Camel Trophy mit dem Rover Freelander:Feuerprobe auf Feuerland

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Wie aus einem Geländewagen-Konvoi durch den Dschungel eine Art Aktivurlaub im Schnee wurde

(SZ vom 02.09.1998) Die Gesichter wirken nicht so abgespannt wie sonst, obwohl auf ihnen auch kein Hauch von Freude liegt. Peter trinkt noch Orangensaft, Elena zieht sich andere Schuhe an, das Schlauchboot liegt derweilen unbeachtet im Schnee. Auch die Autos sehen nicht so mitgenommen aus und sind nicht so zerbeult, wie man das von diesen gelben Geländewagen, die hier, im lichten Wald am Seeufer, zuhauf herumstehen, eigentlich kennt. Nur eine Windschutzscheibe mit einem Steinschlagschaden, der geklebt worden ist, und ein Geländewagen, dessen Heck leicht verbeult aussieht. Es war aber nur ein ganz normaler Auffahrunfall: Der Nachfolgende hatte kurz nicht aufgepaßt und war mit 20 km/h auf den Rover Freelander geprallt.

Vom Macho zu Multi-Kulti

Früher, da waren bei der Camel Trophy sogar die Unfälle spektakulärer, sagen die, die es wissen müssen, weil sie schon viele Male dabei gewesen sind. Wird das ein Nachruf auf die gute, alte Zeit, als Frauen bei der Trophy noch tabu waren? Nein, so wie die Zigarette schon lange nicht mehr dabei ist, so hat sich das Konzept im Lauf der Jahre seit 1980, als alles mit einem Preisausschreiben begann, mehrfach verändert. Zuerst zielte man auf die harten Kerle dieser Erde ab, die sich allerdings nur in Deutschland finden ließen, da die Camel Trophy zu dieser Zeit noch eine rein deutsche Angelegenheit war. Motto damals: Wer durch die Hölle will, darf den Teufel nicht fürchten. Dieses Konzept wurde dann geändert, weil der harte Macho nicht mehr so gefragt war: Multi-Kulti schwebte als neuer Geist über der Geländewagenkarawane. In abgelegenen Flecken dieser Erde wurden Brücken gebaut und zugewachsene Denkmäler im Dschungel vermessen.

Seit neuestem ist der Individualist gesucht: Spötter könnten die Tierra del Fuego '98, die im August von Santiago de Chile an den Südzipfel Südamerikas führte, einen Individualurlaub mit organisiertem Rahmenprogramm nennen. Erstmals wurden die 5000 Kilometer in den südlichen Winter nicht in einem Konvoi zurückgelegt, die 20 Teams aus 20 Ländern konnten sich ihre Route mehr oder weniger selbst aussuchen. Nur: Wer dabei wirklich etwas sehen wollte wie die Finnen oder das Ganze als eine Art Abenteuerurlaub auffaßte wie die Japaner, hatte keine Chance, die Trophy auch zu gewinnen.

Doch bei den allermeisten der zweiköpfigen Teams herrschte weniger der olympische Gedanke als der Wille zum Sieg vor. Der war offenbar besonders bei den Amerikanern ausgeprägt, die, mit Mililtärschlafsäcken ausgerüstet, anscheinend zu einer Art "operation desert storm" erschienen waren. Sie hatten sich wohl noch nicht mit der neuen Trophy-Philosophie angefreundet: Die Teams gönnten sich nach den Strapazen des Tages den Komfort von Hotels, Pensionen und kleinen Hütten, das deutsche Team übernachete nur sechs Mal unter dem südlichen Sternenhimmel.

Dazu paßt auch das neue offizielle Trophy-Auto: der Rover Freelander, ein Gefährt, das speziell für die Trophy entwickelt worden zu sein scheint. Das beginnt schon bei der weichen, rundlichen Optik, die keinen kantigen Geländwagen, sondern ein Fun-Auto erkennen läßt. Statt Benzinkanistern wurden diesmal auf dem Dach Mountainbikes, Snowboards, Ski, Schneeschuhe und Kajaks durch die Anden gekarrt. Nur die Farbe der Freelander hat sich nicht dem Schnee angeglichen, sie ist wüstenfarben geblieben. Der Freelander trat zwar mit dem Anspruch, ein echter Geländewagen zu sein, bei der Trophy an, aber wenn es dick kommt, dann ist nach Meinung aller Experten der gute alte Defender einfach besser.

Die Seilwinden krächzen nicht mehr

Das ist auch der Grund dafür, daß zu jedem Team ein solches Support-Auto gehörte. Aber da vor allem auf Asphalt, manchmal auch auf Schotterpisten, gefahren wurde, kamen die bei den bisherigen Trophys im Dauereinsatz krächzenden Seilwinden diesmal kaum zum Einsatz. Der Freelander ist erst vor einem halben Jahr auf den Markt gekommen - und ein besseres Werbeereignis als die Trophy kann man sich zur Markteinführung nur schwer einfallen lassen.

