Blech der Woche (83): Wolseley 18/85:Der edlere Austin

Was bitte ist ein Wolseley? Marcus Pieper weiß es - er fährt das einzige Exemplar des britischen Oldtimers, das es in Deutschland gibt.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

Blech der Woche (83): Wolseley 18/85: Wolseley: von Austin und Morris durch den wuchtigeren Kühlergrill zu unterscheiden

Wolseley: von Austin und Morris durch den wuchtigeren Kühlergrill zu unterscheiden

(Foto: Foto: Carsablanca)

Marcus Pieper (midget1275) hatte genaue Vorstellungen von dem "Zweit-Oldtimer", der neben seinem MG Midget künftig seine Garage bereichern sollte: Aus britischer Produktion musste er sein, familientauglich mit vier Türen und entsprechendem Platzangebot, und - seiner britischen Vorliebe entsprechend - ruhig ein wenig skurril. Außerdem musste der Wagen, ein nicht unwichtiges Kriterium, seiner Ehefrau gefallen. Geworden ist es ein Wolseley 18/85 aus dem Jahr 1968. Aber was bitte ist ein Wolseley?

Wolseley war innerhalb der BMC die Nobel-Marke und für die Luxusversionen der Großserien-Pkws zuständig. Beim Modell 18/85 handelte es sich um eine Variante des Morris bzw. Austin 1800, mit denen er sich die technische Basis teilte. Optisch zu unterscheiden war er in erster Linie durch eine andere Front mit einem wuchtigeren Kühlergrill.

Vor allem im Innenraum glänzte der Wolseley mit gediegener Verarbeitung. Sein Armaturenbrett, das diese Bezeichnung in der Tat verdiente, wurde nämlich aus echtem Holz gefertigt. Die erste Serie, der Marcus Piepers Exemplar entstammt, hatte darüber hinaus ein echtes Leder im Interieur, "doch irgendwann wurden die Originalsitze bei meinem Wagen gegen die aus der zweiten Serie ausgetauscht - und die sind leider ab Werk nur noch mit Kunstleder bezogen", ärgert sich Pieper ein wenig.

Die Heimfahrt: von Edinburgh nach Paderborn

Gefunden hat der Mann aus der Stadt an der Paderquelle seinen Wunsch-Oldtimer bei einer gezielten Suche im Internet. Der blaue Viertürer wurde auf der britischen Seite eines großen Auktionshauses angeboten. Marcus Pieper signalisierte ernsthaftes Interesse, ließ sich vom Verkäufer ein paar weitere Bilder schicken. Schließlich ersteigerte er den Wagen, ohne ihn zuvor real gesehen oder gar inspiziert zu haben.

"Ein wenig verrückt muss man schon sein, wenn man eigens nach Schottland fliegt, um ein Auto auf eigener Achse nach Deutschland zu überführen, über dessen Zustand man im Grunde herzlich wenig weiß", schmunzelt der 44-jährige Briten-Fan. Und doch tat er samt Ehefrau genau das, stieg an einem Freitag Morgen in Paderborn in den Zug zum Flughafen Köln/Bonn und anschließend in den Flieger nach Edinburgh. Dort wurden sie verabredungsgemäß von ihrem künftigen Wolseley und dessen Verkäufer am Flughafen erwartet.

Nach der Abwicklung des Geschäfts ging es für die Piepers auf die Heimreise: "Auf eigener Achse, wie gesagt! Aber eine Nonstop-Tour wollten wir uns nicht zumuten - und dem Wolseley erst recht nicht, denn der hatte, wie ich mittlerweile wusste, rund vier Jahre Standzeit hinter sich. Zum Glück haben wir liebe Freunde in Redditch - das liegt bei Birmingham -, so dass wir in England eine Übernachtung einlegen konnten. Am nächsten Tag ging es via Dover Richtung Kontinent und dann Nonstop heim nach Paderborn. Fast 48 Stunden waren wir unterwegs."

Der Wolseley hatte sich von der Langstrecke nicht beeindrucken lassen und machte auch im Anschluss keine Mucken. So blieb es bisher beim Austausch der Reifen, denn "die beim Kauf montierten Pneus stammten aus dem Jahr 1989 und waren doch schon leicht porös", so Marcus Pieper.

Immer schon edel: Wurzelholzfurnier

Hinweis

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Dieser Artikel basiert auf einer Kooperation von sueddeutsche.de mit carsablanca.de.

Das leicht angegriffen aussehende Armaturenbrett bekam beim Schreiner einen neuen Überzug aus feinem Wurzelholzfurnier, und "im kommenden Sommer, wenn wieder Cabrio-Saison ist, werde ich mich mal dem Lack widmen", hat sich Pieper vorgenommen. Außerdem wünscht er sich einen neuen Teppichsatz und will den Fahrersitz aufarbeiten lassen.

Hierzulande ist der Wolseley selbst bei den Freunden britischer Fahrzeuge ein weitgehend unbekanntes Wesen. Marcus Pieper, der vor fünf Jahren das MG Midget und Austin Healey Sprite Register Deutschland (www.spridgets.net) gegründet hat und sich nach eigenem Bekunden in der Szene einigermaßen auskennt, ist jedenfalls kein zweites Exemplar bekannt.

Das verwundert wenig, denn von den rund 350.000 gebauten Austin-1800-Modellen entfiel kaum ein Zehntel auf die Luxus-Variante von Wolseley. So kann der Paderborner, der sein Geld bei der Post verdient, sicher sein, dass seine Limousine die einzige Vertreterin ihrer Gattung in Deutschland ist, auf welcher Veranstaltung er auch immer mit ihr auftaucht. Irgendwie auch typisch britisch.

Wolseley 18/85: Bauzeit 1968 - 1971; Zylinder: 4; Hubraum: 1798 ccm; Leistung: 84 PS; Höchstgeschwindigkeit 156 km/h; Verbrauch: ca. 12 Liter / 100 km

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