisten Lancias (unglaublich: Blue Ray 1 & 2 von Vignale) und die Wettbewerbs-Ferrari zur Schau stellten.

Von 10 Uhr 30 an, wenn das breite Publikum eingelassen wird, braucht man breite Schultern und einen langen Hals - oder Zugang zu einer Loge in der Lodge, von wo aus es sich herrlich zusehen und träumen lässt. In Hörweite gaben sich diesmal die Chefdesigner von GM, Chrysler, BMW, Toyota, Mercedes und Jaguar die Ehre. Ob sie wohl ehrlich genug wären zuzugeben, dass die Blütezeit des maßgeschneiderten Automobils in seiner Vergangenheit liegt? Damals wurden expressive Formen und opulente Inhalte so vorbehaltlos-offensiv zelebriert wie an diesem Sommersonntag am 18. Grün von Pebble Beach.

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