Bundesamt für Güterverkehr:Vor allem der Papierkram kostet Zeit

Lkw Kontrolle auf der Autobahn

Ein Kontrolleur des Bundesamtes für Güterverkehr überprüft auf der A 3 bei Regensburg die Räder eines Sattelaufliegers.

(Foto: Stephan Rumpf)

Überladene und unsichere Lastwagen, missachtete Lenkzeiten: Wer mit den Lkw-Kontrolleuren des BAG unterwegs ist, erkennt, wie wichtig ihre Arbeit ist. Doch wegen der Bürokratie ist sie kaum zu schaffen.

Reportage von Marco Völklein

Zuerst schaut Michael Prey immer aufs Gummi: 315/70 R 22,5. Dann prüft er, ob die Reifengröße, die der Fahrer des Volvo-Lasters aufgezogen hat, auch auf dem Typenschild an der Innenseite der Fahrertür angebracht ist. "Das passt", sagt Prey. Und stellt sich dem Fahrer vor. Der aber weiß bereits seit einigen Minuten, was auf ihn zukommt. Da hatte sich Prey mit seinem blau-silbern lackierten Kleintransporter auf der Autobahn A 3 vor den Lastwagen gesetzt und die Signalschrift auf dem Dach angeschaltet. "Lkw-Kontrolle", steht da in roten Lettern auf schwarzem Grund geschrieben. "Bitte folgen!"

Prey ist einer von bundesweit etwa 250 Kontrolleuren des Bundesamts für Güterverkehr, kurz BAG. Mit ihren Kleintransportern sind sie Tag für Tag unterwegs, um Lastwagenfahrer zu kontrollieren. So mancher Brummilenker stöhnt auf, wenn eines der BAG-Autos im Rückspiegel auftaucht. "Die meisten wissen, was sie erwartet", sagt Preys Kollege Bernhard Möckel. Und sie bereiten sich entsprechend vor. Noch während sich der Kontrolleur vorstellt und um die Papiere bittet, kramt der Fahrer bereits in seinen Unterlagen.

Ohne Papiere geht gar nichts - auch und vor allem im europäischen Fernverkehr. Der Volvo-Lenker muss nicht nur seinen Personalausweis, die Fahrzeugpapiere und den Führerschein vorlegen. Nein, im Güterkraftverkehr gelten zahlreiche zusätzliche Bestimmungen, Gesetze und Verordnungen, deren Einhaltung von den Mitarbeitern des BAG kontrolliert werden. Und zu fast jedem Gesetz, zu fast jeder Verordnung gibt es die passenden Formulare.

Prey geht den Stapel nach und nach durch. So müssen Fuhrunternehmer aus Ländern, die nicht der EU angehören, besondere Transportgenehmigungen vorlegen. In denen schreiben die Behörden ihnen zum Beispiel vor, dass an den Sattelaufliegern ein spezieller Unterfahrschutz montiert werden muss. Transportiert der Fahrer Abfall auf seinem Truck, hat er vorne und hinten ein Schild mit dem Buchstaben A anzubringen - und entsprechende Nachweise mit sich zu führen. Das Amt listet eine Vielzahl von Rechtsgebieten auf, die geprüft werden müssen: Das geht von Arbeitszeit über Ladungssicherung und Sozialversicherung bis hin zum Weinrecht.

Rennstrecke für Transporte von und nach Osteuropa

An diesem Donnerstagvormittag haben sich Prey, Möckel und fünf weitere Kontrolleure an der A 3 zwischen Nürnberg und Regensburg postiert. Die Autobahn gilt als Rennstrecke für Transporte von und nach Osteuropa, von der "Balkanroute" spricht Peter Rothgängel, der Chef der Kontrolltruppe. Ihm unterstehen gut 20 Kontrolleure im gesamten nordbayerischen Raum. Ihr Revier erstreckt sich in etwa von der Grenze zu Sachsen und Thüringen im Norden bis hinunter zur A 93 rund um Regensburg und noch etwas weiter bis zum Autobahndreieck Holledau.

Auf einem für den normalen Autoverkehr gesperrten Parkplatz an der A 3 haben die Mitarbeiter an diesem Tag ihre provisorische Kontrollstelle eingerichtet. Immer wieder prescht einer der vier Kleintransporter mit dem BAG-Schriftzug auf der Tür los - und lotst nach ein paar Minuten erneut einen Lkw von der Autobahn runter auf den Parkplatz. Die Lkw-Lenker öffnet die Fahrertür, die Kontrolleure stellen sich vor. Und dann geht er wieder von vorne los - der Kampf mit den Papieren.

