CO₂-Bilanz - Teil 2:Zwischen Klimaschutz und Komfort

Mercedes S 500 Plug-In-Hybrid auf dem Pariser Autosalon 2014.

Konzernchef Dieter Zetsche präsentiert auf dem Pariser Autosalon 2014 den Mercedes S 500 Plug-In-Hybrid.

(Foto: Bloomberg)

Von 2015 an müssen die Autohersteller ihre Flottenemissionen schneller als je zuvor senken. Wer schafft die Abwärtsspirale - und mit welchen Technologien? Eine Bestandsaufnahme bei Mercedes und VW.

Von Joachim Becker

Geht doch: Seit 2007 ist der CO₂-Ausstoß der Neuwagen in Europa um 20 Prozent gesunken. Der Erfolg ist einer wachsenden Zahl von Direkteinspritzern zu verdanken. Sparsame Diesel und Turbobenziner haben die durstigen Saugmotoren verdrängt. Neben den Turbos, die den Abgasstrom als Energiequelle anzapfen, werkelt meist noch eine ganz Schar von höchst variablen Verstellern für Ventilhub und Einspritzdruck im Zylinderkopf. Trotzdem kann es nicht so weitergehen: Die europäischen CO₂-Ziele für 2021 entsprechen einem Normverbrauch von 4,1 Litern Benzin beziehungsweise 3,6 Litern Diesel pro 100 km - das schafft derzeit kaum ein bequemes Familienauto mit fünf vollwertigen Sitzen und der üblichen Reichweite.

Stehen wir also vor dem Zeitalter der alternativen Antriebe - die derzeit nur 1,6 Prozent des Pkw-Bestands ausmachen? Oder müssen wir künftig kleinere Autos fahren, weil unsere Vorlieben mit den EU-Klimazielen kollidieren? Sicher ist nur: Die Wärmekraftmaschinen unter der Motorhaube bleiben Heizöfen, die rund zwei Drittel der eingesetzten Energie ungenutzt verpulvern. Das fängt bei der Motorabwärme an und hört an den Bremsscheiben auf, die Bewegungsenergie in Abwärme verwandeln, statt sie zu rekuperieren.

Die Zukunftspläne der Autohersteller sind so unterschiedlich wie deren jeweilige Kunden. Im zweiten Teil unserer Serie stellen wir zwei weitere Strategien auf den Prüfstand. Eine umfassende Dokumentation über alle Marken hinweg würde den verfügbaren Platz überschreiten. Deshalb konzentrieren wir uns schwerpunktmäßig auf die derzeit innovativsten Hersteller, die einen Großteil ihrer neuen Technologien zum Spritsparen einsetzen. Mit dem VW- Konzern, Daimler und BMW führen im Jahr 2014 erstmals drei deutsche Konzerne die Studie Automotive Innovations des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach an. Gemeinsam decken diese Hersteller mit ihren verschiedenen Marken fast die gesamte Palette der jüngsten Innovationen ab. Insofern geben sie einen guten Überblick über den (künftigen) Stand der Technik.

Mercedes

Mercedes B-Klasse Electric Drive

Auch die B-Klasse mit Elektroantrieb soll Mercedes helfen, den CO₂-Ausstoß seiner Flotte zu reduzieren.

(Foto: Daimler AG)

Hybridmodelle mit dem Stern auf der Haube verkauften sich bisher nur in homöopathischen Stückzahlen - genauso wie die Zwillingsantriebe von Audi und BMW. Während Toyota seit 1997 sieben Millionen Hybride abgesetzt hat, konzentrierten sich die deutschen Marken auf die Weiterentwicklung von Selbstzündern. Jetzt haben die Stuttgarter jedoch eine Offensive mit zehn Hybridmodellen bis 2017 angekündigt, die sich auch an der Steckdose aufladen lassen. "Insbesondere bei Geländewagen setzen wir auf Plug-in-Hybride", betont Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Wir wollen 2016 bei etwa 125 g CO₂/km sein. Natürlich werden wir die ab 2020/2021 gültigen Grenzen auch erreichen."

Bis zum Ende der Dekade wollen die Stuttgarter ihre Teilzeitstromer in sechsstelligen Stückzahlen verkaufen - allen voran den neuen S500 Plug-in-Hybrid, der sich mit einem Drehmoment von 650 Nm betont sportlich gibt. Mit einem Normverbrauch von 2,8 Liter stempelt das Flaggschiff selbst den winzigen Smart zum Schluckspecht. Allerdings ist das 442 PS starke Sparmodell mit einem Einstiegspreis von rund 109 000 Euro alles andere als ein Schnäppchen.

Mercedes hält am Vierzylinder fest

Aus Kostengründen ist zunächst keine Plug-in-Version der A- und B-Klasse in Planung. Naheliegender ist hier eine Einstiegs-Hybridisierung mit verstärkter Lichtmaschine inklusive Riemenantrieb: "Der reine Verbrennungsmotor wird auch in den nächsten Jahren weiterhin eine Hauptrolle bei den Antrieben spielen. Allein durch die Einführung eines zusätzlichen 48-V-Bordnetzes ist eine Reduzierung der CO₂-Emissionen um bis zu 10 Gramm pro Kilometer denkbar", sagt Bernhard Heil, Leiter der Mercedes-Aggregateentwicklung.

