Citroën Evasion / Peugeot 806:Der ganz normale 'Van-Sinn'

Die Transporter warten mit gutem Fahrkomfort und umfangreichen Sicherheitspaketen auf

(SZ vom 24.09.1994) Die Automobilbauer machen mächtig Tempo. Anstelle sich wie einst auf den Verkaufslorbeeren angestammter Segmente auszuruhen, wagen sie sich mehr und mehr auf neues Terrain. 'Denn wer sich heute nicht den Bedürfnissen der Kunden anpaßt', so ein Marketingexperte von Opel, 'verliert'.

Bekanntlich verändern sich die Kundenwünsche im Laufe der Zeit ganz erheblich. König Kunde verfügt nicht nur über ein prall gefüllteres Bankkonto, sondern pflegt ebenso einen individuelleren Lebensstil. Diesem versuchen die Autobauer gerecht zu werden. Ein wichtiger Eckpfeiler jüngerer Erkenntnisse: Neben Individualität und Komfort legen Autofahrer immer größeren Wert auf variable Einsatzmöglichkeiten ihres fahrbaren Untersatzes - zumindest eine bestimmte Altersklasse, die Trendforscher in der Gruppe der zwischen 35- und 45jährigen ansiedeln. Ihr Selbstwertgefühl, so die Marketingstrategen, bestimmen Begriffe wie soziale Stellung, Originalität und letztendlich die Individualität. Für diese Klientel glauben die europäischen Automobilhersteller das passende Gefährt gefunden zu haben: Die Großraumlimousine, bei den Amerikanern seit zehn Jahren in Form des Voyager aus dem Hause Chrysler geschätzt.

Zeichen der Zeit erkannt

Wer nun vermutet, die Europäer hätten die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt, ist auf der falschen Fährte. Denn ähnlich wie beim Mountain Bike griff auch hier die Leidenschaft für multifunktionale, rollende Raumwunder erst viel später auf den Alten Kontinent über. Das hat nun zur Folge, daß abgesehen vom Hause Renault - das bereits Mitte der achtziger Jahre mit dem Espace für Aufsehen sorgten - allerorts hektische Betriebsamkeit ausbricht. Selbst Luxuskarossenhersteller Mercede-Benz ist in Sachen Van aktiv.

Den Reigen des neuen 'Van-Sinns' eröffnete kürzlich Fiat. Als erster im Bunde der europäischen Koproduktion mit dem französischen PSA-Konzern (Peugeot/Citroën) präsentierten die Italiener ihre Großraumlimousine Ulisse. Nun folgten Peugeot mit dem 806 und Citroën mit dem Modell Evasion. Drei Modelle, die sich bis auf wenige Ausstattungsmerkmale - darunter das Markenemblem auf der Fronthaube - durch die gemeinsame Entwicklung wie ein Ei dem anderen gleichen. Selbst der Preis wird sich bei den Grundmodellen bis auf wenige Pfennige gleichen. Alle drei Autobauer wollen ihr Einstiegsmodell ungefähr bei der 40 000- Mark-Grenze ansiedeln.

Joystick im Cockpit

Der neue 'Van-Sinn' hat allerdings Grenzen. Denn optisch beispielsweise gelang den Designern im Vergleich zu den vorhandenen Modellen auf dem Markt keine Revolution. Das mag in der Natur des Vans liegen, der nach einer Kastenform verlangt. Im Vergleich zum Ur-Van Voyager wirken sie vom Design allerdings graziler und verfügen über so manch praktischere Detaillösung, wie beispielsweise Schiebetüren im Fond-Bereich sowie den optimal plazierten Schalthebel, der gleich einem Joystick aus dem Armaturenbrett herausragt.

Das Grundkonzept des Triumvirats ist, wie schon beim Ulisse erwähnt, identisch. 4,45 Meter lang, bieten die beiden Großraumlimousinen bis zu acht Personen Platz. Werden jedoch alle Sitze genutzt, ist es mit der Beinfreiheit in der dritten Reihe nicht weit her. Das gilt in diesem Fall besonders für den verbleibenden Gepäckraum, der bei vollbesetztem Mobil einiges an Einschränkung erfordert. Doch wie gesagt, Vans stehen für Variabilität. Und zu diesem Zweck lassen sich nicht nur die Sitze drehen, sondern je nach Transportbedarf ebenso ausbauen.

Erstaunlich ist die Wendigkeit der auf den ersten Blick doch etwas voluminösen Vehikel. Selbst wenn sie auf den ersten Kilometern aufgrund ihrer subjektiven Größe gewöhnungsbedürftig erscheinen, wird schnell deutlich, daß sie auch beim Fahrkomfort im Vergleich mit einer Limousine um nichts nachstehen. Ganz im Gegenteil, verfügen sie doch dank der großen Glasflächen über eine ausgezeichnete Rundumsicht, die sich durch die erhabene Sitzposition noch verstärkt. Auch das Rangieren gestaltet sich durch die serienmäßige Servolenkung zu einer leichten Übung.

Sowohl der Peugeot 806 als auch der Citroën Evasion sind in punkto Sicherheit auf dem letzten Stand. Beide verfügen serienmäßig über einen Seitenaufprallschutz, Gurtstraffer und einen Fahrerairbag. Lediglich das Antiblockiersystem wird bei Peugeot für die Saugmotor-Version und bei Citroën in der Basisausstattung X als Extra angegeben. Je nach Wahl der Ausstattungsvariante sind zusätzliche Komfortelemente wie elektrische Fensterheber inklusive.

Identische Motorenpalette

Identisch ist ebenfalls die Motorenpalette der beiden Hersteller. Sowohl Peugeot als auch Citroën stellen zur Markteinführung im Herbst je einen 2,0-Liter- Saugmotor sowie ein 2,0-Liter-Aggregat mit Turbolader zur Wahl. Der Sauger leistet 89 kW (121 PS) und erreicht bei Tempo 177 seine Höchstgeschwindigkeit. Der 108 kW (147 PS) starke Turbo-Triebling ist naturgemäß etwas flotter unterwegs, schafft am Ende 195 km/h. Der Verbrauch ist durchaus zeitgemäß. Beide Triebwerke begnügen sich im Drittelmix mit 9,5 Liter (Sauger) und 10,1 Liter beim Turbo. Anfang 1995 sollen beide Motorenpaletten um jeweils einen Turbodiesel ergänzt werden.

Fragt sich nun der Beobachter, womit denn nun der Kunde für das eine oder andere Modell geködert werden soll? Citroëns Antwort: 'Sicher wird es bei den Finanzierungs- und Leasingangeboten Unterschiede geben.' Aber letztendlich geht es auch Fiat, Citroën und Peugeot wie allen Herstellern nur darum, die Modellpalette so vielfältig zu gestalten, um damit die eigenen Kunden bei der Stange zu halten.

Von Ina Reckziegel

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