Für die Anden-Passage zum Kap Horn waren die Freelander mit speziellen Geländereifen, einem Unterfahrschutz und der offenbar unvermeidlichen Batterie von Zusatzscheinwerfen ausstaffiert - und zusätzlich mit allerlei Ortungs- und Navigationstechnik vollgestopft worden. Denn es gab keine Ortsangaben, nur Koordinaten für die drei obligatorischen Treffpunkte auf der Strecke. Sie mußten mit Hilfe von GPS-Empfängern dechiffriert werden, und zusätzlich erlaubte ein sogenanntes Web-Track-System den Oberaufsehern in London, jederzeit über die Position aller Autos Bescheid zu wissen. Nur gut, daß das System bisweilen ausfiel und so wenigstens ein Hauch von Abenteuer wehte.

Manche Teams verließen sich allerdings weniger auf die Technik, sondern heuerten einheimische Führer an, um schneller zu den Orten, an denen Punkte gesammelt werden konnten, zu gelangen. Dort ging es dann allerdings zur Sache: Je mehr Kajak oder Ski gefahren oder mit dem Moutainbike die Berge hinauf- und hinuntergeradelt wurde, desto mehr Punkte horteten die Teams - also möglichst schnell von einer discovery location oder einer adventure location zur anderen fahren. "Hochleistungssportler fahren Rallye, das Autofahren ist völlig in den Hintergrund getreten, damit frißt die Legende ihre Kinder auf", faßte einer zusammen, der bereits 17 Mal die Trophy im Begleittroß mitgemacht hat.

Bekanntschaft mit Tankwarten

7400 Kilometer legten die beiden deutschen Teilnehmer, Elena Böggemeyer, eine 30jährige Biologin aus Freiburg, und Peter Weiland, 31jähriger Marketing-Mann aus Rotenburg an der Fulda, in ihrem Freelander zurück, 2500 Kilometer mehr als für die direkte Strecke nötig. Das ist nicht einmal der Rekord: Manche Teams schafften 9000 Kilometer auf ihrer Eichhörnchen-Rallye, ohne dabei viel von Land und Leuten zu sehen. "Wir kennen nur die Tankwarte", sagte einer, da die Teams zum Teil bis zu 40 Stunden unterwegs waren. Sie durften sich zwar beim Fahren abwechseln, nicht aber die Fahrer der Unterstützungsfahrzeuge. Hinter vorgehaltener Hand war denn auch von Wachhaltepillen die Rede. Weitere Besonderheit: Der Freelander mußte immer vor dem Defender herfahren. Wenn mal einer steckenblieb, durfte der Defender den Freelander nur rückwärts herausziehen. Dann mußten es die Teams neu probieren - ein Freelander gibt nicht auf, da er nicht schlechter ist als ein Defender. Aber auf den Teerstraßen blieb ohnehin niemand stecken.

Das Autofahren stand diesmal wirklich nicht im Mittelpunkt der Trophy, eher war es eine Art sportlicher Vierkampf mit Autofahren. Daß es sich bei den Teilnehmern, die eine heftige Auswahlprozedur überstehen mußten, wirklich um Konditionsbolzen handelt, ist keine Frage. 16 000 Deutsche hatten ihr Interesse bekundet, an der Trophy teilzunehmen, etwa soviele wie in den Jahren zuvor. Ein Drittel davon waren Frauen, ein Drittel hatte sich über das Internet beworben. Die Bewerber werden immer jünger: Sie sind jetzt meist Anfang 20, nicht um die 30 wie in früheren Jahren.

Bei der Tierra del Fuego '98 gab es wieder eine Premiere, indem Spanien das erste reine Frauen-Team stellte. Peter Weiland und Elena Böggemeyer sehen das Ganze als "große Herausforderung und wirkliches Abenteuer". Für den Nordhessen Weiland dürfte diese Art von Reisen eigentlich nichts allzu Neues darstellen, da er, wenn er nicht gerade die Camel-Klamotten trägt, selbst "Abenteuerreisen, Autorennen für Manager und Spezial-Business-Reisen" organisiert. Elena Böggemeyer gibt als ihr Hobby "Jeden Tag das Leben genießen" an.

Ob es Spaß macht, von einem Boot in einen eiskalten Fluß zu kippen, sei einmal dahin gestellt, aufregend muß es für die beiden auf jeden Fall gewesen sein. Etwas gemütlicher ließen es die Deutschen nur beim Autofahren angehen: "Sie haben sich so in ihren Freelander verliebt, daß sie die Strategie ändern und sicherstellen wollen, daß dem Auto kein Schaden zustößt", hieß es in einem der täglichen Pressebulletins.

