Blech der Woche (75): Glas 1204 Cabrio:Voller Durchblick

Es gab eine Zeit, da kannte Bernd Ollendorf die Hans Glas GmbH allenfalls dem Namen nach als Hersteller des niedlichen Goggomobils. Heute ist er stolzer Besitzer eines selbst restaurierten Glas 1204 Cabrios.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

Der Baureihe mit der Endnummer 04 von Glas war kein langes Leben beschieden: Im Frühjahr 1962 kamen die ersten Exemplare zu den Händlern und schon Ende 1967 lief auf Entscheidung der BMW-Gewaltigen, die durch eine Übernahme mittlerweile in Dingolfing das Sagen hatten, die Produktion der zweitürigen Mittelklassenlimousine aus. Insgesamt waren etwas mehr als 40.000 Exemplare entstanden. Offenbar wollte man in der bayerischen Landeshauptstadt die Konkurrenz für die eigene 02-Baureihe ausschalten. Allerdings bot Glas mit einer Kombilimousine und einem Cabrio Varianten an, die BMW beim 02 erst mit zum Teil erheblicher Verzögerung auf den Markt bringen konnte.

Bernd Ollendorf (Glasdriver) suchte gezielt nach einem offenen Auto und fand sein 1204 TS Cabrio mithilfe einer Anzeige im Glas-Club-Magazin. Bei dem angebotenen Fahrzeug handelte es sich um eines aus dem letzten Produktionsjahr, das viele Jahre unbewegt herumstand. Der im Frühjahr 1967 ausgelieferte Wagen war 1976 in fahrbereitem Zustand abgestellt worden, hatte aber seitdem offenbar nicht immer ganz trocken gestanden.

Der Zustand des von grün auf rot umlackierten offenen Zweitürers war entsprechend Mitleid erregend - unter anderem ließ sich der Motor nicht mehr drehen. Aber während sich Ollendorfs große Tochter Juliane bei der ersten Begegnung mit Grausen von dem "Schrotthaufen" abwandte, signalisierte seine Frau Michaela Verständnis, hatte sie doch schon andere Projekte ihres vom "rostigsten Hobby der Welt" infizierten Mannes begleitet, darunter einen 1700 GT und einen V8 "Glaserati".

Bernd Ollendorf ging beim Wiederaufbau des maroden Glas systematisch vor. Er demontierte zunächst das zwar verschmutzte, aber im Grunde gut erhaltene Interieur, das welke Verdeck und alle Anbauteile sowie den arbeitsunwilligen Antriebsstrang. Lediglich die Rollfähigkeit des Glas blieb einstweilen erhalten. Dann widmete sich der Hamburger der Karosserie, an der die braune Pest bereits großflächig ihr zerstörerisches Werk verrichtet hatte. Um eine vernünftige Bestandsaufnahme zu ermöglichen, ließ Ollendorf die Rohkarosserie komplett sandstrahlen. Der Anblick der Reste bestärkte seine Erstgeborene in ihrer Meinung vom "Schrotthaufen" - und ihren Vater darin, das seltene Cabrio wieder auferstehen zu lassen, getreu dem Motto: "Jetzt erst recht!"

Hauptaufgabe: die Instandsetzung der Karosserie

Dank seiner Verbindungen im Glas-Club war Bernd Ollendorf in der Lage, in Bezug auf Blechteile größtenteils auf Originale zurückgreifen zu können. Und gebraucht wurde viel Blech, unter anderem die Stehbleche vorn, die Federdomaufnahmen, die Frontmaske, die Außen- und teilweise auch die Innenschweller, Teile des Bodenblechs sowie der Großteil der hinteren Seitenwände und das komplette Heckblech. "Die Instandsetzung der Karosserie war der Hauptposten der Restauration, zumindest vom Zeitaufwand her", resümiert Ollendorf.

Mit dem Motor hatte der norddeutsche Glas-Fan erst einmal Pech. "Die Maschine machte zunächst einen passablen Eindruck", erinnert er sich, "obwohl sie ziemlich oxidiert war. Die Demontage des Zylinderkopfes erbrachte nur geringe Verschleißspuren an den beweglichen Teilen - doch der Motorblock war leider regelrecht erfroren, wie ein langer Riss in der Außenwand eines Kühlkanals zeigte".

Bei der Ersatzteilbeschaffung hatte Ollendorf dann wieder Glück: Er konnte einen Teilefundus übernehmen, den ein ehemaliger Glas-Fahrer aus dem Bergischen Land seit der Schlachtung seines 1204 Coupés Anfang der siebziger Jahre in seinem Keller gehortet hatte. "Das war ein richtiger Schatz, den wir da zu einem sehr moderaten Preis gehoben haben - unter anderem Motor, Getriebe, Türen, Hauben und spezielle Coupé-Teile, die ich später gegen zwei Cabrioseitenteile tauschen konnte", freut sich Ollendorf bis heute.

Bei der Farbe entschieden sich die Ollendorfs für ein Kupfergold (maquillage-metallic), dass es nach Ansicht des Besitzers "bei Glas tatsächlich gegeben hat, zumindest auf dem Blech des großen Glas V8. Einen 04 in dieser Farbgebung kenne ich - außer meinem - nicht, aber ich finde, sie passt sehr gut zu der eigenwillig geformten Karosserie." Bei der Innenausstattung entschied sich Bernd für einen satten dunklen Braunton und gegen das serienmäßige Schwarz, das blecherne Armaturenbrett ließ er in derselben Farbe beziehen, ebenso den Lenkradkranz. Das Verdeck erhielt einen neuen Bezugsstoff in passender Farbe und die Persenning brünierte Knöpfe.

In der rund vier Jahre dauernden Restauration ging aus einem erbärmlichen Wrack ein wahres Prachtstück hervor. Seitdem gönnt sich Bernd Ollendorf damit die Teilnehme an diversen Oldtimer-Veranstaltungen, zumeist im norddeutschen Raum - "und natürlich die Fahrten zu den Glas-Clubtreffen, das ist doch Ehrensache!"

Glas 1204: Bauzeit 1963 - 1967; Zylinder: 4; Hubraum: 1189 ccm; Leistung: 53 PS; Höchstgeschwindigkeit 140 km/h; Verbrauch: ca. 9 Liter/100km

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