Das BAG-Auto ist ein rollendes Büro - aus gutem Grund

"Wenn etwas nicht stimmt, dann fällt einem in der Regel da schon irgendetwas auf", sagt Oberkontrolleur Rothgängel. Tatsächlich hat sein Kollege Prey bei einem Fahrer aus der Türkei festgestellt, dass die TÜV-Zulassung für den Sattelauflieger seit etwas mehr als einem halben Jahr abgelaufen ist. Das muss zwar nicht automatisch heißen, dass der Hänger nicht mehr verkehrstauglich ist. Aber "ähnlich wie bei jedem Pkw", sagt Rothgängel, so muss auch ein Auflieger regelmäßig zum Technik-Check. Geschieht das nicht, werden Strafen fällig. Im Falle des türkischen Fahrers sind es gut 1500 Euro, die der türkische Unternehmer wird zahlen müssen. Eine Sicherheitsleistung über 200 Euro behält der Kontrolleur noch auf dem Parkplatz vom Fahrer ein. Zudem stellt Prey beim genaueren Hinsehen fest, dass der Fahrer die Lenkzeiten überschritten hat - dafür werden weitere 30 Euro fällig. Fast jede Kontrolle bedeutet allerdings auch wieder neuen Papierkram.

Denn sobald Prey etwas entdeckt, muss er einen Bericht anfertigen. Die BAG-Kleintransporter sind dazu ausgestattet wie ein rollendes Büro: Jeder Kontrolleur hat einen Laptop, es gibt einen Drucker an Bord, Funk- und Faxgerät. Auch ein Telecash-Terminal ist montiert, weil viele Fahrer das Bußgeld mittlerweile mit Kreditkarte bezahlen. Während Prey also in seinem Transporter sitzt, den Bericht tippt, Quittungen und Bestätigungen ausdruckt und mit Stempeln versieht, und der Fahrer mit seinem Disponenten in der Türkei telefoniert und ihm die Sache mit dem fehlenden TÜV-Nachweis für den Auflieger erklärt - währenddessen rauschen auf der Autobahn daneben zahllose Lkw vorbei. Und man denkt sich so: Brummen da gerade nicht viel zu viele Verkehrssünder einfach so an den Aufpassern vorbei?

"In Berlin hat keiner einen Plan"

"Wir können nur stichprobenartig kontrollieren", räumt Rothgängel ein. Hinzu kommt: Viele Fahrer warnen sich über Funk gegenseitig, wenn sich die Kontrolleure wie an diesem Tag mit einer Schwerpunktaktion an einer Autobahn postieren. Wer sich mit Mitarbeitern des Amtes abseits eines offiziellen Termins unterhält, der erlebt zudem, dass manch einer frustriert ist: Die Zahl der Lastwagen auf den Straßen steige von Jahr zu Jahr, die der Straßenkontrolleure aber schwankt ausweislich der BAG-Geschäftsberichte seit Jahren zwischen 240 und 250. Laut Statistischem Bundesamt wuchs die Menge der beförderten Güter auf den Straßen von 2010 bis 2015 um 14 Prozent, die Beförderungsleistung um acht Prozent. Und Fachleute rechnen mit weiterem Wachstum. Ein Kontrolleur meint: "In Berlin hat keiner einen Plan, wie mit all dem Lkw-Verkehr in den nächsten Jahren umgegangen werden soll."

Zumal Kontrolleure auch über Arbeitsbedingungen klagen. Viele Parkplätze seien "verpisst und versch...en", im Sommer der Gestank kaum zu ertragen. Und vom frühen Abend an könne man Kontrollen ohnehin kaum noch durchführen, weil auf den heillos zugeparkten Rastplätzen eh kein Stellplatz mehr zu finden sei. So mancher Kontrolleur schaut da neidisch nach Österreich: Dort unterhält die staatliche Autobahngesellschaft Asfinag landesweit etwa ein Dutzend ausgebaute Kontrollstellen - mit Lkw-Waage, Prüfgruben, Kontrollhallen und Bürocontainern. In Deutschland gibt es so etwas bislang nicht.

"Total überladen"

Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) will das - zumindest in seinem Bundesland - ändern. Schrittweise, aber "so schnell wie möglich", wie er sagt, sollen bayernweit neun stationäre Kontrollstellen in Autobahnnähe entstehen. Die ersten will er an der A 9 nördlich von München bei Fahrenzhausen sowie an der A 8 bei Bad Aibling errichten. Laut Herrmann ist geplant, dass die Kontrollposten nicht nur von bayerischen Polizisten, sondern auch von Bundesbehörden genutzt werden, also vom Zoll, der Bundespolizei und von den Teams des BAG.

Wie wichtig solche Kontrollen aus Sicht der BAG-Leute sind, zeigt sich auch an diesem Vormittag auf der A 3. Noch bevor die Kontrolleure mit ihren Stichproben so richtig loslegen, kracht ein rumänischer Laster nur ein paar Kilometer von der Kontrollstelle entfernt in eine Absperrung an einer Wanderbaustelle. Die Polizei vermutet, dass der Fahrer kurz eingenickt war. Verletzt wird glücklicherweise niemand; kurze Zeit später lässt die Polizei den havarierten Laster auf den zur BAG-Kontrollstelle umfunktionierten Parkplatz schleppen. Prey und seine Kollegen nehmen den Lkw interessiert in Augenschein. "Total überladen", urteilt der erfahrene Kontrolleur. Zudem ist die Ladung, schwere Maschinenteile, kaum gesichert. Am dreiachsigen Anhänger fehlt links sogar das Rad in der Mitte. Prey hat schon viel gesehen. Aber hier sagt selbst er: "Da bin ich erschüttert."

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