Während BMW neuerdings von halbierten Sechszylindern schwärmt, wollen die Stuttgarter vor allem mit Vierzylindern weitere Fortschritte machen. "Wir entwickeln den Schichtladebetrieb im Ottomotor weiter, sodass er auch unter höheren Lasten einsetzbar ist", erklärt Mercedes-Motorenentwickler Erhard Rau und kündigt einen Durchbruch bei der variablen Verdichtung für Hochleistungsmotoren mit einer Leistung von mehr als 110 kW pro Liter Hubraum an: "Je nach Anwendung kann die Ersparnis auch im realen Fahrbetrieb über zehn Prozent betragen."

Langzeitprojekt Brennstoffzelle

Seit mehr als 15 Jahren arbeiten die Vorentwickler an der variablen Kompression bei Benzinmotoren. Bis zur Serienreife braucht die aufwendige Technik noch weitere fünf Jahre. Dafür sind die Produktionskosten für eine solche innermotorische Spritspartechnik nur etwa halb so hoch wie eine Hochvolt-Elektrifizierung des Antriebsstrangs.

Exotische Prestigeprojekte wie die Brennstoffzelle, die von den Stuttgartern bereits seit 20 Jahren mit hohem Aufwand entwickelt werden, haben mittlerweile nicht mehr höchste Priorität: Zusammen mit Ford und Nissan soll die Brennstoffzelle von 2017 an auf Stückzahlen kommen und erschwinglicher werden. Derweil treibt Daimler mit Partnern den Ausbau des deutschen H₂-Tankstellennetzes voran: Bis Ende 2015 soll es insgesamt 50 Wasserstoffstationen geben, bis 2023 sind rund 400 Standorte geplant.

VW

VW XL1 im Windkanal

Der VW XL1 soll laut Hersteller nur 0,9 Liter Sprit im Durchschnitt verbrauchen.

(Foto: dpa-tmn)

Hat das Ein-Liter-Auto bei VW eine Zukunft? Nach der Premiere des zigarrenförmigen VW XL1 mit Zweizylinder-Diesel und 0,9-Liter-Normverbrauch folgt kein erschwingliches Großserienmodell, sondern eine Karikatur des Downsizing-Antriebs mit einem modifizierten V2-Motor der Ducati 1199 Superleggera. Die 200 PS des weltweit stärksten Zweizylinder-Motorrads katapultieren den kleinen Sportwagen in 5,7 Sekunden von null auf 100 km/h. Dabei dreht der kreischende Verbrenner bis 10 000 Touren - genauso schnell wie eine Elektromaschine.

Wenigstens der neue Passat GTE verspricht einen Normverbrauch von unter 2,0 l/100 km. Nach dem Golf GTE bringt Volkswagen damit den zweiten einer ganzen Reihe von geplanten Plug-in-Hybriden. Das Problem ist nur: Für den durchschnittlichen VW-Käufer ist schon der Einstandspreis für den Golf GTE von 36 900 Euro zu hoch.

Kaum Hoffnungen für den reinen Elektroantrieb

Abhilfe verspricht sich VW-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer von einem Modulbaukasten: "Dadurch, dass wir die Plug-in-Hybrid-Technologie mit nur leichten Änderungen in vielen Fahrzeugen des Konzerns umsetzen können, wird es uns gelingen, die Mehrkosten bis 2020 auf ein Viertel zu drücken. In Zukunft wird also der Mehrpreis für ein Plug-in-Hybrid-Modell ähnlich hoch sein wie heute der Aufpreis für einen modernen Dieselmotor."

Tatsächlich setzen die Wolfsburger nicht allzu viel Hoffnungen auf reine Stromer wie den e-up und e-Golf. Für 2020 rechnet die Volumenmarke mit einem Absatz von 300 000 Elektrofahrzeugen: "Wobei wir davon ausgehen, dass der größere Teil Plug-in-Hybride sein werden", sagt Rudolf Krebs, Leiter für Elektro-Traktion im VW-Konzern. Ähnlich wie bei Mercedes begleitet die Plug-in-Offensive den Ausbau der immer beliebteren SUV-Modellpalette. Künftig werden in jeder VW-Baureihe robuste Allradkraxler angeboten - die aufgrund ihres höheren Gewichts rund 15 Prozent mehr Kraftstoff verbrauchen.

Erdgas ist besser als sein Ruf

Am günstigsten wäre es, CO₂ mit einem modernen Gasantrieb zu sparen: Erdgas setzt ungefähr 20 Prozent weniger CO₂ frei - für Biogas sieht die Klimabilanz noch besser aus. Durchzugsstarke Modelle wie der Golf TGI BlueMotion, die mit Erdgas und Benzin fahren können, lassen das Image der schlappen Ökokiste hinter sich. Doch die Infrastruktur ist mit knapp 1000 Erdgastankstellen in Deutschland noch äußerst grobmaschig. Zudem sind nicht mehr als 100 000 Erdgasfahrzeuge aller Marken auf unseren Straßen unterwegs.

Also muss auch VW mit konventionellen Downsizing-Motoren den größten Teil der CO₂-Ersparnisse einfahren: Im Polo stößt der neue Dreizylinder-TSI mit einem Liter Hubraum gerade einmal 94 Gramm CO₂ pro Kilometer aus. Der 1,4 TDI Polo Blue Motion mit drei Zylindern kommt auf nur noch 82 g/km CO₂. Damit nähern sich die Verbrenner den Hybridmodellen an. Mithilfe der Zylinderabschaltung wollen die Wolfsburger ähnliche Spitzenwerte im jeweiligen Segment auch bei Vier-, Sechs- und Achtzylindern erreichen. Ein 10-Gang-DSG soll großen Motoren mit mehr als 500 Nm Drehmoment ab 2015 im neuen Phaeton beim Sparen helfen.

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