BMW in den USA:Hier Bayer, dort Südstaatler

Der Autohersteller BMW stockt seine Jahresproduktion im US-Bundesstaat South Carolina um 50 Prozent auf und liebäugelt mit einem weiteren Ausbau.

Thomas Fromm

Es ist ein Heimspiel für alle. Für Vorstandschef Norbert Reithofer, weil er schon mal hier im Werk Spartanburg in South Carolina gearbeitet hat. 1997 bis 2000 war das, und heute, an dem Tag, an dem BMW hier die Erweiterung seiner amerikanischen Autofabrik feiert, sagt er einen Satz sehr oft. Dass dies hier "die zweite Heimat" des Autobauers sei. Und deshalb ist auch die örtliche Prominenz gekommen, um in einer 110.000 Quadratmeter großen Werkshalle den wichtigsten Arbeitgeber des südlichen US-Bundesstaates zu feiern.

Die vielen Autozulieferer und Kleinunternehmer aus der Gegend sind da, der Gouverneur, der Senator. Der Gouverneur sagt: "Danke, BMW, dafür, dass ihr hier etwas für die Menschen macht." Der Senator sagt: "Aus unserer Partnerschaft ist eine Hochzeit geworden." In der Halle, in der nun die Neuauflage des Geländewagens X3 zusammengeschraubt wird, steht noch ein älteres X3-Modell - im Design der amerikanischen Flagge. "A patriot symbol" steht auf einem Schild daneben. Und "BMW - proud to call South Carolina home": BMW ist "stolz, in South Carolina zu Hause zu sein".

South Carolina, das ist kein Ort, der einem sofort einfällt, wenn man an BMW denkt. Nicht wie bei Regensburg, Dingolfing, Leipzig, erst recht nicht München. Und doch - der Konzern, der Bayern im Namen trägt, wird amerikanischer. In Spartanburg läuft nun fast die gesamte X-Serie vom Band, der X3, der X5, der X6.

1,6 Millionen Autos hat BMW seit der Werkseröffnung 1994 in Spartanburg gebaut, und 750 Millionen Euro wurden jetzt für die X3-Fertigung investiert. 2011 soll die Jahresproduktion um 50 Prozent auf 240.000 aufgestockt werden. Längst mehr als in München.

Und es soll noch mehr werden: Die Überlegungen zu dem Ausbauschritt müssten "jetzt beginnen", sagt Reithofer. Er könne sich "durchaus noch ein zusätzliches Produkt" in Spartanburg vorstellen. Ein starkes Volumenmodell, eine Baureihe, die sich auch in den USA gut verkauft. Der 3er? Der 5er? BMW will es nicht verraten, es gebe "noch keine Beschlüsse".

Es geht um ein sensibles Thema. Entweder verkauft der Hersteller von einem dieser Modelle in den nächsten Jahren so viel mehr, dass sich eine zweite Produktion in den USA lohnt. Oder aber er muss Produktion aus Deutschland abziehen.

Was das bedeutet, musste der Rivale Daimler erfahren. Als die Stuttgarter vor knapp einem Jahr ankündigten, Teile ihrer C-Klasse vom Traditionswerk Sindelfingen nach Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama zu verlagern, war in der Belegschaft die Hölle los. Erst als der Konzern seinen 37.000 Beschäftigten in Sindelfingen eine Arbeitsplatzgarantie versprach, wurde es wieder ruhiger.

Die Schlacht ist längst im Gange

Für die Hersteller steht viel auf dem Spiel, denn die Rechnung geht aus ihrer Sicht schon lange nicht mehr auf. Noch immer haben sie einen Großteil ihrer Mitarbeiter in Deutschland - obwohl sie längst drei Viertel ihrer Geschäfte außerhalb des Heimatmarktes machen.

BMW verkauft an die 1,3 Millionen Autos weltweit im Jahr; bis 2016 sollen es 1,6 Millionen, im Jahr 2020 dann zwei Millionen sein. Ein Großteil dieses Wachstums wird außerhalb Europas stattfinden. Die USA sind für den Hersteller teurer Edelautos schon jetzt der zweitwichtigste Markt. Im September verkaufte der Autobauer dort mehr als 18.000 Wagen, rund ein Fünftel mehr als vor einem Jahr.

Seit Jahresbeginn waren es an die 157.000 Fahrzeuge, die BMW an Amerikaner verkaufte - rund 18 Prozent des Absatzes. Schon bald könnte Amerika der wichtigste Markt sein. Vorausgesetzt, die Rezession kehrt nicht mit aller Wucht zurück. Reithofer ist vorsichtig. Um so viel zu verkaufen wie vor der Krise, müsse man wohl bis 2013 oder 2014 warten.

