Chrysler Neon:Generalüberholt

Ein solides und vernünftiges Auto - aber die Emotionen fehlen

(SZ vom 28.05.1997) Als Chrysler im September 1993 auf der IAA in Frankfurt den Neon lancierte, glaubten die Amerikaner, einen Volltreffer gelandet zu haben - nach dem Motto: Wenn ein Weltkonzern einen Wagen in der Golf-Klasse entwickelt, dann kann nichts schiefgehen. Tatsache aber war, daß der Neon - zumindest in Deutschland - nur eine Mauerblümchenrolle spielte. Natürlich sind die Chrysler-Ingenieure Profis genug, um zu wissen, daß der Neon kein großer Wurf war - sie wissen aber auch, daß es seine Zeit dauert, bis ein völlig neues Modell auf den Markt gebracht werden kann.

Und so lautet derzeit die Devise: Schaden begrenzen, Modellpflege betreiben und auf den Nachfolger warten. Nach ein paar Kilometern in dem überarbeiteten Neon muß man den Verantwortlichen zugestehen, daß sie das Auto in mancherlei Hinsicht verbessern konnten. Und so wurden nicht weniger als 29 Prozent aller Bauteile neu konzipiert - wobei die Ingenieure besonderen Wert auf mehr Komfort legten. So wird beispielsweise nun die Ölwanne aus Aluminium gefertigt, dazu kam eine Überarbeitung des Lufteinlaßsystems, des Ansaugsystems und des Achsantriebs, damit die Geräusch- und Vibrationsdämmung einen neuen Standard erreichen möge.

Aber auch der Innenraum hat etliche Modellpflegemaßnahmen über sich ergehen lassen müssen. Die wichtigste davon dürften neue Sitze sein, die nun komplett in Stoff eingehüllt sind, aber dennoch immer noch zu wenig Seitenhalt bieten - und sich zudem durch die Körperwärme unangenehm aufheizen und damit einen Sauna-Effekt am Rücken bieten.

Zu dem bewährten 2,0-Liter-Vierzylinder mit 98 kW (133 PS) steht von Spätherbst an auch ein 1,8-Liter-Vierzylinder zur Verfügung, der mit 85 kW oder 115 PS Leistung die Einsteiger in die Arme des US-Konzerns treiben soll. Nach ersten - kurzen - Fahrten mit dem überarbeiteten Neon steht man etwas ratlos vor dem Wagen. Da sich über Optik und Ästhetik bekanntlich streiten läßt, sagen wir dazu nur eines: Wir haben in dieser Fahrzeug-Kategorie schon ausgefallenere und einfallsreichere Formen gesehen.

Auf der Straße überzeugt der Neon durch sein neutrales Fahrverhalten und seinen drehfreudigen Motor, der sich allerdings in Drehzahlbereichen über 4000/min in einen recht lauten Burschen verwandelt. Nach Aussagen der anwesenden US-Ingenieure waren die Modelle aber noch nicht auf dem letzten Stand (wobei sich die Frage stellt: Warum werden sie dann präsentiert?). Dagegen ließ sich das Fünfganggetriebe leicht und präzise schalten. Die Verbrauchswerte? Zwischen sieben und elf Litern Normal.

Der Neon ist kein schlechtes Auto - er erfüllt die ihm gestellten Aufgaben solide und ohne Tücken. Es gibt jedoch auf dem Markt etliche Konkurrenten, die vieles besser können - und weniger Wertverlust bieten. Chrysler weiß das: Deshalb rechnet man auch nur mit 1000 verkauften Fahrzeugen im nächsten Jahr - und hofft auf den Nachfolger.

Von Jürgen Lewandowski

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