Diese Strategie haben die Deutschen offenbar bis zum Ende konsequent durchgehalten. Bei der Siegerehrung in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt, konnten sie keinen Pokal aus der Hand des dortigen Gouverneurs in Empfang nehmen: Ihnen blieb nur der siebte Rang in der Gesamtwertung. In den Einzeldisziplinen schnitten sie unterschiedlich ab. Beim Offroadfahren belegten sie den 13. Platz, beim Kilometerfressen um den Land-Rover-Award kamen sie auf Rang zehn. Weitere Wertungen in den Einzeldisziplinen: Kajakfahren Platz sieben, Mountainbiken Rang sechs und beim Skifahren den vierten Platz.

"Ich bin schon enttäuscht", sagte Elena Böggemeyer. Vor allem ärgerte es sie, daß das Frauen-Team aus Spanien den sechsten Platz belegte. Sieger wurde Frankreich - kein Wunder, wurde ein Team-Mitglied doch "the machine" genannt. Böggemeyer und Weiland wirken jeweils wie ausgeprägte Persönlichkeiten, er zurückhaltender, sie impulsiver. Wer denn in den drei Wochen im Freelander der Boß gewesen sei? Keiner, versichern sie, aber es fiel auf, daß die Frau beim Zieleinlauf am Steuer saß. Schon Mick Jagger wußte: She's the boss.

Die Camel Trophy hat sich in den vergangenen 20 Jahren einen hohen Bekanntheitsgrad aufgebaut: Laut Umfragen kennt die Hälfte aller Deutschen den Kovoi, der sich durch den Urwald kämpft. Genau hier lag aber auch einer der Gründe für die Veränderungen im Konzept der Trophy: Sie hinterließ den Eindruck, zu hart geworden zu sein. Deshalb steht jetzt der Spaßfaktor, auf Neudeutsch Fun, im Vordergrund.

Nur zu anstrengend darf der Fun nicht sein. Deshalb konnten sich die Teams ihre Routen weitgehend selbst aussuchen. "Freedom", mit diesem Wort beschreibt Trophy-Boss Nick Horne das neue Konzept: die Freiheit, viel oder wenig zu fahren, die Freiheit, im Luxushotel oder im Sumpf zu übernachten. Pro Tag gibt es jedenfalls 15 Dollar für jeden Teilnehmer, damit er sich frische Verpflegung statt Dosenfutter und kommode Schlafstatt statt Schlafsack auch leisten kann.

Schneematsch im Gesicht

Auch im nächsten Jahr wird es wohl wieder eine Trophy geben, und die deutschen Teilnehmer werden Worte sagen können ähnlich wie diese von Peter Weiland: "Wir werden jede Menge argentinischer Steaks essen, um Kraft zu bekommen. " Puristen mag dies abschrecken, aber auch beim härtesten Abenteuer der Welt ändern sich die Zeiten: "Jetzt haben die einzelnen Teams viel mehr Verantwortung", sagt Hans-Hermann Ruthe, Unternehmer aus Wuppertal, der vor acht Jahren deutscher Vertreter bei der Trophy in Sibirien war.

Klar ist, daß es die erste und gleichzeitig letzte Trophy unter Winterbedingungen war: Mountainbiken macht bei Wärme einfach mehr Spaß als bei Dauerregen oder "wenn einem der Schneematsch permanent ins Gesicht spritzt", erinnert sich Elena Böggemeyer.

Der Hintergedanke für den Ausflug in den Winter war, daß man den Verkauf von Camel Trophy Adventure Wear, der Camel-Outdoor-Kleidung, im Winter ankurbeln wollte. Aber da ziehen die Verbraucher offenbar nicht so mit, da sich per Werbung aus Outdoor-Bekleidung nicht so einfach schicke Winterklamotten machen lassen. Aber die Geschäfte laufen trotzdem gut: 570 Millionen Mark betrug der Umsatz mit den Camel-Sachen im vergangenen Jahr in Deutschland. Jeweils rund 40 Prozent wurden mit Bekleidung und Schuhen gemacht. "Jahr für Jahr konnten zweistellige Zuwachsraten erzielt werden", sagt Manfred Wolterhoff, Geschäftsführer von WBI, die die deutschen Camel-Aktivitäten bündelt.

Für ihn ist der Trend zur Individualisierung die einzige Möglichkeit, die Trophy auch in den nächsten 20 Jahren attraktiv zu halten. Selbst wenn die Bilder, die über die TV-Schirme flimmern, aussehen, als stammten sie aus dem Werbevideo eines großen Sportartikelherstellers. Die Zukunft gehört den Snowboards und den Satellitentelephonen. Und irgendwann wird bei der Camel Trophy das Rauchen gänzlich verboten sein.

Von Otto Fritscher

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