Dennoch - in der Münchner BMW-Zentrale weiß man: Wenn man wachsen will, muss man die meistverkaufte Premium-Marke in den USA sein, dem Weltmarktführer Toyota Marktanteile abjagen und die deutschen Mit-Rivalen Daimler und Audi auf Distanz halten. "Wir müssen um jeden Kunden kämpfen", sagt BMW-Amerikachef Jim O'Donnell. So wie er es sagt, klingt es so, als würde er seine Leute in eine Schlacht schicken.

Die ist längst in vollem Gange: Audi ist der Schwächste im Bunde, setzt gerade mal die Hälfte von dem ab, was die anderen aus Stuttgart und München verkaufen. Aber die VW-Tochter will aufholen. Und so treffen sie sich alle wieder im Süden der USA: Daimler in Alabama, BMW in South Carolina. Und Volkswagen ist dabei, erstmals nach Jahren wieder mit einer eigenen Fabrik in die USA zurückzukehren und investiert dafür 620 Millionen Euro in Chattanooga, Tennessee. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann dort auch die ersten Audis vom Band rollen.

Während die krisengeplagten amerikanischen "Big Three" General Motors, Chrysler und Ford ihr Herz noch immer im Norden, im US-Bundesstaat Michigan haben, ziehen die Deutschen nach Alabama, South Carolina und Tennessee. Im strukturschwachen Süden der Vereinigten Staaten soll funktionieren, was den Amerikanern in der heruntergewirtschafteten Auto-Metropole Detroit nicht mehr gelingt. Das hat etwas mit den niedrigeren Kosten zu tun, aber auch damit, dass die traditionell starken Gewerkschaften im alten Süden nichts zu sagen haben - anders als im historisch gewachsenen "Rost-Gürtel" des Nordens.

Ein "Standortvorteil", räumt BMW-Produktionschef Frank-Peter Arndt ein. Und die regionalen Regierungen des Südens kommen den Deutschen mit Subventionen und Steuererleichterungen entgegen.

Wenn der neue X3 Anfang 2011 bei US-Händlern steht, wird er 37.625 Dollar kosten. Gut 2000 Dollar weniger als sein Vorgänger aus europäischer Produktion. 2000 Dollar, in denen das ganze Gefälle liegt. Dass man in South Carolina dennoch nur selten Premiumfahrzeuge aus München sieht, liegt in der Natur der Sache. Die Klientel lebt woanders.

Ohnehin geht es den Deutschen nicht nur um den amerikanischen Markt. 70 Prozent der Spartanburger Geländewagen gehen in den Export, kein anderer Hersteller exportiert mehr Autos von dort aus in Märkte außerhalb Nordamerikas als BMW. In Deutschland sind sie ein bayerischer Hersteller. In den USA ein Südstaaten-Produzent.

Das hat knallharte Vorteile: Wer hier produziert, macht sich unabhängiger vom Wechselkurs. Der Dollar, so die Überzeugung in der Branche, wird auf Dauer niedrig bleiben. Verdient wird meist in der Fremdwährung, die Produktionskosten aber werden in Euro verbucht. Die Gewinne schrumpfen. Dazu kommt: Der starke Euro macht europäische Produkte im Dollarraum teurer. Ein Teufelskreislauf.

Einzige Chance: Man umgeht die Falle, wenn man da, wo man verkauft, auch produziert. In South Carolina zum Beispiel, wo auch die Lohnkosten immer noch unter den Löhnen von Sindelfingen, Wolfsburg oder München liegen. Auch wenn BMW versichert, dass man in Spartanburg "sehr hohe Löhne" zahle.

Die ganz großen Unterschiede zwischen South Carolina und Bayern liegen ohnehin wohl eher im Detail. In Dingolfing würde man bei einer Werksfeier wohl Weißbier reichen, Leberkäs und Brezn. Wirklich bayerisch ist in Spartanburg an diesem Tag aber nur der Dialekt, mit dem die BMW-Manager ihre Ansprachen auf Englisch halten. Ansonsten gibt es zur Feier des Tages Limonade mit Eis.

Am Ende lassen sie Hunderte Arbeiter hinter einem X3 vorbeimarschieren, dazu pathetische Filmmusik. Standing Ovations. Dann löst sich das Ganze auf, auch der Senator steigt in seinen Wagen und fährt weg.

In einem großen, alten, silberfarbenen Ford.

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