Coal-Roller-Trend in den USA:Dreckige Provokation

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Die Südstaaten der USA: ländlich, erzkonservativ und dem Pick-Up als Fortbewegungsmittel sehr zugetan. (Foto: REUTERS)

Mit "Kohlewalzen" gegen Obamas Umweltpolitik: Erzkonservative amerikanische Pick-up-Fahrer bauen ihre Autos so um, dass sie besonders viel Ruß ausstoßen. Sie sehen darin mehr als einen blöden Zeitvertreib.

Von Thomas Harloff

Riesige Pick-up-Trucks gehören in den USA zum täglichen Straßenbild wie hierzulande der VW Golf. Vor allem in den ländlichen Gegenden der Südstaaten sind die Geländewagen mit Ladefläche extrem beliebt. Seit mehr als 30 Jahren führt der Ford F-150 die Zulassungsstatistik der USA an. Auf der vergangenen Detroit Motor Show, eine der größten Automessen der Welt, war die Neuauflage des amerikanischen Pick-up-Klassikers der unumstrittene Star - und nicht etwa die gleichzeitig debütierende neue Mercedes C-Klasse, der jüngste Porsche 911 Targa oder der VW E-Golf mit Elektromotor. Mit Pick-ups wird zudem professioneller Motorsport betrieben. Im Rahmenprogramm der überaus populären Nascar-Serie treten in einer eigenen Klasse aufgemotzte Trucks gegeneinander an.

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Ist diese eigentlich archaische Autoleidenschaft für den Rest der Welt schon kaum nachvollziehbar, lässt einen der neueste Trend, der sich gerade unter einigen Pick-up-Fans verbreitet, fassungslos zurück. Es geht um "Coal Rollers" - also Kohlewalzen, die nichts anderes sind als Pick-up-Trucks mit Dieselmotor, die beim Druck auf das Gaspedal besonders viel schwarzen Ruß ausstoßen. Youtube-Videos zeigen, wie die Ungetüme Passanten in dreckige Rauchschwaden hüllen, darunter Kinder, Fahrradfahrer und Demonstranten, die für eine saubere Umwelt einsetzen. Andere halten ihre Köpfe freiwillig an die Auspuffrohre. Und diejenigen, die das fragwürdige Tun per Video festhalten, lachen sich jedes Mal schlapp.

Der Prius, ein beliebtes Anschlagsziel

Einige US-Medien sehen in dem besonders sinnfreien Zeitvertreib einiger erzkonservativer Amerikaner ein politisches oder kulturelles Statement. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht, die Absichten der "Coal Rollers" sind in ihren Verlautbarungen klar benannt: Ihre Aktionen sind Provokationen gegen Umweltschützer, Barack Obama und seine Umweltpolitik, Fahrer von Hybrid- und Elektroautos. "Gebt denen, die die Bäume umarmen, keine Munition, weitere Emissions-Beschränkungen zu unterstützen", steht in einem Beitrag auf einer Fanseite für schwere Diesel-Pick-ups.

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Durchforstet man die Kommentare unter den einschlägigen Videos, Foren und Communities, kämpfen diese "Anti-Umwelt-Aktivisten" für das "wahre Amerika" und ihre eigene Freiheit. Und gegen die angebliche Überregulierung der Obama-Regierung, die die US-Kohlekraftwerke zu einer rigorosen CO₂-Reduktion verdonnert und ihre Bürger zu einer Krankenversicherung verpflichten will. Ausdruck dessen, was alles falsch läuft im Land, soll auch der Toyota Prius sein, weshalb das japanische Hybridauto ein bevorzugtes Anschlagsziel für die Anhänger des "Rolling Coal" ist.

Einsteiger-Bausätze kosten 500 Dollar

Um ihre Pick-ups zu "Coal Rollern" umzurüsten, bedarf es weder viel Geld noch tiefgreifender technischer Umbauten. Einsteiger-Bausätze gibt es für etwa 500 US-Dollar, detaillierte Bauanleitungen und Hinweise, welche Teile für welchen Motor am besten passen, finden sich im Internet. Die technisch simpelste Lösung ist ein "Smoke Switch", der in die Motorelektronik integriert wird und dem Triebwerk vorgaukelt, mehr Kraftstoff zu verbrauchen als nötig. Deshalb wird bei Vollgas zu viel Diesel eingespritzt, der daraufhin nicht vollständig verbrennt und als Abgas tiefschwarz aus den Auspuffrohren qualmt.

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Besonders schlimm rußt es, wenn "Coal Roller" den - falls vorhanden - Dieselpartikelfilter ihres Trucks ausbauen oder ihren Motor komplett modifizieren. Größere Injektoren, für höhere Drücke ausgelegte Kraftstoffpumpen oder ein Wasser/Methanol-Einspritzsystem hüllen die Umgebung in besonders fetten Rauch. "Auf Knopfdruck können Sie Ihre Gegner so in einer Wolke von dickem schwarzem Ruß hinterlassen. Doch vergessen Sie nicht, den Auspuff sauber zu machen, um die Behörden zufriedenzustellen", heißt es in einem Internetratgeber unter der Überschrift "Roll coal the right way".

Ungesund für Mensch und Motor

Erlaubt ist diese hinterhältige Form der Umweltverschmutzung natürlich nicht, wie die US-Umweltschutzbehörde erst kürzlich klarstellte. Noch nicht einmal in den Südstaaten der USA, wo teilweise keinerlei Abgasgrenzwerte existieren. Doch auf die Anhänger des "Rolling Coal" kommen noch andere Probleme zu. Zum einen finanzieller Art, denn die Triebwerke verbrauchen so noch mehr Kraftstoff als ohnehin schon. Zum anderen riskieren die "Coal Roller" technische Schwierigkeiten, wie selbst die Ratgeberseiten unverhohlen zugeben: "Ein 'Smoke Switch' ist nicht der sicherste Weg, Rauch zu erzeugen", ist da zu lesen. "Seien Sie vor allem als Fahrer eines General-Motors-Pick-ups mit Duramax-Dieselmotoren vorgewarnt, dass Ihr Motor unter Umständen eine Fehlermeldung anzeigt und die Motorwarnleuchte angeht."

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Warnungen wie diese scheinen jedoch nur wenige abzuschrecken. Immer mehr Pick-up-Fahrer frönen dieser fragwürdigen Leidenschaft, die Szene wächst kontinuierlich. Die "Rollin' Coal"-Fanseite bei Facebook hat mehr als 15 000 Fans und die entsprechenden Youtube-Videos verzeichnen Hunderttausende, manchmal gar Millionen Abrufe. Aber es wäre wohl eine gerechte Strafe, wenn durch die überflüssigen Abgasspielereien der ein oder andere Motor sein Leben aushauchen und vom dicken schwarzen Rauch nur noch ein laues Lüftchen übrig bleiben würde.

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